STAR-T – eine Lösung für den Facharbeitermangel?

ADZ-Gespräch mit Rudolf Lukavsky, Handelsrat an der Österreichischen Botschaft

Rudolf Lukavsky setzt sich für die Implementierung der Dualen Ausbildung in Rumänien ein.

Studieren ermöglicht einem bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, ein höheres Gehalt, so die allgemeine Annahme. Das Problem dabei ist jedoch: Wenn zu viele einen akademischen Abschluss haben, fehlen in anderen Bereichen die Facharbeiter. In Rumänien ist momentan der Trend einer Überqualifizierung zu beobachten. Das liegt aber auch an fehlenden betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten. In Zusammenarbeit mit österreichischen Unternehmen werden nun Angebote geschaffen, die dem Fachkräftemangel Abhilfe schaffen sollen. Rudolf Lukavsky, Handelsrat an der österreichischen Botschaft, spricht mit Sarah Bioly über das Projekt STAR-T (Şcoală Tehnică Austriacă din România – Transilvania).

Wie kam es dazu, dass Sie das Projekt STAR-T gründeten?

Die Diskussion über den Ausbildungsbedarf von Fachkräften in Rumänien gibt es innerhalb österreichischer Investoren schon seit vielen Jahren. In Österreich und Deutschland ist die Ausbildung von Fachpersonal unter dem akademischen Abschluss mit dem Lehrlingssystem abgedeckt – in Rumänien wurde hier in den letzten Jahren viel versäumt. Während der kommunistischen Zeit gab es zwar Berufsschulen mit einer praxisorientierten Ausbildung, aber nur in staatlichen Betrieben. Was nach der Wende fehlte, war das Vertrauen und eine gute Zusammenarbeit zwischen Privatbetrieben und Berufsschulen, da auch nicht beide Partner gleichermaßen an der Ausbildung beteiligt waren.

 

Inzwischen existieren bereits einige funktionierende Initiativen - von den deutschsprachigen Wirtschaftsklubs initiiert. In Bukarest haben wir beispielsweise eine Lehrlingsausbildung im wirtschaftlichen Bereich gestartet, bei der eine Kooperation mit sieben österreichischen Firmen aus dem Einzelhandel und Telekom stattfindet. Wir wollen nun dort ansetzen, wo noch Bedarf ist. Das ist natürlich in vielen Bereichen der Fall und wir können auch nicht alles abdecken, aber immerhin die zukunftsweisende Richtung vorgeben. Wir sind mit den österreichischen Investoren in Kontakt und schauen, wo sich gemeinsame Projekte – je nach Bedarf und regionalen Schwerpunkten – umsetzen lassen.

Was kann man sich unter START-T vorstellen?

Wir wollen eine Ausbildung anbieten, die gezielt auf den Fachkräftemangel in den österreichischen, aber auch rumänischen Betrieben antwortet. Natürlich ist aller Anfang schwer, deshalb wird es im September 2016 erstmals eine Klasse mit 28 Schülern und nur zwei Berufsausbildungen geben. Zum einen Metallarbeiter, zum anderen Schweißer. Allerdings sind wir zuversichtlich, dass nächstes Jahr ein neuer Lehrgang hinzukommt. Es wird also vorerst keine eigene Schule sein, sondern eine Klasse, die in einer rumänischen Schule untergebracht wird. Wir kooperieren hier mit dem technischen Kolleg „Aurel Vlaicu“ in Klausenburg. Ab dem Ende der achten Klasse können die Schüler sich für unsere Lehrgänge entscheiden und bewerben. Damit gehen sie für drei Jahre einen Vertrag mit einem Unternehmen ein, in dem sie laufend Praxiserfahrung sammeln und auch nach ihrem Abschluss weiter arbeiten können. Mit dem Ende ihrer Ausbildung besitzen die Schüler dann einen staatlichen anerkannten Abschluss. Ein Problem, das ich sehe, ist vor allem das Image des Abschlusses, da eine betriebliche Ausbildung in der Bevölkerung eine weitaus geringere Anerkennung findet als ein akademischer Abschluss.  

Welche Unternehmen arbeiten mit STAR-T zusammen?

Für das kommende Schuljahr kooperieren wir derzeit mit drei österreichischen Unternehmen. Die Firma Deltamed stattet Einsatz- und Rettungsfahrzeuge aus, die Firmen Global Energy Products und Polytechnik Sieta sind in der Metallbearbeitung tätig. Ab dem zweiten Jahr wird das Unternehmen Framag, das sich momentan noch im Aufbau befindet, ebenfalls Lehrlinge beschäftigen. Wir müssen uns hier nach den Gesetzen des Marktes richten und helfen, das Angebot – also die Bereitschaft, einen Lehrberuf zu ergreifen – zu erhöhen. Zudem richten sich die Ausbildungsplätze nach den Bereichen, in denen die Firmen Fachkräfte suchen – auch das ist also ein Kriterium, welche Lehrberufe angeboten werden.

Welche Lehrinhalte vermittelt STAR-T?

Wir sind an den rumänischen Lehrplan gebunden, aber auch der bietet Flexibilität. So können wir beispiels-weise einen technischen und gerätebezogenen Schwerpunkt setzen und Deutsch als Fremdsprache anbieten. Zwar gibt es die anderen Fächer auch noch, diese werden aber – um die Stundenanzahl an die anderen Systeme anzugleichen – reduziert. Im ersten Lehrjahr wird dabei mit 80 Prozent noch schwerpunktmäßig in der Schule unterrichtet – anders als in Deutschland oder Österreich, wo der Lehrling schon zu Beginn 80 Prozent seiner Ausbildung im Betrieb verbringt. Da die Schüler aber hier schon nach der achten und nicht wie in Österreich erst nach dem neunten Schuljahr ihren weiteren Berufsweg wählen müssen, kommt dies dem Alter der Schüler auch entgegen. Ab dem zweiten Lehrjahr ist der Praxisanteil mit 60 Prozent schon relativ hoch und ab dem dritten entspricht er mit 72 Prozent fast dem österreichischen System.

Welche Auswahlkriterien müssen die Schüler erfüllen?

Um einen Ausbildungsplatz zu erhalten, muss der Schüler ein technisches und praktisches Verständnis, sowie eine gewisse Flexibilität aufweisen. Das wird zum einen vor allem an den Noten  der naturwissenschaftlichen Fächer festgemacht, zum anderen in einem schriftlichen und mündlichen Test festgestellt. Das Auswahlverfahren läuft über die Firmen und die Schule, wobei beide Partner gleichermaßen für die Auswahl zuständig sind – nicht wie in Österreich, wo alleine der Lehrlingsvertrag mit einem Unternehmen die Berufsschule auch dazu verpflichtet, den Schüler aufzunehmen.

Gibt es einen Ausbildungsvertrag?

Natürlich, damit alle beteiligten Seiten abgesichert sind. Sowohl zwischen der Schule und den ausbildenden Betrieben, als auch zwischen Schülern und Unternehmen. Darin werden alle Leistungen und Aufgaben festgelegt. Unter anderem wird darin auch das „Stipendium“ des Lehrlings geregelt, welches monatlich 200 Lei vom Betrieb und 200 Lei vom Staat beträgt. Dafür kann der Arbeitgeber aber auch die Anwesenheit und die Mitarbeit des Lehrlings erwarten und voraussetzen. Erfüllt er diese Aufgaben nicht, kann der Vertrag beendet werden. Sollte andererseits der Schüler mit seiner betrieblichen Ausbildungsstelle unzufrieden sein, werden wir auch hier eine Möglichkeit für eine Lösung und eine gute und konstruktive Zusammenarbeit finden.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen!

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Österreich ist mit 9,7 Milliarden Euro Top-Investor in Rumänien. Mit 16,1 Prozent der ausländischen Gesamtinvestitionen belegt Österreich nach den Niederlanden hier den zweiten Platz. Marktführer ist Österreich unter anderem bei Treibstoffen, Banken und Versicherungen, Transport & Logistik, Immobilien, Baumaterialien, Holzverarbeitung, Zucker und Verpackungen. Über 1000 aktive österreichische Investoren beschäftigen in über 7000 rumänischen Firmen mit österreichischem Kapital direkt mehr als 100.000 Arbeitnehmer. Der Handel zwischen Österreich und Rumänien entwickelte sich 2015 äußerst positiv: rund 2 Milliarden Euro Exporte aus Österreich und 1,2 Milliarden Euro Exporte aus Rumänien. Das bilaterale Handelsvolumen stieg somit auf 3,2 Milliarden Euro und verzeichnete ein Wachstum um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.