Süß auch ohne Zucker

Raw-Vegan: Wie und was und vor allem warum?

Torten aller Arten werden bei Rawissma rund um die Uhr zubereitet. Man kann auch nur ein Stück kaufen und unterwegs oder im Park genießen.

Man sieht Ramona an, dass sie ihre Arbeit liebt.

Dunkle „Schokolade“ mit echten Erdbeeren und Pistazien
Fotos: Rawissima

Was hat die Raw-Vegan-Bewegung eigentlich mit dem Finanzamt zu tun? Für viele nichts. Für Ramona C. füllen die beiden auf den ersten Blick anscheinend unvereinbaren Bereiche ihren Alltag. Tagsüber ist sie die freundliche Dame (jawohl, das gibt es auch), die Steuerzahler am Finanzamt bedient, nachmittags zerkleinert und mischt sie natürliche Zutaten und bereitet Pralinen, Torten, Mousse und viele andere Leckereien zu. Ganz ohne Backen oder Kochen, ohne Konservierungsstoffe, Aromazusätze, Laktose, Zucker oder Schokolade.

Die Idee kam ihr vor rund sechs Jahren, als sie zum eigenen körperlichen und geistigen Wohl entschied, einen anderen Lebensstil anzunehmen. „Der Grund war einfach: Ich wollte mehr Lebenslust! Ich war ausgelaugt, hatte keine Energie mehr, beinahe täglich Kopfschmerzen, litt unter Schlafstörungen, die wiederum zu mentaler Erschöpfung, Gereiztheit, Verdauungsstörungen und vielen anderen Problemen führten. Die Änderung trat schrittweise ein. Ich merkte, dass Süßigkeiten aufgrund hoher Mengen an Zucker, gehärteten Fetten, Gluten und Laktose der Gesundheit am meisten schaden. So begann ich, Zucker durch Honig zu ersetzen, Mehl durch Nüsse und Kerne, hydrierte Fette durch natürliche Kakaobutter oder kaltgepresstes Kokosöl, Kakaopulver durch  Johannisbeerpulver und so weiter. So begann meine ungeahnte Reise in die Welt der veganen Süßigkeiten - und das alles ohne thermische Zubereitung.“

Zweites Standbein

Zu ihrem Einstieg in die Welt des Unternehmertums zeigt sich Ramona bescheiden, meint aber, dass ein solcher Neuanfang einen zwingt, sich in mehrere Richtungen zu entwickeln: Man muss ein wenig Buchhaltung und Steuergesetzgebung lernen, hinzu kommt Management, Marketing und Marktwirtschaft, den Partnern oder Mitarbeitern vertrauen und ehrliche Beziehungen mit ihnen aufbauen, aber auch die verfügbare Zeit und die eigentliche Tätigkeit entsprechend verwalten können. „Abgesehen davon, dass es eine Herausforderung ist, braucht man viel Mut und Selbstvertrauen, vor allem in Rumänien, wo sich die Bürokratie, anstatt abzunehmen, immer mehr ausweitet und sich die Gesetzgebung von Jahr zu Jahr ändert.“

Was die Reaktion der Kundschaft angeht, scheinen ihre Süßigkeiten sehr gut anzukommen. Die kleine „Werkstatt“ liegt günstig im Erdgeschoss eines Wohnblocks gegenüber vom Eingang des Erlenparks in der Schewisgasse/Bulevardul Victoriei. Nachmittags werkeln Ramona und ihre Geschäftspartnerin Andreea ab rund 17 Uhr bis in die Abend-stunden. Neben jenen, die ihre Leckereien bereits kennen und schätzen, kommen immer auch neue Kunden dazu. Jedes Mal nehmen sich die Damen einige Minuten, um ihren Besuchern ein Glas aromatisiertes Wasser anzubieten und sich mit ihnen zu unterhalten. Ramona zufolge zeigt sich das Feedback der Kundschaft unerwartet positiv und ermutigend. „Ich wünschte mir aber, dass sie uns auch sagen, was nicht so gut ist und wie wir unsere Rezepte verbessern können oder was wir neu bringen können, um ihren Erwartungen zu entsprechen. Negatives Feedback nehmen wir eher konstruktiv als störend auf, weil wir uns nur so verbessern und entwickeln können und dementsprechend unsere Süßigkeiten besser und bekannter machen können.“

In Deutschland begann der Veganismus 2008 Fuß zu fassen und ist heutzutage in Österreich, der Schweiz, Israel, in Großbritannien, den USA und vielen anderen Ländern verbreitet. In Rumänien kann man von einer solchen Bewegung erst seit einigen Jahren sprechen. Ramona zufolge hat das damit zu tun, dass sich die Geschmäcker der Rumänen langsam weiterentwickelt haben, oder, besser gesagt, dass sie erst seit Kurzem dem, was sie essen und allgemein verbrauchen, mehr Aufmerksamkeit schenken. „Die Studien besagen, dass die Anzahl derjenigen, die ökologische Produkte verbrauchen, in den vergangenen zwei Jahren um 20 Prozent angestiegen ist und die Anzahl der Vegetarier um 25 Prozent. Besondere Sorgfalt zeigen diesbezüglich Eltern, die ihren Kindern von unseren Süßigkeiten kaufen; das kommt bei uns immer öfter vor und ich finde es ausgesprochen gut. Ich denke, wenn jeder von uns ein wenig zur Verbesserung unseres Umfeldes beiträgt, kann sich die Welt zum Guten wenden. Mahatma Ghandi sagte, ‘Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt’ und daran glaube ich auch fest.“

Wer mehr über Hintergründe, Rezepte und Angebot der Süßigkeitenwerkstatt erfahren möchte, findet dies in Kürze unter www.rawissima.com und auf der Facebook-Seite facebook.com/rawissimafood.

Was und wie ist der Veganismus eigentlich?

Die aus dem Vegetarismus hervorgegangene Einstellung und Ernährungs- sowie Lebensweise bedeutet eine Meidung aller Nahrungsmittel tierischen Ursprungs oder der Nutzung von Tieren und tierischen Produkten. Ethisch motivierte Veganer achten meist auch bei der Auswahl ihrer Kleidung und anderer Waren darauf, dass sie frei von Tierprodukten sind und frei von Tierversuchen hergestellt wurden. Dabei nennen die vegan lebenden Menschen Argumente wie Tierethik, -rechte und –schutz, Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und andere.

Der Begriff „vegan“ geht auf den Engländer Donald Watson zurück, der 1944 die Vegan Society gründete, eine Abspaltung der englischen Vegetarian Society. Der Verzehr von Milchprodukten und Eiern, die von vielen Vegetariern nicht gemieden werden, entsprach nicht seinem Verständnis von Vegetarismus, sodass er den neuen Begriff für jene einsetzte, die auch zum Konsum von Eiern und Milchprodukten „Nein“ sagen.

Im Oxford Illustrated Dictionary erschien der Begriff erstmals 1962 und wurde dort als „Vegetarier, der keine Butter, keinen Käse und keine Milch verzehrt“ erklärt, wonach die umfassendere Erläuterung „Eine Person, die keine tierische Produkte isst oder verwendet“ 1995 erschien.

Dabei erkennt die vegane Ernährung drei Formen: bio-vegane Ernährung, die sich zusätzlich auf Lebensmittel beschränkt, die unter Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte produziert wurden; frugane Ernährung, die sich auf die Früchte von Nahrungspflanzen beschränkt, da deren Verzehr nicht die Zerstörung der Pflanze zur Folge hat, also Obst, Nüsse und Samen, sowie vegane Rohkost, die sich auf die veganen Teile der Rohkosternährung beschränkt, wobei die Rohkost allgemein ebenso rohes Fleisch, Fisch, Eier, Rohmilch und andere Dinge enthalten kann.

Ist vegan auch gesund?

Unter dem Aspekt der Gesundheit fanden seit 2005 regelmäßig durchgeführte Studien heraus, dass der Veganismus in etlichen Punkten sogar gut für die Gesundheit ist. Darunter soll bei Veganern das Risiko für Fettleibigkeit und Herzerkrankungen deutlich niedriger liegen als bei Mischköstlern, dasselbe gilt für Bluthochdruck. Bei unter Diabetes mellitus Typ 2 leidenden Personen konnte anhand einer fettarm-veganen Diät die Verabreichung von Medikamenten reduziert werden, wobei aber auch andere Diäten ähnliche Wirkung zeigten. Dafür setzen sich Veganer jedoch Risiken wie der Osteoporose aus, wenn sie nicht mindestens 525 mg Kalzium pro Tag aufnehmen, sowie der Thrombose und Arteriosklerose aufgrund eines niedrigen Omega-3-Fettsäure-Spiegels. Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit rät aufgrund der Risiken einer Mangelernährung von einer veganen Ernährungsweise vor allem während der Schwangerschaft, der Stillzeit, des Wachstums und im Alter ab. Eine solche Ernährung sei zwar möglich, sie setze jedoch entsprechendes Ernährungswissen voraus.