Siebenbürgen – eine Weltregion

Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg feierte 50 Jahre seit der Wiedergründung

Es liegt wohl an den Zeiten, dass Fünfzigjährige nicht sorgenfrei in ihre Zukunft blicken können. Ein Bangen und Hoffen klang denn auch bei dem würdig gefeierten 50. Jubiläum seit der Wiedergründung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg (AKSL) mit.

Der Festakt fand am 7. September in der großen Aula der ehrwürdigen Alten Universität in Heidelberg statt. Über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des wissenschaftlichen Vereins für das Erforschen der Geschichte und Kultur der Vielvölkerregion Siebenbürgen mit dem Schwerpunkt auf jenen der Siebenbürger Sachsen wurde tags darauf im Rahmen der 47. Jahrestagung des AKSL auf Schloss Horneck in Gundelsheim referiert. Teilgenommen haben an der Veranstaltung über 120 AKSL-Mitglieder sowie geladene Vortragende und sonstige Interessenten.

Die Festveranstaltung stand unter der Schirmherrschaft von Reinhold Gall, dem Innenminister des Landes Baden-Württemberg. Der kam direkt aus der Haushaltsdebatte seines Landes und überbrachte in seiner Grußbotschaft die erfreuliche Nachricht, dass die Mittel in den nächsten beiden Jahren für den AKSL nicht gekürzt werden. Er bezeichnete Gundelsheim und Schloss Horneck – die in seinem Wahlkreis liegen – als „Kristallisationspunkt“ und „kulturelles Herz“ der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Minister Gall bestärkte die von Prof. Dr. Heinz-Dietrich Löwe, dem wissenschaftlichen Direktor des Siebenbürgen-Instituts, geäußerte Zuversicht, dass der AKSL seine Tätigkeit in den nächsten 50 Jahren fortsetzen werde.

Das Grundsatzreferat über die Aufgaben und Perspektiven der Landesgeschichteforschung im 21. Jahrhundert hielt Prof. Dr. Enno Bünz von der Uni Leipzig, über die historische Erforschung Siebenbürgens im Kontext Südosteuropas sprach Prof. Dr. Joachim Puttkammer (Uni Jena sowie Vorstandsmitglied des AKSL). Im 21. Jahrhundert werde das Schwergewicht auf die Eliten- und Kirchengeschichtsforschung gelegt und eine Rückbesinnung auf die Zivilgesellschaft vollzogen, wo bisher die Nationsbildung hinsichtlich der Vereinigung mit Rumänien behandelt wurde, sagte er.

Prof. Dr. Konrad Gündisch (BKGE Oldenburg) sprach vom Überwinden der Etappe, in der jede Kultur- und Religionsgemeinschaft ihre Geschichte darstellt, und plädierte für eine Betrachtung von Kulturräumen innerhalb von Regionalstudien, in denen globale Verflechtungsbeziehungen zu untersuchen sind. Eine mögliche Zukunft für den AKSL sah er in den „Area Studies“, d. h. Regionalwissenschaften, die sich mit Gesellschaft, Kultur und Geschichte einer bestimmten Weltregion sowie ihren Sprachen, deren zugehörigen Literaturen und der linguistischen Analyse beschäftigen und von starker Interdisziplinarität geprägt sind. Siebenbürgen ist eine solche Weltregion und das Siebenbürgen-Institut könnte eine Institution für Regionalwissenschaften werden, die sich transnational und interdisziplinär der Forschungen dieser Weltregion widmet.

Die Gründung

Im Prinzip ähnlich, aber anders formuliert, war das Desiderat der 14 Männer, die den Arbeitskreis „nach zehnjähriger Inkubationszeit“ – so dessen heutiger Vorsitzender Dr. Ulrich A. Wien – 1962 konstituierten. Von den Gründungsmitgliedern nahmen drei am Jubiläum teil: Prof. Dr. Paul Philippi, Prof. Dr. Andreas Möckel und Dr. Otto Mittelstrass. Die beiden Erstgenannten waren in Siebenbürgen geboren worden, der Letztgenannte Nichtsiebenbürger war der erste Vorsitzende des Vereins gewesen.

Den „altgewordenen und junggebliebenen“ Gründungsmitgliedern dankte Wien für ihre Arbeitskraft, Ideen, Hartnäckigkeit und Realismus, „das zu tun, was möglich war“. Was das war und wie es dazu kam, erläuterte Dr. Paul Phlippi in seinem Vortrag über die Gründung in der Plenumssitzung der Jahrestagung. Dass dabei die in Siebenbürgen seit mehreren Jahrhunderten gepflegte Beschäftigung mit dem in Europa verbreiteten Gedankengut fortgesetzt wurde, die 1840 zur Gründung des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde geführt hatte, in dessen Rechtsnachfolge der AKSL steht, erläuterte Thomas Şindilariu (Archiv der Honterusgemeinde, Kronstadt/Braşov). Die Grundlinien der 50-jährigen Entwicklung zeichnete Dr. Gerald Volkmer (IKGS München) nach.

Dabei habe das konsequente Verfolgen des Zieles, die Geschichte und Kultur aller in Siebenbürgen beheimateten Völker zu erforschen, die zentrale Voraussetzung für den Erfolg dargestellt, betonte er. Der nach Deutschland und Österreich durch den Krieg „gespülten“ Generation folgte eine zweite, die in Rumänien studiert und sozialisiert worden war und dadurch Interesse an der Kulturgutsicherung zeigte. Die dritte Generation besteht aus Leuten, die in Deutschland studiert haben und die die siebenbürgische Thematik seit den 1990er Jahren frei erkunden. Alle drei Generationen waren bei der Tagung präsent.

Die Gegenwart

Was als „Schmerzenskind junger siebenbürgischer Kriegsflüchtlinge“ begonnen hatte, blühte auf und entwickelte sich. Der AKSL gründete 1993 das Siebenbürgen-Institut mit Sitz in Gundelsheim als der zentralen Dokumentations- und Forschungsstätte. Diese verfügt über die umfassendste siebenbürgische Bibliothek außerhalb Siebenbürgens sowie ein umfangreiches Archiv. 2003 erfolgte die Anbindung an die Universität Heidelberg, herausgegeben werden weiterhin in komplett ehrenamtlicher Tätigkeit Zeitschriften, vier Buchreihen und Sonderpublikationen. Zurzeit ist weder die Geschäftsstelle noch jene des wissenschaftlichen Leiters besetzt, da nicht dotiert. Die gesamte Arbeit wird vom geschäftsführenden Vorstand und insbesondere Dr. Ulrich A. Wien und Dr. Harald Roth ehrenamtlich und auf virtuellem Weg geleistet.

Dr. Roth, zurzeit kommissarisch Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa, stellte die Aufgaben des AKSL bis zu dessen 200-Jahrfeier im Jahr 2040 vor. Dabei ging er auf die Probleme ein, mit denen man sich in den Bereichen Forschung, Dokumentation und Publikationen konfrontiert sieht. Es sei sein Herzensanliegen, dass die Arbeit fortgeführt wird, dazu aber seien Veränderungen nötig und es müssten neue Schwerpunkte formuliert werden, sagte er.

Der AKSL hat heute 14 Sektionen und die tagten in den sechs Zusammenfassungen Rechts-, Kirchen- und Zeitgeschichte, Geschichte und Kunstgeschichte, Schulgeschichte, Naturwissenschaften und Volkskunde, Germanistik sowie Genealogie. In ihrem Rahmen wurden insgesamt 23 Vorträge von Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Rumänien, Ungarn und Österreich präsentiert, deren Wortlaut in den beiden Heften der „Zeitschrift des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“ 2013 abgedruckt werden. Die 47. Jahrestagung wird in Kooperation mit der Uni Nürnberg-Erlangen vom 4. bis 6. Oktober 2013 stattfinden, zuvor aber tagt der AKSL am 2. und 3. November 2012 in Schäßburg/Sighişoara zur Geschichte der Frauen in Siebenbürgen.

Was das wissenschaftliche Niveau und den Zuwachs angeht – eine „Frischzellenkur“ (Dr. Wien) vermitteln die von Siebenbürgen faszinierten Jungakademiker des Arbeitskreises „Studium Transsylvanicum“ mit seinen Sommerakademien – muss der nunmehr 50-jährige AKSL nicht um seine Zukunft bangen, wohl aber was die finanzielle Versorgung angeht.