Standardwerk zur Industriegeschichte nähert sich dem Abschluss

Sechster Band der Forschungsreihe „Vorindustrielles und industrielles Erbe in Rumänien“ von Dr. Volker Wollmann liegt nun auch auf

Ursprünglich angekündigt, in sechs Bänden zu erscheinen, wird die Reihe der von Dr. Volker Wollmannn  unternommenen Forschungen über „Vorindustrielles und industrielles Erbe in Rumänien“ doch noch fortgeführt. Das war einer seiner Erklärungen zu entnehmen, die er anlässlich seines kürzlich stattgefundenen Aufenthaltes in Reschitza machte, als ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt verliehen worden war. Die in rumänischer Sprache erschienene Forschungsreihe stellt ein Unikat in der rumänischen Geschichtsschrei-bung zu diesem Thema und von diesen Ausmaßen dar. Der 6. Band, der 320 Seiten und 637 Abbildungen umfasst, erschien wie auch die bisherigen fünf Bände mit der finanziellen Unterstützung des Interethnischen Departements des Generalsekretariats der rumänischen Regierung, des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und des Hermanstädter Ortsforums im Honterus-Verlag von Hermannstadt. Das in rumänischer Sprache unter dem Titel „Patrimoniu preindustrial şi industrial în România“ bisher in sechs Bänden erschienene Forschungsergebnis ist von mehreren Standpunkten her von ganz besonderer Bedeutung.

Erstens macht dieses die Geschichte der industriellen Entwicklung einer großen Zahl von Historikern, Unternehmern, Lesern bekannt, da es in der Landessprache erschienen ist. Zweitens bietet es eine Einsicht in den wesentlichen Beitrag, den Unternehmer aller ethnischen Zugehörigkeiten, auch der Minderheiten, landesweit  zu der Industrieentwicklung gebracht haben. Drittens werden nicht nur die bedeutendsten Unternehmen  aus den Industriestädten von ihrer Entstehung  bis Schließung vorgestellt, sondern auch die aus dem ländlichen Gebiet. Alles, was mit diesem Bereich einen Zusammenhang hat, seien es altertümliche  Vorgangsweisen, die Einführung neuer  Arbeitsmittel und deren ständige Anpassung und Modernisierung, persönliche Erfindungen, die zur Erleichterung eines Arbeitsprozesses führten, wird angeführt.  Somit wird man in die verschiedensten Branchen eingeführt, bekannte Unternehmer und Forscher, einschließlich deren letzte Ruhestätten werden vorgestellt. In den vorangegangenen fünf Bänden hat der Autor die verschiedensten Wirtschaftsbereiche und Techniken, einschließlich die Hausindustrie präsentiert. Im aufliegenden Band geht er mit dieser Vorstellung weiter, bietet aber auch zahlreiche Ergänzungen zu den bisherigen Veröffentlichungen in den fünf Bänden.

Er unterstreicht die Bedeutung, die den Industriedenkmälern gegeben werden müsste. Die meisten rumänischen Betriebe die auf Tradition bauten, sind nach 1989 geschlossen worden, wurden von den Behörden dem Verfall überlassen. Viele der ehemaligen Industriegebäude wurden abgetragen, um gefragte Bauplätze für Immobilien zu schaffen. Anderseits sind Initiativen wie jene in Zeiden zu begrüßen, wobei der neue Eigentümer  der 1888 von Georg Mieskes gegründeten Weberei einen Teil der Industriehallen in ihrer ehemaligen Form und auch einige Anlagen erhalten, anderseits neue Hallen gebaut hat und  dem Betrieb ein neues Profil gab. Auch wurde mit gleicher Schrift wie bei der früheren Fabrik, der Name des neuen Betriebes und seines Eigentümers an dem Hauptgebäude angebracht.
Bestehende technische Museen, die die Namen  bekannter Erfinder wie „Prof. Ing. Dimitrie Leonida“, „Ştefan Procopiu“ tragen, das Landesmuseum für Erdöl von Ploie{ti, das Bergbaumuseum von Petroşani, das Uhrenmuseum in Ploieşti, das Marinemuseum von Konstanza, das Landwirtschaftsmuseum in Slobozia müssten zur Rettung dieses Industriebestandes beitragen und das Wichtigste von diesem technischen Gut erhalten. Es sind diesbezüglich auch persönliche Initiativen zu verzeichnen, wo  beispielsweise in der Gemeinde in Cernatu de Jos im Kreis Covasna ein solches Museum besteht und in dem alte landwirtschaftliche Maschinen, Haushaltsgegenstände aufbewahrt sind. Nicht zu übersehen das Museum des Harbachtales in Alzen,  gegründet von Stefan und Eugen Vaida, oder das erste Konditorei-Museum  in der Nikolaus-Lenau-Straße Nr. 3, von Arad u.a.

Das erste Kapitel dieses nun sechsten Bandes widmet der Autor  Gedenktafeln und Denkmälern, die sich auf besondere Ereignisse aus der Geschichte der technischen Entwicklung auf dem heutigen Gebiet des Landes beziehen.  Eingeleitet werden diese mit der berühmten „Tabula Traiana“-Inschrift am serbischen Ufer der Donau  im Gebiet des Eisernen Tors. Mehrere Gedenktafeln und Denkmäler sind in dem Bergbaugebiet des Schiltales zu verzeichnen, dann solche, die der Entwicklung der Hüttenindustrie in Reschitza, Orawitza u.a. Ortschaften aus dem Gebiet gewidmet sind. Diesbezüglich ist das Museum des Banater Montangebiets sehr aufschlussreich.  Gedenktafeln erinnern in verschiedenen Teilen des Landes an die Übergabe erster Eisenbahnstrecken. Die älteste ist die von Orawitza bis Baziasch die 1854 dem Verkehr übergeben wurde. Ein besonderes Denkmal  ist  auf dem Hügel zwischen Agnetheln und Schönberg  zu sehen, das der Übergabe des Verkehrs auf der Straße zur Zeit Kaisers Franz Josef I. gewidmet ist.

Dr. Volker Wollmann wendet sich dann den Gedenkhäusern, Denkmälern, Büsten von Persönlichkeiten, die Bleibendes in der Entwicklung der Technik nicht nur landesweit geleistet haben, zu.  Beispielsweise dem  ehemaligen Bürgermeister von Temeswar Karl Küttel (1818 – 1875), der sich für die Straßenmodernisierung und die Einführung der von Pferden gezogenen Straßenbahn eingesetzt hat. Die Flugpioniere Hermann Oberth, Aurel Vlaicu, Traian Vuia werden hervorgehoben durch die diesen erwiesenen Ehrungen, durch Gedenktafeln und in   Museen. Anlässlich kollektiver Arbeitsunfälle wurden Gedenkstätten mit den Namen der Opfer gestiftet. Genaue Angaben über diese, deren Standorte auf Friedhöfen oder in Städten  werden gemacht. Persönliche letzte Ruhestätten werden ebenfalls in Text und Bild dokumentiert. Die Gruft des Bierbrauers Erhardt Luther am Bellu-Friedhof in Bukarest, des Lederfabrikanten Gustav Dahinten (1877 – 1943) in Mühlbach, von Dr. Carl Wolff (1849 – 1929), Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse, Gründer des Hermannstädter Elektrizitätswerkes am städtischen Friedhof, um nur einige zu nennen. Auch der „Cimitirul Vesel“ (Der „Heitere Friedhof“) von Săpânţa in der Maramuresch wird vom Autor mit dessen Besonderheiten, den in Relief geschnitzten Sprüchen und Porträts der Verstorbenen auf den Holzkreuzen vorgestellt. Der Autor schließt diesen Teil des sechsten Bandes mit der Vorstellung verschiedener Kunstdenkmäler, die besonders den Bergwerkarbeitern und Metallgießern gewidmet wurden.  Bekanntester bildender Künstler ist diesbezüglich Vida Geza (1913 – 1980), der sich besonders an der Arbeit dieser Berufskategorien für derartige Werke inspiriert hat. Aber auch andere Künstler wie Ion Irimescu, Ovidiu Maitec, Ernest Kovacs u.a. haben derartige Werke, besonders in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, geschaffen.

Zusätzliche Informationen zum industriellen Erbe

Der Großteil des sechsten nun aufliegenden und vorgestellten Bandes bezüglich dem vorindustriellen und industriellen Erbe in Rumänien widmet der Autor Dr. Volker Wollmann den Ergänzungen, zusätzlichen Aufklärungen zu den in den ersten fünf Bänden erschienenen Dokumentationen. Bezogen auf die technischen Leistungen, was die Versorgung mit Trink- und Industriewasser betrifft, werden einige Daten über die 1893 eingeführte Trinkwasserversorgung in der Inneren Stadt von Kronstadt,  koordiniert von Christian Kertsch, geboten. Das Wasser das aus dem Ragadotal geleitet wurde, ist in dem 2000 qm Reservoir, das auf der Burgpromenade unter der Zinne gebaut wurde, gespeist und durch Gussrohre geleitet worden. Auch wurde ein 600 qm fassendes Reservoir für das Schei-Viertel  errichtet. Die Wasserrohre mussten dann mit Betonleitungen ersetzt da sie nicht mehr die erforderliche Wasserquantität führen konnten.  Ähnlich dem Wasserkastell von der Burgpromenade wurde auch in Neustadt ein Wasserreservoir, ähnlich einem Betonbunker gebaut. 1909 wurden die Holzleitungen durch Keramikrohre, die in der hiesigen Tonfabrik hergestellt wurden, ersetzt.  Gleichzeitig wurden auch in Wolkendorf Gussrohre, die in der Gießerei Horvat und Konradt in Kronstadt erstellt wurden, für öffentliche Brunnen angelegt.

Wie der Autor im dritten Band angekündigt hatte, auf die Kronstädter Schiel-Fabrik zurückzukommen, tut er das nun ausführlich.  Die Brüder Carl und Samuel Schiel  gründeten 1880 eine Schlosserwerkstatt, die zwei Jahre später vom Bruder Hans Schiel übernommen wurde, der mit Carl Ganzert fusionierte. Nach dem Ersten Weltkrieg 1919 wurde das Unternehmen zur Aktiengesellschaft, und entwickelte sich zu einem der größten Betriebe,  die  Maschinen in der Zwischenkriegszeit erzeugte. Hier wurden verschiedene landwirtschaftliche Maschinen, hydraulische Turbinen erzeugt, Lokomotiven repariert. Mehrere Fotos wurden damals in dem Betrieb von Carl Lehmann auf Glasplatten gemacht, die sich im Kronstädter Kreisarchiv befinden.  Weiter geht der Autor auf die Waggon-Fabrik von Arad ein, auf den metallurgischen Betrieb von Ferdinandsberg, auf die staatliche Münzprägestätte in Bukarest die am 24. Februar 1870 gegründet worden war.

Aus dem Kronstädter Gebiet werden weiter die Stofffabrik  Tellmann, die Kalköfen in Bartholomä, die in der Zwischenkriegszeit in Besitz der Firma „Walter Schmidt“ bis zur Nationalisierung 1948 waren, vorgestellt. Dieser hat mehrere Unternehmen im Bereich der Baumaterialien kontrolliert. In diesem Kontext bezieht sich der Autor auf weitere Keramik- und Glasbetriebe wie die Ziegelfabrik Leonhard in Schäßburg, auf die Glasbetriebe von Putna im Kreis Suceava, den von Ciobănuş in Kreis Bacău, die Tonwarenfabrik von Neustadt im Kronstädter Kreis.
Einen Überblick erhält man im aufliegenden Band über Wassermühlen im ländlichen Bereich, die praktisch im ganzen Land anzutreffen waren, bis dann  einige von diesen von Dampfmaschinen oder Elektromotoren angetrieben wurden.  Die elektrisch angetriebene Mühle aus Deutsch-Weißkirch  wird diesbezüglich  mit Ansichten aus dem Jahre 2005 als Beispiel geboten. Eben-falls aus dem Repser Gebiet wird die in Besitz von Anna Gross in Meschendorf, Hausnummer 58 befindliche Fruchtpresse  aus Holz aus dem Jahr 1876 vorgestellt. Ähnliche Exemplare werden aus Reichesdorf oder Alzen geboten, wie auch in Besitz von Dorfmuseen befindliche altertümliche Haushaltsgegenstände.

Bei den Spiritusfabriken wird auch die von Tartlau hervorgehoben, die 1856 von Michael Türk gegründet worden ist.
Ebenfalls als Ergänzung zu den gebotenen Daten in den ersten fünf Bänden dieser Serie werden das Nationale Feuerwehrmuseum in Bukarest vorgestellt, wobei auf einige besondere Ausstattungen der Feuerwehrleute eingegangen wird, Wasserpumpen zum Löschen vorgestellt werden. Derartige besondere Exponate, die sich in Lipowa im Kreis Arad befinden, sind ebenfalls vorgestellt. Darunter ein Chevrolet PKW aus dem Jahre 1928, der auch mit einer Wasserpumpe ausgestattet war, und vor dem Bürgermeisteramt von Arad im September 2015 am Tag der Feuerwehr die Zuschauer anlockte. Mehrere Wasserpumpen  aus den Kreisen Bistritz, Covasna, Karasch-Severin, die zum Teil auch noch Verwendung finden, bieten eine Auslese dieser Ausstattungen. Ergänzung bietet dieser Teil des Bandes auch zu Dorfwaagen. Beispiele werden aus Cernatu de Sus, Kreis Covasna mit einer Waage  geboten, die vom Balan]a-Betrieb 1962 gebaut wurde. Überdacht und auch heute noch funktionstüchtig, wie auch die Gemeindewaage aus der Ortschaft [ona im Fogarascher Gebiet.  Ergänzt wird auch die Vorstellung von Kirchturmuhren u.a. die von Hamruden, im Repser Gebiet. Es folgt ein bibliographischer Anhang sowie ein Index der Ortsnamen.

Und so wie schon erwähnt, wird diese Forschungsreihe mit einem siebenten Band fortgesetzt, in den die Gebäude aufgenommen werden, die den Post-Telegraphen-Telefon- und Radioämtern (PTTR) angehörten, sowie die Kinosäle.  Diese weisen zum Teil eine besondere Architektur auf, viele der technischen Ausstattungen haben die Zeiten nicht überlebt, sodass diese es auch verdienen, einer genaueren Erforschung vorbehalten zu bleiben.  Bedenkt man, dass einige dieser Dienstleistungsbereiche in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten einen starken Rückgang durch die Einführung modernster Technologie verzeichneten, so ist die Initiative des Autors, auch einen siebenten Band vorzulegen, nur zu begrüßen.  Vor 25 Jahren war România-Film  in Besitz von 874 Kinosälen und Tausenden Angestellten.   Hunderte der Säle sind geschlossen oder vermietet worden. Für seine Bestandaufnahmen und Forschungen für den nächsten Band wird Dr. Volker Wollmann wieder auf die Mitarbeit von zahlreichen Mitarbeitern, be-sonders was das Fotomaterial betrifft, bauen, denen er wie auch in dem aufliegenden Band nominell seinen Dank ausspricht. Besondere Anerkennung muss dem Autor für seine Arbeit ausgesprochen werden, bedenkt man die Fülle an Material, an Illustrationen, der Vielfalt an Unternehmen und Kleinbetrieben die im ganzen Landesgebiet anzutreffen sind; diese mussten auch persönlich begutachtet werden, was einen unermesslichen Zeitaufwand bedeutet. 

 Dieter Drotleff