Schuldner, Kreditgeber, Prozessgewinnler

Die sich zuspitzende Spannung zwischen Kreditgebern und -nehmern und wer davon profitiert

Symbolfoto: sxc.hu

Monat für Monat wächst die Zahl derjenigen, die bei Banken und „Finanzinstitutionen des Nichtbankenbereichs“ (das von der Nationalbank BNR in ihren Berichten dafür verwendete rumänische Kürzel lautet IFN) die Raten für aufgenommene Kredite schuldig bleiben.

Im April – wie die Zusammenfassungen des Statistikamts beziehen sich auch die Bilanzberichte der Nationalbank auf eine schon länger zurückliegende Zeit – betrug die Zahl der mit der Rückzahlung von Krediten ins Hintertreffen geratenen Personen 715.469, was einem Anstieg von 2,26 Prozent gegenüber März 2013 entspricht. Anders gesagt: Die Zahl der Rückzahlungssäumigen steigt mit einiger Regelmäßigkeit von Monat zu Monat um etwa 15.000 Personen (von März auf April 2013 waren es aufgerundet 16.000). Die gute Nachricht: Gegenüber April 2012 – im ersten Jahresquartal nach der Sparzwangregierung des Emil Boc – verzeichnete man einen Rückgang der säumigen Kreditzahler von etwa 11.000 Personen.

Die Zahl der nicht zurückgezahlten Kreditraten stieg im April 2013 auf 982.987, ein Anstieg von 2,1 Prozent (oder 20.721 Krediten) gegenüber März 2013. Aber das waren immerhin um 32.581 nicht zurückgezahlte Kreditraten weniger als im Vergleichsmonat 2012.

Die Bukarester machen die meisten Schulden

Insgesamt betrugen die Rückzahlungsrückstände der Kreditnehmer von Banken und IFN im April 2013 rund 9,914 Milliarden Lei, ein Anstieg von 0,1 Prozent gegenüber März dieses Jahres. Von dieser Summe waren 7,154 Milliarden Lei ausstehende Rückerstattungen, die seit mehr als 90 Tagen fällig waren. Von den über 9,9 Milliarden Lei Kreditschulden waren 4 Milliarden Lei in Euro aufgenommen worden – und werden durch den gegenwärtig starken Euro gegenüber der Landeswährung spürbar teurer. 3,727 Milliarden waren in der Landeswährung aufgenommen, 2,116 Milliarden Lei in anderen harten Währungen und nur etwa 30,2 Millionen Lei in Dollar.

Laut Statistiken der Internetseite Efin.ro stehen bezüglich des Zwecks der Kreditaufnahmen  weiterhin die „Kredite für den persönlichen Bedarf“ an der Spitze. Rund ein Drittel der Kreditnehmer hat sich für diese Variante entschieden. Auf Rang zwei befinden sich die Hypothekarkredite (mit 11,47 Prozent aller Kreditnahmen), auf Rang drei die Immobilienkredite (9,75 Prozent). Es folgen eine lange Reihe anderer Gründe der Kreditaufnahme, wobei die Kredite für den Kauf von Pkws (1,72 Prozent) und die Kredite für Leasingkäufe (1,53 Prozent) die letzten Plätze der Rangfolge einnehmen.
Das größte Interesse an Kreditaufnahmen zeigen Personen mit Monatseinkommen zwischen 1000 und 1500 Lei (27 Prozent der von den Banken als glaubwürdig selektierten Kreditnehmer).

Auffällig ist auch, dass dabei 25,57 Prozent der Gesamtzahl der Kreditnehmer aus Bukarest kommen – was einen guten Grund liefern müsste, um neben der Untersuchung der Mentalität auch sonstigen sozio-psychologischen Fragen anhand des Verschuldungsverhaltens und der Einstellung zur Überschuldung unter der Bevölkerung der Hauptstadt nachzugehen. Laut der Nationalbank BNR sind 72,66 Prozent der Kreditnehmer zwischen 20 und 40 Jahre alt und 56,41 Prozent unter diesen sind männlichen Geschlechts. Fast ein Drittel (28,49 Prozent) unter denjenigen, die einen Kredit aufzunehmen wünschen, hat bereits einen Kredit laufen oder in Raten Gekauftes abzuzahlen. 14,15 Prozent der Antragsteller für Kredite sind im Schuldnerregister verzeichnet, das vom Nationalen Kreditbüro geführt wird.

Kontrollergebnisse des Verbraucherschutzes

Da es immer wieder Beschwerden der Kunden/Kreditnehmer gegen die Vorgehensweise der Banken im Kreditgeschäft gibt, hat der Verbraucherschutz ANPC im Februar 2013 eine landesweite einmonatige Untersuchung in 344 Bankfilialen in Rumänien bezüglich der Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes 288, das den Dringlichkeitsbeschluss OUG 50 der Regierung festschreibt, durchgeführt. Über 101 Geldstrafen wegen Übertretungen dieser Bestimmungen, welche das Kreditgeschäft regeln sollen, wurden dabei den Banken auferlegt. Zudem wurden 103 schriftliche Verwarnungen ausgestellt. Die Banken mussten insgesamt 1,66 Millionen Lei Strafe zahlen. Laut Verbraucherschutz ist die Vorgehensweise bei der Kreditvergabe bei zwei von drei Banken nur bedingt legitim.

Der Verbraucherschutz ANPC untersuchte die Dokumente der Banken bezüglich der Kundeninformation und deren Übereinstimmung mit den Gesetzesbestimmungen und der tagtäglichen Verhaltenspraxis der Banken, aber auch die Art und Weise, wie mit Kleinstgedrucktem die Aufmerksamkeit des Bankkunden bei der Unterzeichnung eines Kreditvertrags eingeschläfert wird. Beispielsweise stellte der ANPC fest, dass im Dokument der „Standartdinformationen auf europäischer Ebene für Verbraucherkredite“ ( „Informa]ii standard la nivel european privind creditul pentru consumatori“) kein klar gedruckter und gut sichtbarer Termin für die Verständigung des Nationalen Kreditbüros (eine Art nationales Schuldnerregister) angegeben wird. Ebenso verhielt es sich mit dem Mindesttermin für die Auslösung der Zwangsvollstreckungsprozedur als Folge der Nichtrückzahlung eines Verbraucherkredits. Die Informationen waren in kleinerer Schrift als Times New Roman-Schriftgröße 12 angegeben und es wurde lediglich zusätzlich darauf hingewiesen, dass „der effektive Jahreszins die Gesamtkosten des Kredits darstellt, ausgedrückt als jährlicher Prozentsatz vom Gesamtumfang des Kredits. DAE hilft Ihnen dabei, die unterschiedlichen Marktangebote (der Banken – Anm. des Autors) zu vergleichen.“

Als „zweideutig“ und „missverständlich“ wurden vom Verbraucherschutz auch die Angaben der Banken bezüglich der Verwaltungskosten des Kreditvolumens bemängelt, sowie die Angaben über die finanzielle Anerkennung durch Zinsverringerung im Falle von vorzeitig zurückgezahlten Krediten, die fehlenden Angaben über die Verzinsung des Kredits (jährlicher Festzins oder variabler Zins) oder die fehlenden bzw. missdeutbaren Angaben über die Analysegebühren/-honorare, die sich die Bank aufgrund der Kreditierungsverhandlungen einbehält. In der Regel sollte diese Summe im direkten Verhältnis mit dem Kreditvolumen stehen, meint der Verbraucherschutz.

Auch die Vertragsabschlüsse bemängelt der Verbraucherschutz. Einerseits, weil viel vom Beanstandeten aus den Vor-Vertragspapieren auch in den Vertragsdokumenten Aufnahme findet. Bei manchen Banken entsprachen allerdings in den Vertragsdokumenten die Summen nicht jenen, die in den Vor-Vertragspapieren verzeichnet sind. Zudem entdeckte der ANPC Nichtübereinstimmungen zwischen der insgesamt an die Bank zurückzuzahlenden Summe und der Summe der monatlichen Kreditrückerstattungen, wie sie aus dem Kreditvertrag errechnet werden konnte.

Das Verwaltungshonorar der Bank war jeweils als Pauschale für die gesamte Laufzeit des Kredits errechnet (also über die gesamte Laufzeit konstant), nicht, wie gesetzlich vorgesehen, in Abhängigkeit von dem jeweils verwalteten Kreditvolumen, das sich ja mit jeder Kreditrate verringert. Auch war nirgends im Kreditvertrag die gesetzliche Bestimmung vermerkt, dass der Kreditnehmer eventuelle, während der Laufzeit des Kredits vom Kreditgeber vorgenommene Änderungen – „neue Bedingungen“ – anfechten kann.

Als Willkürakt der Banken bezeichnet der ANPC die Vertragsverfügung, dass der Kreditnehmer im Falle von Hypothekarkrediten verpflichtet wird, die Hypothek bei einer von der Bank akzeptierten oder gar vorgeschlagenen Versicherungsgesellschaft zu versichern und der Bank auch noch als eventuelle Zwangsvollstreckungsgebühr den Abzug von 500 Lei zu erlauben. Sehr konfus und verwirrend seien bei vielen Banken die Vertragsverfügungen zum Thema der einseitigen Kündigung des Kreditvertrags. Willkürliches Vorgehen der Banken ist der Hauptvorwurf, den der Verbraucherschutz ihnen zu machen hat.

Sehr selektiv und unvollständig informierend seien auch die Werbemaßnahmen der Banken, bemängelt der Verbraucherschutz. Der Verbraucher habe, wenn er die Eigenwerbung der Banken vergleicht, keine Garantie für eine auf realistischen Daten fundierte Entscheidung, sagt der ANPC, weil die Banken vieles gar nicht verzeichnen, was erst bei den Vor-Vertragsverhandlungen oder sogar erst am Tag des Vertragsabschlusses dem Kunden klar wird – schlimmstenfalls erst, wenn der Vertrag bereits läuft. Was den Kreditnehmer wirklich interessieren sollte (Zinsrate, Berechnungsformeln, Analysehonorare der Bank für die Dokumentation der Antragsstellung, Kreditverwaltungshonorare, Einzeleinzahlungen usw.), taucht in der Bankenwerbung nahezu nie auf. Ebenso verhält es sich mit manchen der Zwangsverfügungen (etwa die Versicherung, die von der Bank bei Hypothekarkrediten bevorzugt wird).

Die wahren Gewinner der Streitigkeiten

Eine Berechnung einer Bukarester Rechtsanwaltskanzlei hat ergeben, dass clevere Advokaten aus der Irreführung der Kunden durch die Bankenwerbung allein in Bukarest rund 500.000 Euro verdienen könnten, wenn sie Sammelklagen der geschätzt 12.000 unzufriedenen Bankkunden starten. Dabei wurde von einem durchschnittlichen Rechtsanwaltshonorar von 200 Euro pro Prozess und einer weiteren Prämie von 200 Euro bei Prozessgewinn ausgegangen.

Nebenbei bemerkt: Im Herbst 2010 lag das Rechtsanwaltshonorar für solche Prozesse noch zwischen 30 und 40 Euro pro Prozess. Seit die ersten Prozesse von etwa 3000 unzufriedenen Bankkunden gewonnen und Entschädigungen herausgeschlagen worden waren, stieg nicht nur die Zahl der klagewilligen Kreditnehmer ins Vielfache, sondern auch die Honorare der Rechtsanwaltsbüros. Inwiefern sich die Banken ihrerseits mit mehr und besserem Rechtsbeistand wappneten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Die Bukarester Rechtsanwaltskanzlei Piperea „sammelt“ gegenwärtig unzufriedene Kunden der Volksbank. Eine Sammelklage will sie erst bei mindestens 150 unzufriedenen Volksbank-Kunden starten (leicht nachzurechnen: Das im Voraus zu zahlende Honorar des Rechtsanwaltsbüros liegt dann bei 30.000 Euro!). Die Werbemaschine der Advokaten läuft. Denn wenn das Büro Piperea den oder die Prozesse gewinnt, zahlt jeder Kunde noch einmal 200 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer.
Der Chef der Überwachungsbehörde der Nationalbank BNR, Nicolae Cinteză, sagte 2012 einmal: „Unsere Banken waren keine Jungfrauen. Aber auch die Rechtsanwälte sind es nicht.“ Denn kein Rechts-anwalt(sbüro) hat bisher den Kunden eindeutig erklärt, welches die Chancen und/oder Risiken eines Prozesses gegen eine Bank sind, von der man einen Kredit aufgenommen hat.
Neutrale Beobachter des Geschehens vertreten die Meinung, dass immer noch „außergerichtliche Vereinbarungen“, erzielt in friedlichen Verhandlungen zwischen Banken und Kunden, die beste Lösung sind. Zudem sind sie kostengünstiger und weniger zeitaufwendig. Dieselben Beobachter behaupten, dass bisher die wahren Gewinner aus den Spannungen zwischen den Banken und ihren Kunden die Rechtsanwälte sind.