Steiniger Weg zum europäischen Honigtopf

Projekte voller Fehler – EU-Kommission stellt Funktionalität des rumänischen Systems in Frage

Minister Leonard Orban informiert sich über das EU-finanzierte, erfolgreiche Projekt zur Konsolidierung des erdbebengefährdeten Museums für Archäologie und Geschichte in Konstanza.

Journalisten besichtigen den Windpark in Săliştea.
Fotos: die Verfasserin

Am 6. Juli fand im Hotel „Iaki“ in Mamaia eine vom EU-Ministerium organisierte Konferenz zum Thema „Erhöhung der Absorption von EU-Struktur- und Kohäsionsfonds“ statt. Neben Europaminister Leonard Orban als Hauptredner waren auch Vertreter der regionalen Behörden, der Kontrollorgane und verschiedene interessierte Nutznießer diverser EU-Projekte eingeladen. Gegenstand der Diskussionen waren aktuelle Probleme und mögliche Maßnahmen im Hinblick auf eine Erhöhung der immer noch zu geringen Absorptionsrate von EU-Geldern, erfolgreiche EU-Projekte als Beispiele und die Vorstellung eines Informationszentrums zur Beratung von Personen und Institutionen, welche die Beantragung einer EU-Förderung für ein Projekt anstreben.

Absorptionsrate immer noch zu gering

Minister Orban wies in seiner Rede auf eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit der Absorption von EU-Geldern hin. Zum einen klaffe immer noch eine gewaltige Schere zwischen der Rate der in Projekten geforderten und der tatsächlich absorbierten Gelder. Gelingt es nicht, bis Ende des Jahres bestimmte Summen einzukassieren, riskiere das Land, 952 Millionen Euro zu verlieren, so die düstere Prognose. Derzeit beträgt die Absorptionsrate ganze zehn Prozent, bis Ende des Jahres soll sie jedoch auf mindestens 20 Prozent ansteigen – sofern nicht bis dahin Programme suspendiert würden. Im Augenblick wurden 73 Prozent der insgesamt für Rumänien zur Verfügung gestellten Summe von 19,2 Milliarden Euro an bestimmte Projekte gebunden, erklärte der Minister. Für durchgeführte Arbeiten ausbezahlt wurden bisher allerdings nur 3,8 Milliarden Euro.
Die größten Summen müssten bis Jahresende von den Programmen für Umwelt (POS Mediu, 308 Millionen Euro) und Transport (POST, 277 Millionen Euro) absorbiert werden, während der Bereich Regionalentwicklung (POR) eine zufriedenstellende Absorptionsrate erreicht hat.

EU-Kommission: Fehler in allen Projekten

Zudem befindet sich Rumänien derzeit an einem kritischen Punkt, verrät der Europaminister. Denn in ausnahmslos allen von der EU-Kommission überprüften Projekten aus dem Programm POSDRU (Entwicklung im Bereich Human Ressources) hätte man größere oder kleinere Fehler festgestellt, sodass man es nicht verdenken könne, dass mittlerweile die Funktionalität des gesamten Systems infrage gestellt wird. Es gibt Projekte, die überhaupt nicht hätten genehmigt werden dürfen, so der Minister, oder Ausbildungsprogramme ohne jeglichen Wert, die nur zur zusätzlichen Bereicherung gewisser Personen gedacht waren. Als Beispiel führte er ein strategisches Projekt im Wert von über fünf Millionen Euro an, von denen 80 Prozent in Gehälter einfließen sollten.

„Better spending“ sei daher eines der wichtigsten Anliegen – man dürfe nicht nur Geld um seiner selbst willen ausgeben. Andererseits gäbe es einige wirklich großartige Projekte, die für das Image Rumäniens von hohem Wert seien und die dringend auf den Weg gebracht werden müssten. Für die kommende Finanzperiode 2014 bis 2020 müsse man strikter darauf achten, nur Projekte mit entsprechendem Mehrwert zu genehmigen. Ab sofort würden alle Ministerien beauftragt, die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden, bis 2015 zu finalisierenden Projekte dahingehend erneut zu überprüfen. 

Diagnose und Therapievorschläge

Woran krankt der Patient, fragt sich auch der Minister immer noch. Obwohl seit der Gründung des Europaministeriums zahlreiche bürokratische Vereinfachungen eingeführt wurden, mit dem Ziel, die Absorptionsrate zu erhöhen, blieb der durchschlagende Erfolg aus. In einigen Institutionen wurden die Vorgaben erfolgreich umgesetzt und die Effizienz erhöht, andere waren verunsichert, verkomplizierten die Verfahren im eigenen Haus und provozierten zahlreiche Beschwerden seitens der Klienten. Wichtig sei daher eine Vereinheitlichung aller Genehmigungs- und Kontrollmechanismen. Auf der Konferenz beschwerten sich Kunden vor allem über die unterschiedlichen Vorgaben und Kriterien der Kontrollorgane. 

Des Weiteren kündigte der Minister die dringende Notwendigkeit zusätzlicher Kontrollmechanismen an, auch wenn diese die Absorption zunächst behindern könnten. Parallel dazu wolle er sich für die Einführung eines staatlichen Puffer-Fonds einsetzen, der die Kontinuität der Zahlungen im Falle einer temporären Suspendierung sicherstelle. Wenn die wirtschaftliche Situation es erlaubt, soll dieser bereits ab 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Was die unterschiedlichen Absorptionsraten in den Programmen POR und POSDRU betrifft, so der Minister, sei dies kein Zufall. Die jeweils zuständigen Managementbehörden AMPOR und AMPOSDRU weisen starke Unterschiede im Gehaltsniveau der Mitarbeiter auf. Orban plädierte daher für ein Gesetz zur Vereinheitlichung der Gehälter aller Personen, die im Bereich der Administration von EU-Geldern arbeiten.

Auch die mögliche Einführung einer schwarzen Liste zur Erfassung von Firmen, die „berufsmäßig“ Widerspruch bei jeder Ausschreibung einlegten und diese damit stark verzögerten, war Gegenstand der Diskussion. 

Konkrete Hilfe für den Kunden

Um konkrete Probleme schneller zu erkennen und besser aufzufangen, versprach Minister Orban weitere Konferenzen, auf denen Kunden und Vertreter der mit der Genehmigung und Kontrolle befassten Einrichtungen gleichermaßen zu Wort kämen und ihre Anliegen direkt vorbringen könnten. Zudem solle eine mobile Task Force eingerichtet werden, die dem Kunden vor Ort bei Problemen zur Seite steht.

Um die Abläufe bei der Beantragung von EU-Geldern zu erleichtern, wurde in Bukarest ein Informationszentrum für Strukturinstrumente ins Leben gerufen, welches die Antragsteller – Bürger, Firmen, Institutionen oder öffentliche Einrichtungen – über Finanzierungsmöglichkeiten bestimmter Projekte und den Ablauf der bürokratischen Prozeduren berät. Die Beratung kann sowohl persönlich am Sitz des Zentrums (Bulevardul Iancu de Hunedoara Nr. 54 B), als auch telefonisch unter der Nummer 021-9430 oder per E-Mail (contact@fonduri-ue.ro) in Anspruch genommen werden. 

Erfolgreiche Projekte vorgestellt

Im Rahmen der Veranstaltung wurden drei erfolgreiche, EU-finanzierte Projekte präsentiert: der Windpark in Săliştea, das grüne Parkhaus für das Kreiskrankenhaus in Konstanza/Constanţa und die Restaurierung des baufälligen Museums für Archäologie und Geschichte in Konstanza. 

Der Windpark in Săliştea umfasst 10 Windmühlen deutscher Fabrikation auf einem Gelände von 41 Hektar mit einer Kapazität von je 1,5 MW, sowie eine Transformationsstation zur Einspeisung in das nationale Energienetz. Die Lebensdauer eines Windrades wird mit etwa 25 Jahren angegeben. Das Projekt dient der alternativen Energiegewinnung bei reduzierter Emission von Schadstoffen, wobei bisher keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt (Bienenflug, Bestäubungsverhalten, Vogelflug oder Nistverhalten) festgestellt wurden. Die Dobrudscha gilt als für die Nutzung von Windenergie besonders geeignete Region – allerdings wäre das nationale Energienetz derzeit nicht in der Lage, Einspeisungen eventueller weiterer Windparks in der Region zu verkraften. 

Der sogenannte grüne Parkplatz in Konstanza zeichnet sich durch mehrere schattige Parkdecks aus, deren Wände sich in Kürze mithilfe von Kletterpflanzen vollständig begrünen sollen. Ziel des Projektes ist die Entlastung einer stark verkehrsfrequentierten Zone von den dort parkenden Besuchern des Krankenhauses, sowie die Schaffung von 265 nahe gelegenen Parkplätzen für letztere.

Im Falle der Restaurationsarbeiten am Museum für Archäologie und Geschichte lag der Schwerpunkt auf der Konsolidierung des von vergangenen Erdbeben stark in Mitleidenschaft gezogenen historischen Gebäudes, das zur Erdbeben-Risikoklasse Eins zählte. Das noch dazu auf instabilem Grund errichtete Bauwerk stellte bereits eine Gefahr für Touristen und Anrainer dar. Für die Konsolidierung erhielt es ein nachträgliches Fundament auf Pfeilern in 25 Metern Tiefe, sowie einen Betongürtel zur Verstärkung einiger Außenwände. Der optische Aspekt des Bauwerks ist dabei erhalten geblieben.

Resümee

Trotz der derzeit prekären Lage in Bezug auf die Kritik der EU-Kommission wurde festgestellt, dass sich die Absorptionsrate seit Gründung des EU-Ministeriums insgesamt dreimal verbessert hätte. Minister Orban zeigte sich zudem offen für die Probleme der einzelnen Anwesenden, machte sich Notizen und wird auch in Zukunft persönlich an den Veranstaltungen teilnehmen, die im Laufe des Jahres in verschiedenen Teilen des Landes stattfinden sollen.
Wer sich für weitere Details aus der Konferenz interessiert, findet eine Videoaufzeichnung auf der Webseite www.fonduri-ue.ro.