Schwesternschaftliche Diakonie in der Landeskirche (II)

Vor 125 Jahren wurde die Evangelische Krankenpflegeanstalt in Hermannstadt eingeweiht

Eingang zum Diakonissenhaus in Bukarest

Unter der Leitung der von Gallneukirchen entsandten „reichsdeutschen“ Diakonissen-Oberin Freda von Schaky wurde das Diakonissenmutterhaus „Bethanien“ in Kronstadt gegründet.

Offiziell wurde das neue, landeskirchliche „Martin-Luther-Krankenhaus“ 1934 eröffnet.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Schwestern teilweise zum Lazarettdienst eingeteilt. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Angliederung von Bessarabien und „Transilvanien“ an Rumänien änderte sich die Gesamtlage deutlich. In Bessarabien hatte der Kreisarzt Dr. Georg Friedrich Lütze in Sarata Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Gründung eines Krankenhauses hingearbeitet. Von 1865 bis 1871 hatten Neuendettelsauer Diakonissen in Sarata zu wirken begonnen. Das 1867 neu gegründete Alexander-Asyl wurde die Keimzelle einheimischer schwesternschaftlicher Diakonie in Bessarabien, mit Pflegeheimen in Arzis (1886) und Krankenhausbau (1912/13), aber auch Einsatzorten wie Odessa, Kiew, Saratow sowie in der Zwischenkriegszeit in Tarutino, Temeswar oder Schäßburg. Die meist streng pietistischen bessarabischen Diakonissen haben – nach einer Konsolidierung in den 1920er Jahren – bis 1940 (mit 55 Diakonissen bei der Umsiedlung) eine vielseitige Tätigkeit entwickelt. Aus dieser Region haben nach dem Ersten Weltkrieg außerdem nicht wenige junge Frauen den Weg in das bereits 1897 von Kaiserswerth abgespaltene, eigenständige Diakonissenmutterhaus „Gottesfrieden“ in Bukarest gefunden. Bis 1950 haben diese Schwestern in der Krankenpflege im Altreich, vornehmlich in Bukarest gewirkt, aber auch in der aus einem Kriegsinvalidensanatorium hervorgegangenen Filiale, der renommierten orthopädischen Fachklinik (Belegkrankenhaus) mit Waisenhaus und Schwesternwohnheim auf dem Schneckenberg in Kronstadt. Dort wurden zumeist siebenbürgisch-sächsische Frauen, die aus dem Milieu der Gemeinschaftsbewegung stammten, eingesetzt.

 Gründung in Kronstadt

Zwar blieben nach dem Ersten Weltkrieg die Arbeitsfelder der Hermannstädter Evangelischen Krankenpflegeanstalt in Siebenbürgen erhalten, es wurden sogar Schwestern an die burzenländischen Privatsanatorien, z. B. von Dr. Wilhelm Depner oder Dr. Leonhard Flechtenmacher, entsandt; die Schwesternzahl stieg gegen Ende der 1920er Jahre auch weiter an. Schließlich wurden beispielsweise für Heltau Landkrankenpflegerinnen ausgebildet. Doch unmittelbar nach Kriegsende wurden wegen eines Personalengpasses alle Schwestern aus Kronstadt abberufen und die dortige Station geschlossen. Dies führte dazu, dass Stadtpfarrer Dr. Franz Herfurth sich erfolgreich im einzigen Diakonissenmutterhaus Österreichs, im Mutterhaus „Bethanien“ in Gallneukirchen, um Diakonissen bzw. um Schwesternausbildung bemühte. Der Kronstädter Ortsausschuss für Krankenpflege warb junge Frauen an, die in Österreich kostenlos zur Ausbildung aufgenommen wurden. Aufgrund der räumlichen Distanz bestand aber in Gallneukirchen die Absicht, die Filiale in Kronstadt baldmöglichst in die Selbstständigkeit als eigenes Diakonissenmutterhaus zu entlassen. Dies ist dann auch geschehen. Unter der Leitung der von Gallneukirchen entsandten „reichsdeutschen“ Diakonissen-Oberin Freda von Schaky wurde das Diakonissenmutterhaus „Bethanien“ gegründet.

Das Kronstädter Mutterhaus, das immer mit widrigen räumlichen, z. T. gesundheitsschädlichen Wohnbedingungen zu kämpfen hatte, vereinte nicht nur die bereits erprobten pflegerischen Dimensionen, sondern legte vor allem Wert auf die „Innere Mission“, besonders die volksmissionarische Stärkung des Glaubenslebens sowohl der städtischen Jugend als auch der dörflichen sächsischen Bevölkerung. Darin trafen die Diakonissen sich mit dem Anliegen des Kronstädter Stadtpredigers Georg Scherg, aber auch mit der Intention des seit 1922 amtierenden Stadtpfarrers und nachmaligen Bischofs Dr. Viktor Glondys. Dieser missionarische Akzent hing unter anderem mit der Herkunft und dem Ausbildungsgang der leitenden Schwestern zusammen. Das Bukarester und sogar beide Kronstädter Diakonissenhäuser wurden geleitet von Malche-Schwestern, d. h. von Frauen, die im 1898 begründeten Frauen-Bibel-Missionshaus Malche (bei Bad Freienwalde im Oderbruch) geprägt und für diese volksmissionarische Arbeit breit ausgebildet und international vernetzt waren. Immerhin arbeiteten in den 1930er Jahren gleichzeitig 14 Malche-Schwestern (von Sarata bis Kronstadt) in Rumänien.

Martin-Luther-Krankenhaus

In der Weltwirtschaftskrise waren auch die Schwesternhäuser vom negativen Sog der ökonomischen Depression erfasst. In Hermannstadt geriet auch das der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa (HAS) gehörende, bislang als „Goldesel“ sprudelnde Stadtpark-Sanatorium finanziell ins Schlingern. Ärztlicher Direktor war zu diesem Zeitpunkt Dr. Adolf Eitel. Bislang hatte sich die HAS stets einer Fusion des Stadtpark-Sanatoriums mit der Evangelischen Krankenpflegeanstalt, als deren ärztlicher Direktor Dr. Viktor Weindel amtierte, widersetzt. Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise 1931 suchte die HAS dann die Entlastung. Zum Jahresende 1932 schlossen sich beide Kliniken unter der Obhut der Landeskirche zusammen. Offiziell wurde das neue, landeskirchliche „Martin-Luther-Krankenhaus“ mit Schwesternverband der Evangelischen Krankenpflegeanstalt am 20. Mai 1934 feierlich eröffnet. Vornehmliches Ziel war es, hier den minderbemittelten Schichten eine zusätzliche, billigere Patientenklasse anzubieten sowie die durch die Inflation in ihrer Ausstattung stark geschwächten Freibett-Stiftungen durch ein ganzjährig garantiertes Freibett für Bedürftige (kostenlos inklusive der Operationen und ärztlichen Behandlung) zur Verfügung zu stellen. Mit der Klinik-Fusion reduzierte sich zwar einerseits die Bettenzahl, weil nur die 66 Betten in dem 1905/06 errichteten Gebäude des ehemaligen Stadtpark-Sanatoriums vom Martin-Luther-Krankenhaus genutzt wurden. Andererseits sollte das frühere Krankenhaus der Krankenpflegeanstalt nun aber mit 22 Betten zum Lungenspital umgewidmet werden.

In der neuen organisatorischen Struktur des Martin-Luther-Krankenhauses (und in den auswärtigen Stationen) existierte die evangelische schwesternschaftliche Diakonie bis zur Verstaatlichung 1948 weiter. Aber selbst danach blieb der Name Martin-Luther-Krankenhaus über Jahrzehnte noch im Volksmund erhalten. Leider ist das Feierabendhaus mit Christlichem Hospiz, das 1929 für die Ruhestandsschwestern in dem von Charlotte von Dietrich vermachten, herrschaftlichen Gebäude am Schillerpark, das durch die Stadtpfarrgemeinde Hermannstadt adaptiert worden war, erst jüngst durch juristische Unbilden einer berechtigten Restitution entzogen worden. Dort hatten die aufopferungsvoll dienenden Schwestern nach dem zum Teil über vier Jahrzehnte dauernden Arbeitsleben eine würdige Bleibe für ihren Ruhestand in geistlicher Gemeinschaft gefunden. Sie konnten sich, solange ihre Kräfte reichten, in dem zugleich als Gästehaus dienenden Haus weiterhin nützlich machen und vielen – auch weit gereisten, prominenten Gästen – den Aufenthalt in Hermannstadt mit liebevollen Gesten angenehm gestalten.
Die Schwestern fanden in einem heute noch bestehenden eigenen Gräberfeld auf dem Zentralfriedhof ihre letzte Ruhe.

(Der Autor bittet um weitere Hinweise oder fotografische Dokumentationen der verschiedenen Stationen, Schwestern oder Ärzte.)