Spielzeuge, die gute Taten vollbringen

Die bildende Künstlerin Lia Rădoi näht Geschöpfe mit Charakter

Lia Rădoi präsentiert den schläfrigen Diminicescu.

Gombby, der Koch, Mica, die sportliche Ziege und Familie Erbse.

Doina, das zweite Negerlein, hat eine Leidenschaft für Musik.

Lia hat ihrer Werkstatt den Namen „Das Atelier der Flauschigkeiten“/“Atelierul de pufoşenii“ gegeben.
Fotos: privat (3) & Marion Kräutner (1)

Ein Einhorn, das noch keinen Namen hat, liegt mit einer Nadel im Kopf auf dem Tisch im bunten Atelier von Lia Rădoi und hört uns beim Interview zu. Wie alle Spielzeuge, die Lia Rădoi kreiert,  hat es seine eigene Persönlichkeit und seine eigene Geschichte. Die ist aber noch nicht vollendet und Augen hat es auch noch nicht. „Diminicescu“ dagegen (von „dimineaţa“/Morgen“) ist vollständig mit dabei. Mit seinen - von zu wenig Schlaf - geröteten Augen wartet er auf seinen zukünftigen Besitzer.

Bis dahin jedoch erfreut sich Lia seiner Anwesenheit: „Ich hänge sehr an jedem meiner Spielzeuge. Ich will keine Persönlichkeiten, die schon existieren, machen. Jedes einzelne ist besonders“.

Schon immer kreativ veranlagt

In der Schule wollte Lia nichts mit Nähen zu tun haben. Viel lieber hätte sie in den Handwerk-Stunden der Jungs beim Schnitzen mitgemacht, erzählt die junge bildende Künstlerin, die mittlerweile die Kunstfakultät in Temeswar/ Timişoara abgeschlossen und im Webdesign-Bereich gearbeitet hat. In ihrem Job als Webdesignerin hatte sie jedoch wenig Spaß und ihr blieb kaum Zeit, um zuhause zu basteln. Also entschloss sie sich, ihren Job aufzugeben und sich auf das Herstellen von Spielzeug zu konzentrieren.

„Außerdem ist die Freude, die ich jetzt empfange und bereite dreifach: erst einmal freue ich mich selbst über das fertiggestellte Spielzeug, danach freut sich derjenige, der es kauft und am Ende freut sich auch noch die Person, die es als Geschenk bekommt“, erklärt Lia, warum sie ihre jetzige Aktivität viel besser findet. Alles fing damit an, dass sie es liebte, kreative Geschenke für ihre Freunde zu basteln. „Ich arbeitete mit aller Art von Materialien: von Leder bis hin zu Metall. Eines Tages habe ich angefangen, mit Fleece zu arbeiten und das ist jetzt mein Lieblingsstoff”, so die Spielzeugdesignerin. Es ist einfach zu waschen (in der Waschmaschine bei 30 Grad), darin entstehen keine Parasiten, wie in natürlichen Stoffen und es ist zu hundert Prozent aus recyceltem Plastik hergestellt. In Temeswar findet sie die Stoffe und die Farben, die sie braucht, ziemlich schwer, deshalb passiert es oft, dass sie diese aus dem Ausland kaufen muss.

Personalisiertes Spielzeug als Geschenk

„Ich mache Spielzeug nicht, um Geld zu verdienen, sondern weil es meine Leidenschaft ist. Das Spielzeug ist zwar verhältnismäßig teuer, aber trotzdem bleibt mir nicht viel Geld übrig, weil die Herstellung sehr viel Zeit beansprucht und die Stoffe teuer sind. Manchmal wähle ich den kompliziertesten Weg, um ein Spielzeug zu nähen, weil ich unbedingt will, dass es reißfest ist und dass es ganz genauso aussieht, wie ich es mir vorstelle”. Ein einziges Mal wurde ihr ein Spielzeug vom Kunden zurückgegeben, und das nicht wegen der Qualität, sondern weil das Kind, das das Geschenk bekam, sich nicht davon angezogen fühlte. Und da es für Lia wichtig ist, wie ihr Spielzeug ankommt, hat sie es zurückgenommen. „Wenn es nicht geschätzt wird, dann fühlt es sich nicht gut”, sagt sie lächelnd.

Mittlerweile hat die Spielzeug-Designerin und -Herstellerin alle Hände voll zu tun und kann sich nicht darüber beklagen, dass sie keine Kunden hat. „Vor Weihnachten ist es immer am schwersten, weil meine Kreationen ideal als personalisierte Geschenke sind”. Die Kunden sagen ihr Details über die Person, die das Geschenk bekommen wird – welche Leidenschaften sie haben oder wie sie aussehen – und danach lässt Lia ihrer Kreativität freien Lauf. Die Kontaktaufnahme erfolgt meistens über ihre persönliche Facebook-Seite.

Sogar ihre Mutter musste vor Weihnachten mithelfen, um der hohen Nachfrage nachzukommen. Außer ihrem Großvater, der fast immer im Atelier dabei ist und beim Ordnung Halten und Ausstopfen der Spielzeuge hilft, hat Lia keine zusätzliche Hilfe in ihrem Atelier, das sie im familieneigenen Haus eingerichtet hat. „Ich habe es versucht, jemanden anzustellen, konnte aber die Leute nicht regelmäßig bezahlen, dann waren sie nicht motiviert und die Qualität der Arbeit war nicht zufriedenstellend”, erklärt die Spielzeugdesignerin. Unter diesen Umständen ist es auch schon passiert, dass sie Bestellungen ablehnen musste. An einem Spielzeug arbeitet sie ungefähr 30 Stunden, aber es variiert natürlich von Modell zu Modell. Kleinere Geschöpfe brauchen manchmal mehr Zeit, da sie von Hand genäht werden müssen. Die größeren können mit der Nähmaschine gefertigt werden.

„Meine Spielzeuge tun überall Gutes“

Lia hat es aufgegeben, ihre handgefertigten Spielzeuge zu zählen, doch bei ungefähr 400 bis 500 Projekten müsste sie schon angelangt sein. Ein Projekt kann mehrere Spielzeuge enthalten, wie zum Beispiel „Zehn kleine Negerlein“/„Zece Negri Mititei“. „Die Geschichte sagt, dass die kleinen Negerlein eins nach dem anderen sterben. Wir bringen sie wieder zum Leben und ermutigen sie, gute Taten zu machen.“ Mit „wir“ meint sie ihre Freundin, Alexandra Palconi, mit der sie zusammen das Projekt durchzieht. Uno, Doina, Trică, Quad und Cincu sind die kleinen Spielzeuge, die bis jetzt im Rahmen dieses Projektes zum Leben erweckt worden sind. Schatzi soll bald auch folgen. Lia ist diejenige, die die ersten Besitzer der Negerlein aussucht. Auch wenn diese nichts dafür bezahlen müssen, haben sie trotzdem eine Verantwortung, und zwar, etwas Gutes für ihre Gemeinschaft zu tun. Dafür haben sie ungefähr zwei Wochen Zeit. Als Beweis, sammelt Lia die „guten Taten“ in Form von Geschichten und veröffentlicht sie auf der Facebook-Seite „Zece Negri Mititei“: „Viele Leute stellen unwichtige Sachen auf Facebook…Wir wollen es zu einem guten Zweck nutzen und das soll auch andere motivieren.“ Nachdem die Besitzer eines Negerleins eine gute Tat vollbracht haben, müssen sie es weitergeben. Die neuen Besitzer sollen die „Kette des Guten“ fortsetzen.

Doina, das zweite Negerlein, ist jetzt in Klausenburg/ Cluj angekommen. Sie war auch beim Gărâna-Jazz-Festival mit dabei und ist zusammen mit dem Verein „Verde pentru Biciclete“ durch ganz Temeswar radgefahren. Cincu, das fünfte Negerlein, blieb längere Zeit unter den Freiwilligen vom Kulturfestival PLAI, denn die sind ja viele. Sînziana Deaconescu hat Regenmäntel und Regenschirme an verschiedenen Orten in der Stadt gelassen, die bei Regenwetter genutzt werden können. Elena Mitu hat Reinigungsmittel und Hygieneprodukte gesammelt und dem Altersheim aus der Gemeinde Checea gespendet. Norbert Tako und Andreea Iager Tako haben an Bus- und Straßenbahnhaltestellen Bücher angebunden, damit sich die Menschen während der Wartezeiten nicht langweilen und etwas Gutes lesen können. Für diejenigen, die an ihren Fahrrädern Bonbons und kleine Zettel mit der Aufschrift „Danke, dass du die Stadt sauber hältst“, gefunden haben… Ja, das war auch ein Negerlein.

Da die Nachfrage an Negerlein wuchs, hat Lia für das PLAI-Festival 2014 mehrere Microtei (weil sie kleiner als die „Mititei“ sind) vorbereitet. Um ein Microtel zu bekommen, musste man etwas mitbringen: entweder eine Schultasche voller Schulsachen oder zehn Bücher mit Kindergeschichten, die an benachteiligte Kinder weitergegeben wurden. Darüber hinaus konnte man auch eine Tüte voller Plastikdeckel mitbringen, einen Tag lang mit den Menschen mit Behinderungen vom Verein „Ceva de Spus“ verbringen, oder man musste beweisen, dass man Blut gespendet hat. Aus dem Erlös des Projektes „Plastikdeckel für einen guten Zweck“ werden Rollstühle gekauft und an benachteiligte Personen gespendet.

Vom Design an alles selbstgemacht

Auch wenn Lia Rădoi Spielzeug herstellt, sind die meisten ihrer Kunden Erwachsene: „Ich habe unglaublich unterschiedliche Kunden. Durch die Interaktion mit ihnen habe ich meine Vorurteile gegenüber einigen Arten von Menschen verloren“. Da Lias Spielzeug in Temeswar sehr beliebt ist, muss man sich schon längere Zeit im Voraus – vielleicht auch ein paar Monate – melden, um eines kaufen zu können. Erweitern möchte sie ihre Aktivität jedoch nicht und auch nicht die Projekte an andere Hersteller weiterleiten. „Ich habe niemanden gefunden, der das Spielzeug so macht wie ich, denn es handelt sich nicht nur um das Nähen, sondern auch um das Konzept und um das Design. Deshalb kann ich die Projekte nicht weitergeben.”

Die einzige Lösung, an die die Spielzeugdesignerin gedacht hat, um sich ihre Arbeit ein wenig zu vereinfachen, ist, Mini-Serien zu entwickeln, in denen mehrere Spielzeuge ungefähr dieselbe Form haben, aber weiterhin einzigartige Persönlichkeiten bleiben. So entstanden zum Beispiel die Schnecken, die Lia aus einem Restaurant aus Lyon gerettet hat, gleich bevor sie gekocht werden sollten, die Weihnachts-Rentiere vom Nordpol und sogar ein ganzer Chor bunter Singvögel.