Steuerpolitischer Coup oder abenteuerlicher Selbstmordversuch?

Für die PSD-Regierung wird die Neuordnung des Steuerwesens zur Härteprobe

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Eine Steuerrevolution sondergleichen kündigte Rumäniens Regierung am vergangenen Donnerstag an, eine derartige Umkrempelung des Steuerwesens hat es nach 1989 nur selten gegeben, 1993 zum Beispiel, als die Mehrwertsteuer eingeführt wurde, 1999/2000, als die damalige Mitterechtsregierung nach drei chaotischen Jahren zu einer wirtschaftsfördernden Steuerpolitik zurückfand, oder 2003, als das erste Steuergesetzbuch in Kraft trat, sowie 2005, als die damalige Allianz D.A. (PNL-PD) den einheitlichen Steuersatz von 16 Prozent einführte. Jetzt aber baut die PSD-ALDE-Regierung das rumänische Steuerwesen vollständig um, ein waghalsiger Schritt, der, man muss es von Anfang an sagen, nur zwei Alternativen zur Folge haben kann, tertium non datur: Der steuerpolitische Coup wird zu einem umfangreichen Erfolg oder die Sozialdemokratische Partei und ihre Regierung begehen einen abenteuerlichen politischen Selbstmord und gehen mit wehenden Fahnen unter.

Noch stehen die am Donnerstag in erster Lesung von der Regierung besprochenen Maßnahmen zur Änderung des Steuergesetzbuches nicht im Amtsblatt, die Reaktionen der Wirtschaft und der Medien sind gemischt. Vorsicht ist geboten, denn wie keine andere Regierung hat dieses Kabinett bewiesen, dass es in der Lage ist, jede Woche Reformen, Änderungen, Gesetzesentwürfe zu präsentieren, die in der darauffolgenden Woche von Premierminister Mihai Tudose oder dem PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea selbst als Hirngespinste abgetan und von der Öffentlichkeit sofort vergessen werden. Dieses Mal aber scheint das Kabinett es ernst zu meinen, die geplanten Änderungen wurden auf der Homepage des Finanzministeriums veröffentlicht und stehen zur öffentlichen Debatte.

Zunächst einmal eine eher unwichtige Bemerkung: Das Steuergesetzbuch dürfte laut geltendem Recht nicht per Eilverordnung geändert werden, beschlossene Änderungen dürften erst sechs Monate nach Verabschiedung in Kraft treten, das hängt mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes zusammen. Aber die Vorhersehbarkeit war nie eine Stärke des rumänischen Gesetzgebers, in der Steuerpolitik war in Wirklichkeit nie davon die Rede, an den entsprechenden Gesetzestext hat sich nicht eine Regierung ernsthaft gehalten. Obzwar die Wirtschaft, die gerade in diesen Wochen an den Haushaltsplanungen für 2018 tüftelt und noch nicht weiß, worauf sich solche Planungen stützen sollen, immer wieder mehr Vorhersehbarkeit gefordert hat.

Weil das aber mit dieser Regierung auch nicht zu machen ist, schaue man sich die Änderungsvorschläge an: Wie mehrmals angekündigt, werden die Sozialabgaben fast vollständig dem Arbeitnehmer übertragen und das Abgabenniveau in Bezug auf den Bruttolohn um zwei Prozentpunkte verringert. Von neun Abgaben sollen lediglich drei übrigbleiben, auf den Bruttolohn werden beim Arbeitnehmer künftig 10 Prozent Abgaben für die Krankenversicherung sowie 25 Prozent für die Rentenversicherungen erhoben. Der Arbeitgeber zahlt eine sogenannte Arbeitsversicherungsabgabe in Höhe von 2,25 Prozentpunkten. Obwohl Rumänien mit diesem Modell der Lohnnebenkosten ein einmaliges Beispiel in der Europäischen Union darstellt, dürfte das Ganze noch machbar sein, obwohl zurzeit niemand genau weiß, ob die Nettolöhne sinken oder steigen werden.

Gerade damit Nettolöhne nicht sinken, soll der Mindestbruttolohn um fast ein Drittel auf 1900 Lei angehoben werden, Lohnempfänger sollen unterm Strich nichts verlieren, sondern, so die Regierung, etwas dazugewinnen. Deshalb geht auch die Lohnsteuer von derzeit 16 auf nur noch 10 Prozent zurück, Rumänien dürfte damit zu jenen Ländern Mittel- und Osteuropas mit der geringsten Lohnsteuer zählen. Aber die Regierung kann natürlich die Arbeitgeber nicht zwingen, auch jene Löhne zu erhöhen, die zurzeit und auch nach dem 1. Januar über dem Mindestbruttolohn liegen, so dass Lohnempfänger, die mehr als den Mindestlohn verdienen, 2018 weniger verdienen dürften, als sie es heute tun. Rumäniens Buchhalter und Steuerexperten haben bis Jahresende die Hände voll zu tun, die Regierung wird selbstverständlich Anwendungsregeln erlassen müssen, die den Steuerzahlern erklären, wie die Änderungen im Steuergesetzbuch auch anzuwenden sind.

Überraschend ist des Weiteren auch die Reduzierung der Einkommensteuer für Freiberufler, auch deren Einkommen sollen nur noch mit 10 Prozent besteuert werden. Interessanterweise sollen für Freiberufler die Sozialabgaben nur noch auf das Niveau des Mindestbruttolohns und nicht mehr auf jenes der tatsächlichen Einkommen berechnet werden. Der Gesetzgeber glaubt wohl, dass Selbstständige wie Ärzte, Architekten, Künstler, Anwälte oder Notare in der Lage sind, auch anderswie vorzusorgen und sich damit begnügen werden, wenn ihnen der Staat eine Mindestrente bezahlt. Dass Anwälte und Notare ihr eigenes Altersvorsorgesystem mit eigener Rentenkasse betreiben, dürfte sich als nachzuahmendes Beispiel erweisen.

Die 5,2 Millionen Rentner bleiben natürlich weiterhin im Blickpunkt der Regierung, ab Mitte 2018 steigt die Mindestrente auf 640 Lei und der Richtwert eines Rentenpunkts von 1000 auf 1100 Lei. Wenn bis dann nicht eine Mission des Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder die Kontrolle über Rumäniens Staatsfinanzen übernimmt, wenn die Weltbank keinen Überlebenskredit gewähren muss und wenn die Europäische Kommission die Einhaltung des Staatsdefizits nicht rigoros prüfen muss. Wenn also die Maßnahmen des PSD-Kabinetts die Wirtschaft nicht in ein Chaos stürzen, aus dem der Weg nur über eine bittere Krise führt. In der Washingtoner IWF-Zentrale dürfte sich schon so mancher nach Flugkarten für Bukarest erkundigen.

Denn obzwar der Entwurf der Eilverordnung über mehrere Seiten die makroökonomischen Folgen der geplanten Neuregelung detailliert, geht daraus keinesfalls überzeugend hervor, wie die Löcher im Staatshaushalt sowie bei der Rentenkasse und dem Gesundheitsversicherungsfonds gestopft werden sollen. Ein wenig aussagender Hinweis auf die gestiegene Kaufkraft der Bürger, auf die Teilentlastung der Unternehmen und die Reduzierung der Schwarzarbeit kann dafür nicht reichen. Und auch nicht die Senkung des Prozentsatzes der Beiträge zur privaten Rentenpflichtversicherung, von 5,1 auf 3,7 Prozent, was für viele neoliberale Kritiker der Regierung einer Zwangsverstaatlichung der privaten Renten gleichkommt, aber im Grunde nur ein verzweifelter Versuch ist, dem Elend der staatlichen Rentenkasse beizukommen. Noch wagt die Regierung eine Nationalisierung der privaten Rentenfonds nach ungarischem Modell nicht.

Jedenfalls stützt sich die Eilverordnung auf das Wunschdenken einer Regierung, die seit fast einem Jahr das Steuer- und Finanzwesen Rumäniens neuordnen will, weil sie sich gezwungen sieht, wenigstens einen Teil der unrealistischen Wahlversprechen von vor einem Jahr zu erfüllen und dabei die Gefährdung der mühsam erkämpften makroökonomischen Stabilität leichtfertig in Kauf nimmt. Sollte aber die europäische Wirtschaft weiterhin wachsen, die Zinsen auf niedrigem Niveau bleiben und die Inflation nicht außer Kontrolle geraten, dürften diese Maßnahmen greifen, vor allem dann, wenn es der Regierung trotz aller Steine, die sie sich selbst in den Weg legt, gelingt, die Infrastruktur auszubauen und europäische Mittel in höherem Maß abzuschöpfen. Zugegeben: Auch desillusionierte Journalisten hegen manchmal fromme Wünsche...