Sechs Resolutionen zur Lage der nationalen Minderheiten verabschiedet

57. Jahreskongress der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen tagte in Moskau

Präsident der FUEV, Hans Heinrich Hansen (r.), bei der Kongresseröffnung im Deutsch-Russischen Haus.
Foto: Andrey Kolobov

Über 170 Vertreter der Europäischen Volksgruppen kamen vom 16. bis 20. Mai in Moskau zum jährlichen Kongress der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) zusammen. Die Kongressteilnehmer aus Deutschland, Dänemark, Polen, Italien, Österreich, Serbien, den Niederlanden, Ungarn, Belgien, Finnland, Mazedonien, Frankreich, Kroatien, Estland, Lettland, Griechenland, aber auch Russland, Kasachstan und Georgien versammelten sich in der russischen Hauptstadt, um sich mit dem Thema der Sprachenvielfalt auseinanderzusetzen. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien war durch Geschäftsführerin Anita Pavel sowie den Geschäftsführer des Siebenbürgenforums, Benjamin Józsa, vertreten.

Die Wahl von Moskau als Austragungsort des Kongresses sollte einerseits die besondere Stellung Russlands auf der Karte der europäischen Volksgruppen unterstreichen: Im Riesenreich leben nicht nur rund 190 Minderheiten und Nationalitäten, sondern werden auch über 230 Sprachen gesprochen. Andererseits geschah es, um die russische Regierung auf die seit drei Jahren andauernden Verhandlungen zwischen dem Europarat und der Russischen Föderation über die Ratifizierung der Europäischen Sprachencharta aufmerksam zu machen. Die Situation der nationalen Minderheiten in Russland stand gesondert beim zweiten Themenschwerpunkt unter dem Motto „Russland – der unbekannte Vielvölkerstaat“ im Mittelpunkt. Auf Grundlage der Diskussionen und Referate bildete sich während des Kongresses eine ad-hoc-Arbeitsgruppe, die eine Kongressstellungnahme erarbeitet hat. Diese fordert die Regierung in Moskau unter anderem auf, die bereits in großer Zahl vorliegenden Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Nationalitäten, Minderheiten und Sprachen nun auch in der Praxis umzusetzen.

Der zweite Schwerpunkt auf der Tagesordnung des Kongresses stellte die Bürgerinitiative „Eine Chance für alle Minderheiten in Europa“ dar. Die Sammlung von einer Million Unterschriften und die zukünftige Umsetzung dieser Bürgerinitiative sollen nicht nur die Sichtbarkeit der rund 300 Minderheiten in Europa erhöhen, sondern auch ganz konkret die Europäische Union dazu bringen, die autochthonen Minderheiten verstärkt in ihren Politiken zu berücksichtigen. Doch werden die Unterschriften auch in den Nicht-EU-Staaten gesammelt, damit die Regierungen dieser Länder auf die Bedürfnisse ihrer Minderheiten aufmerksam gemacht werden. Kongressteilnehmer begrüßten die Initiative in zahlreichen Wortmeldungen und forderten die FUEV auf, an der Verwirklichung dieses Bürgerbegehrens weiterhin aktiv mitzuwirken.

In der Delegiertenversammlung, dem höchsten Organ der FUEV, wurden sechs Resolutionen zur Lage der nationalen Minderheiten verabschiedet: ungarische Minderheit in Rumänien, Sorben aus der Lausitz, dänische Minderheit aus Deutschland, Balkaren aus Russland, West Thrakien Türken aus Griechenland und die Griechen aus Istanbul/Konstantinopel. Des Weiteren nahm der Kongress Stellung zur Situation der West Thrakien Türken, der Russlanddeutschen und der Minderheiten in Russland im Allgemeinen. Die Anträge auf die Mitgliedschaft in der FUEV der Verbände der Kärntner Slowenen, der Burgenländischen Kroaten aus Wien, der Balkaren-Karatschei und des Komitees für Regional- und Minderheitensprachen wurden von den Delegierten ebenfalls angenommen. Nun umfasst die FUEV 94 Mitgliederorganisationen.

Der FUEV-Kongress in Moskau blieb für die russische Regierung nicht unbemerkt. Die Teilnehmer wurden von Maxim Trawnikow, dem stellvertretenden Minister im Entwicklungsministerium, im Namen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, begrüßt. Seitens des Europäischen Parlaments richtete Csaba Tabajdi ein Grußwort an die Kongressteilnehmer. „Meine Haare sind während der Verteidigung der Rechte der nationalen Minderheiten grau geworden“, scherzte er. „Es hat keine Bedeutung, wie eine Minderheit entstanden ist. Sie und ihre Rechte müssen verteidigt werden“, setzte er ernst fort. Der Leiter des Direktorates für Menschenrechte und Antidiskriminierung beim Europarat, Ralf-René Weingärtner, wies in seiner Ansprache auf die Bedeutung der Sprache als markantes Zeichen der traditionellen Minderheiten hin und rief dazu auf, diese „als lebendige Sprachen des Alltagslebens zu erhalten“. Über die Fortschritte in der Minderheitenpolitik in Russland berichtete der Präsident der Föderalen Nationalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen, Heinrich Martens. „Die Gründung des Rates für Minderheiten beim Präsidenten der Russischen Föderation ermöglicht es, die Probleme und Bedürfnisse der Volksminderheiten an der höchsten Stelle im Staat zu lösen“, sprach Martens hoffnungsvoll aus.

Die Erkundung der russischen Hauptstadt setzten die Kongressteilnehmer außerhalb von Referaten und Vorträgen mit einem Kulturprogramm fort. Die Besichtigung der Aufführung vom Ballett „Giselle“ im Bolschoi-Theater hinterließ bei allen einen unvergesslichen Eindruck. Eine Rundfahrt durch die überfüllten Straßen Moskaus zeigte sowohl die geschichtsträchtigen als auch die modernen Seiten dieser Metropole. Die Vorstellung einiger Minderheiten aus Russland beim Markt der Möglichkeiten zu Beginn der Veranstaltung im Deutsch-Russischen Haus erlaubte einen flüchtigen Einblick in die breite Palette der zahlreichen Minderheiten in Russland.

„Russland ist ein facettenreiches Land, das sich natürlich nicht in vier Tagen erschöpfend erkunden lässt. Ich denke jedoch, wir sind gemeinsam mit unseren 170 Gästen um einiges klüger, wenn wir heute nach Hause fahren“, zog FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen ein positives Fazit des 57. Kongress der FUEV.