Staatliche Akkreditierung mit maximaler Punktezahl

Gespräch mit Ortwin Hellmann, Leiter des Kronstädter Altenheimes Blumenau

Für unseren Gesprächspartner Ortwin Hellmann sorgt die Parkanlage auch für Entspannung, wenn er nicht gerade einer seiner vielen Aufgaben gerecht werden muss. Foto: Dieter Drotleff

Das in der Kronstädter Bahnstraße/Str. Iuliu Maniu befindliche Seniorenheim wird seit dem Jahre 2002 von Ortwin Hellmann geleitet und ist, wie er sagt, zu einer sozialen Vorzeigeeinrichtung geworden. Dieses erhielt die staatliche Akkreditierung mit maximaler Punkteanzahl und wird wiederholt von Vertretern der Ministerien, auch mit Gästen, von Ausländern besucht. Die Senioren befinden sich da unter bester Betreuung, sind in das geistliche, soziale und kulturelle Leben nicht nur der Kirchengemeinde voll integriert. Seit Jahren ist Hellmann auch Kurator des Kronstädter Kirchenbezirks, Mitglied im Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, im Leitungsrat der Saxonia-Stiftung, um nur einige seiner ehrenamtlichen Aufgaben zu nennen. Bereitwillig stellte sich der Heimleiter den Fragen des Journalisten Dieter Drotleff.

Herr Hellmann, Sie leiten nun schon seit geraumer Zeit das Kronstädter Altenheim Blumenau. Welche soziale Bedeutung räumen Sie dieser Einrichtung bei?

Es ist eine äußerst wichtige Institution. Einmal auch durch die demografische Veränderung, die die gesamte Bevölkerung der ganzen Welt betrifft, die solche Einrichtungen in Anspruch nimmt. Aber in unserem Fall ist es auch für unsere evangelische Gemeinschaft eine sehr wichtige Einrichtung. Hier können sich noch über 30 Leute aus den umliegenden Dörfern, Senioren aus dem Kronstädter Kirchenbezirk treffen, können noch ihre Traditionen hier in der Gemeinschaft fortführen und auch die letzten Tage verbringen.

Stellen Sie bitte für unsere Leser die Fürsorgeangebote für die Senioren vor. Und mit welchen Schwierigkeiten werden Sie konfrontiert?

Im letzten Jahr haben wir die staatliche Akkreditierung bekommen. Durch diese sind einige Angebote eingeschränkt worden, weil für verschiedene Dienste keine Akkreditierung beantragt wurde, und die Chancen, diese zu bekommen sind aussichtslos. Wie beispielsweise ein externer Pflegedienst, den wir auch machen wollten, oder Essen auf Rädern, das zwar noch weiter funktioniert, aber irgendwann müssen wir dafür auch eine neue Form finden. Mit dem Potenzial und den Möglichkeiten, die wir jetzt haben, konzentrieren wir uns hauptsächlich doch auf die Heimbewohner, die bei uns leben. Die maximale Bettenkapazität wäre 34 Plätze. So viele Heimbewohner haben wir noch nie gehabt. Wir ziehen aber eine optimale Kapazität in Betracht, die durch mehrere Argumente begründet ist. Es hängt davon ab, welche schweren Pflegefälle wir haben, was für und wie viel Personal wir haben. Das ist generell unser schwerstes Problem, weil durch diesen sogenannten Pflegenotstand in Westeuropa die halb und gut ausgebildeten, aber auch die unqualifizierten Kräfte dorthin auf Arbeit gehen, weil sie vor allem auch besser verdienen. So sind wir bei einem Mittel von 28 bis 29 Heimplätzen , die permanent belegt sind.

Eine diesbezügliche Tradition des Altfrauenheimes gab es auch schon in der Zwischenkriegszeit in Kronstadt. Wie wurde diese nach der Wende von 1989 wieder aufgenommen?

Die Tradition geht eigentlich bis auf das Mittelalter zurück. Damals gab es das sogenannte Leprosorium auf diesem Gelände. Es bestand für die damals häufigen aussätzigen Pestkranken, die man außerhalb der Stadtmauern hielt. Da gab es auch eine Kapelle als Vorgängerin der Blumenauer Kirche. Die Honterusgemeinde hat 1930 das Altfrauenheim da errichtet, vorrangig für die Witwen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten. Auch in den Jahren des Kommunismus gab es Bewohner, die das neue Altenheim erleben durften. In diesem Kontext ist auch zu betonen: Es war geplant, dieses Altenheim auch mit deutschen Steuergeldern (wie das Carl-Wolff-Altenheim in Hermannstadt und das Adam-Müller-Guttenbrunn-Heim in Temeswar) mit größerer Kapazität zu errichten. Es ist aber leider nicht zustande gekommen und ich möchte nicht auf die Gründe eingehen. Dann hat hauptsächlich die Honterusgemeinde aus eigenen Mitteln und mit vielen Spenden, aber ohne staatliche Hilfe, weder aus dem In- noch aus dem Ausland, es geschafft, in mehreren Bauetappen zum heutigen Stand zu kommen.

Eine solche soziale Einrichtung kann sich wirtschaftlich natürlich nicht selbst tragen. Welches sind die Geldgeber? Bietet auch der Staat Unterstützung?

Dieses ist ein heikles Thema. Die Kosten sind nicht nur durch den generellen Preisanstieg erhöht worden, durch Lohnnebenkosten und die Steigerung der Preise – was wir alle spüren, wenn wir einkaufen gehen. Was sehr teuer geworden ist, sind die Medikamente – das haben wir beobachtet, weil die Heimbewohner zum Teil massive Gesundheitsprobleme haben. Bewusst haben wir die rumänische, staatliche Zuwendung nicht in Anspruch genommen. Dieses aus folgenden Gründen: Einmal wollen wir dem Staat nicht noch mehr Mitsprache- und Kontrollrecht gewähren, als er sowieso schon hat. Die Kontrollen sind an der Tagesordnung. Wahrscheinlich ist das auf die deutsch-kritische Haltung der jetzigen Regierung zurückzuführen. Das spürt man an der Basis. Wir hatten unlängst eine Kontrolle von einer direkt der Regierung unterstellten Kontrolleinheit u. zw. für die Vermeidung von Geldwäsche. Es ist eine bürokratische Prozedur, wo man ständig Formulare ausfüllen muss, woher Spenden kommen, die man regelmäßig melden muss. Diese sollen nicht aus suspekten Quellen kommen. Es ist wirklich haarsträubend. Zudem ist die staatliche Zuwendung sehr gering. Es sind um die 200 Lei. Doch die Bürokratie, um die Akten auszufüllen, ist unwahrscheinlich groß. Es würde noch eine Buchhalterin benötigen, um die Formulare auszufüllen. Es schränkt auch unsere ganze Aktivität ein, weil sich ja, wie üblich in Rumänien, die Gesetze oft widersprechen oder neue Bestimmungen erscheinen. Wenn ich hypothetisch vom rumänischen Staat Gelder bekommen würde, haben wir uns blockiert, und dann haben wir null Chancen, von Lokalbehörden, die manchmal auch großzügig sind, Gelder zu erhalten. Ich betone noch einmal, diese geringen Beträge würden uns nicht helfen. Dadurch hätte der Staat Mitspracherecht, auch über die Aufnahme von Leuten, die nicht unbedingt zu unser Zielgruppe gehören. Unsere wichtigster Geldgeber ist die Honterusgemeinde. Von großer Hilfe erweist sich immer wieder auch die Saxonia-Stiftung.

Somit kommen wir auch zur nächsten Frage in diesem Kontext. Welches sind die Voraussetzungen, um in das Heim aufgenommen zu werden, und welches ist der Eigenbeitrag der Senioren?

An erster Stelle befindet sich die Bedürftigkeit, um aufgenommen zu werden. In ein Altenheim kommt man mit 70 – 75 Jahren, wenn man krank ist oder durch soziale Vereinsamung nicht mehr zurecht kommt. Sehr wichtig ist auch, dass wir die Leute, die wir da aufnehmen, auch pflegen können. Das ist ein großes Defizit, denn für spezifische Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Demenz gibt es weder ausgebildetes Personal, noch Erfahrung. Auch haben wir nicht die baulichen Möglichkeiten, auf diesem doch engen Raum eine Sonderabteilung zu haben, um dabei Rücksicht auf die „gesunden“ Heimbewohner zu nehmen. Ein Heimvertrag ist schnell unterschrieben, wenn es aber dann nicht weiter geht, sind die Möglichkeiten, den Menschen in eine andere Aufnahmestruktur zu bringen, praktisch Null.

Heute sollte man nirgends mehr eine Diskriminierung bei der Aufnahme machen, und man würde auch Feindschaften erwecken, wenn man sagt, wir nehmen nur ethnisch Deutsche oder Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde auf. Dann steht auch in unseren Satzungen, vorrangig werden Mitglieder der evangelischen Kirche aufgenommen, auch mit der Begründung, dass das Heim praktisch der evangelischen Kirche gehört. Auch grundbuchmäßig gehört es der Honterusgemeinde, die auch für die Einrichtung aufgekommen ist. Wir sind tolerant. Es gibt täglich Anrufe. Dann berufen wir uns auf die Kapazität, nicht auf die Warteliste.
Auch eine neue Entwicklung in dieser Hinsicht sind die Anfragen aus dem Ausland. Diese kommen von ausgewanderten Kronstädter. Die haben entweder das nötige Geld für ein Heim in Deutschland nicht oder sie erinnern sich an ihre Wurzeln und wollen nach Kronstadt ins Altenheim. Das ist ein Problem, denn man sieht, wie die EU an der Basis funktioniert, nämlich gar nicht. Doch können wir nicht Personen von hier ablehnen, um jemanden aus dem Ausland aufzunehmen.

Das Altenheim Blumenau ist durch die gesicherte Unterkunft, die Parkanlage, die da befindliche Kirche eine regelrechte Oase im Stadtgebiet. Wie fühlen sich die da lebenden Senioren?

Es ist tatsächlich eine Oase im Stadtgebiet, schon durch die Bauweise dieser Anlage. Vom ganzen Straßenlärm und dem Verkehrschaos ist man da abgeschirmt. Die Heimbewohner sind angetan, auch durch den großzügig angelegten Park und die Möglichkeiten, sich in den Räumen aufzuhalten. Alles ist schön gestaltet, aber es bleibt doch ein „goldener Käfig“. Eigentlich kommt niemand freiwillig in ein Altenheim. Man erfreut sich an der Fürsorge, an den Blumen, aber es ist doch nur eine bedingte Freude. Es gibt auch die Möglichkeit, sich in die Stadt zu begeben, doch der generelle gesundheitliche Zustand ermöglicht das auch nicht in allen Fällen, da die meisten um die 90 Jahre alt sind.

Eine solche Einrichtung benötigt ein besonders gut ausgebildetes Fach- und Pflegepersonal. Wie konnten Sie dieses für das Altenheim sichern, wo doch in ganz Europa über den diesbezüglichen Mangel geklagt wird, und wie wird es von den Senioren geschätzt?

Laut Gesetz müssen 70 Prozent der Angestellten eine Fachausbildung haben. Meine schwerste Arbeit in diesem Haus war das Jahr der Vorbereitung für die Lizenzierung und Akkreditierung. Dafür wird man wirklich auf Herz und Nieren geprüft, es musste tagelang an der Dokumentation gearbeitet werden. Im Ausland wird die Tatsache kritisiert, dass man für diese primäre Pflege lauter Tabellen ausfüllen und Dokumentationen erstellen muss, die ja auch sinnvoll sind.

Aber ich finde, wir sind in Rumänien noch nicht vorbereitet für diesen unnötigen Grad der Bürokratisierung. Wir haben aber doch noch Pflegekräfte, die von Anfang an dabei waren, als wir noch Fachpersonal aus Deutschland zur Schulung hier hatten. Das ist dann leider auch aus sprachlichen Gründen gescheitert, aber Grundbegriffe werden auch jetzt noch an die neu hinzugekommenen Kolleginnen weitergegeben. Es beginnt jetzt, sich der Begriff der staatlichen Anerkennung der Altenpflege durchzusetzen. Es gibt neue Pflegematerialien, aber auch Krankheiten, mit denen man früher nicht konfrontiert war, und wo man sich die diesbezüglichen Kenntnisse aneignen muss. Insgesamt haben wir 25 Angestellte. Laut Gesetz mussten wir einen Sozialassistenten und einen Psychologen anstellen. Nach langem Suchen muss ich sagen, dass wir hoch zufrieden sind mit der Besetzung dieser beiden Posten.

Wie sind die Heimbewohner in das geistliche, soziale und kulturelle Leben integriert?

Dadurch, dass das geistliche Leben aus der Schwarzen Kirche in die Blumenauer Kirche verlagert wurde, sind die Senioren darin voll integriert. Hier können sie sich an den Gottesdiensten, den Gemeindefesten beteiligen. Dann werden hier viele Aktivitäten, wie die gemeinsame Weihnachtsfeier für Alleinstehende, die Passionsandachten, die Seniorennachmittage gehalten, die alle auch mit einem geselligen Teil verbunden sind. Auch ist es wichtig, dass die potenziellen zukünftigen, die jetzigen Heimbewohner, die Voraussetzungen da kennenlernen. Somit leiden die da lebenden Senioren nicht an Vereinsamung. So kommt es zu einer Sozialisierung. Auch bin ich bestrebt, wenn es spezifische Kulturangebote in der Stadt gibt, diese auch für die Heimbewohner zu sichern.

Wer sind die Träger des Altenheimes?

Die Träger sind der offizielle Blumenau-Verein e.V. und das Altenheim, das keine juridische Form hat. Ursprünglich waren es die Vertreter der Honterusgemeinde, des Kirchenbezirkes und des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt. Das verlief oft schleppend, sodass nur noch zehn Vertreter dieser Körperschaften die Vollversammlung bilden, die den Vorstand, bestehend aus drei Personen, wählt. Das sind gegenwärtig Frau Dr. Gertrud Ferencz, Dr. Dieter Simon und meine Person als Vorstands- und Vereinsleiter.

Wir danken Ihnen für diese aufschlussreichen Ausführungen und wünschen Ihnen Kraft und Gesundheit, um dieser verantwortungsvollen Aufgabe weiter gerecht zu werden.