Tandem gegen Zyanid

Trotz zahlreicher Proteste gegen das Goldförderungsprojekt Roşia Montană hat die Regierung dieses abgesegnet

Louisa und Tică mit ihrem Tandem in Berlin Foto: Jenny Kobi

Beim Protestmarsch durch Roşia Montană am 18. August wollte auch dieser kleine Junge nicht fehlen. Foto: Diana Costea

3000. Das ist die Anzahl an Kilometern, die Louisa Hoppe, 23, diesen Sommer zurückgelegt hat. Auf dem Tandem, in Begleitung des Rumänen Tică Darie, 20, ging es durch sieben Länder und 12 Städte, von Kopenhagen über Leipzig und Budapest nach Goldbach/Roşia Montană, einem 2000-Seelen-Dorf mitten im siebenbürgischen Westgebirge. Die Mission ihrer Reise war es, international auf das Projekt „Salvaţi Roşia Montană“ aufmerksam zu machen. Dabei handelt es sich um eine Protestaktion, die 2002 ins Leben gerufen wurde und ihren alljährlichen Höhepunkt im August feiert, wenn zum „Fânfest“ Tausende Aktivisten aus dem ganzen Land und der ganzen Welt auf diesem kleinen Fleck Erde zusammenkommen, um sich auszutauschen und gemeinsam für den Schutz des Gebiets Roşia Montană einzusetzen. 

Beschützen wollen sie es vor Gabriel Resources, einer kanadischen Firma, die hier seit 1997 zu Werke geht und die 314 Tonnen Gold und 180 Tonnen Silber, welche direkt unterhalb des Dorfes lagern, mit Hilfe von Zynaid abbauen will. In dieser Woche hat die Regierung für das Projekt grünes Licht geschaltet und einen diesbezüglichen Gesetzesentwurf an das Parlament geschickt. Das hat nun das letzte Wort.

„Wir folgen den Richtlinien der EU und verwenden die besten und umweltfreundlichsten Methoden. Im Anschluss an das Projekt wird es eine siebenjährige Rehabilitationsphase geben, während der wir jeglichen Schaden minimieren oder ganz beseitigen werden“, so verspricht es Cătălin Hosu, Regional Communications Manager der Firma „Gold Cooperations“, der rumänischen Tochtergesellschaft von Gabriel Resources. Doch das ist Louisa und den 6000 anderen Aktivisten, die im August nach Roşia Montană gekommen sind, nicht genug. Sie befürchten, dass trotz all dieser Maßnahmen die Natur in der Region durch den hoch giftigen Stoff Zyanid langfristig beschädigt und die Gemeinde und deren Zukunftschancen zerstört sein werden. Ihre Befürchtungen werden u. a. getragen von den Erinnerungen an die Zyanid-Katastrophe von Baia Mare, wo 2000 ein Damm brach und eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der letzten Jahre verursachte, bei der der Fluss Theiss bis weit über die ungarische Grenze verseucht wurde. 

Einwohner protestieren schon seit 15 Jahren

Zu den Aktivisten gehört auch Călin Caproş. Der 44-Jährige ist einer der Einwohner von Roşia Montană, die sich seit 2002 in der NGO „Alburnus Maior“ für den Erhalt des Ortes einsetzen: „Wann immer ich probiere, eine Balance zu ziehen zwischen den positiven und negativen Folgen des Goldabbaus, gibt es einfach mehr negative Folgen. Ich werde bis zum Ende kämpfen, denn ich möchte keine Kompromisse mit ´Gold Cooperation´ machen und ihre schlechten Taten möglicherweise noch decken.“ Dennoch gehört der ehemalige Apothekenbesitzer inzwischen einer Minderheit an. Nur noch rund 50 Familien, weit weniger als 50 Prozent der Einwohner, setzen sich aktiv gegen den Bau der Mine ein. Andere Familien haben ihre Häuser schon an Gold Cooperations verkauft oder haben inzwischen eine Anstellung bei der Firma gefunden. Die Finanzkrise hat eben auch Roşia Montană erreicht, es gibt kaum noch andere Arbeitsstellen und viele können es sich nicht mehr leisten, sich Gold Cooperations zu verweigern. 

„Deswegen ist die Unterstützung von Aktivisten aus dem ganzen Land umso wichtiger“, so Mirella Sacca. Die 29-Jährige ist nun zum vierten Mal beim Fânfest dabei und das Projekt ist zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden. „Ich liebe die Berge, die frische Luft und wie die Leute hier in perfekter Harmonie mit der Natur leben. Beim Fânfest geht es darum, Leute herzubringen und ihnen zu zeigen, wie kostbar dieser Platz ist.“ Zusammen mit zahlreichen anderen Volontären hat sie ein Jahr lang dafür gearbeitet, dass die vier Tage mitten in den Bergen ein Erfolg werden. Das Programm, das sie zusammengestellt haben, reicht von politischen Workshops über Konzerte von rumänischen Bands wie „Luna Amară“ zu Improvisationstheater. 

Es ist für jeden etwas dabei

Das Publikum ist gemischt, sehr international und vom Baby bis zum Großvater ist alles dabei. Eine der erholsamen Aktivitäten ist der „Zirkus Workshop“, der von dem Kanadier Matthieu Cerri, 21, geleitet wird. Er ist eher zufällig auf das Festival gestoßen: „Mir gefällt sehr, dass es für jeden eine Aktivität gibt und dass es nicht wie bei den großen Musikfestivals zugeht, wo sich jeder nur den ganzen Tag betrinkt.“ Es geht bei dem Festival eben nicht mehr nur um Roşia Montană, es geht auch darum, wieder eine politische Kultur, eine politische Zivilgesellschaft aufzubauen. Studenten aus verschiedenen Städten knüpfen hier Kontakte und planen Projekte für das kommende Jahr, ein Aktivist aus der Türkei präsentiert die Geschehnisse des Geziparks und Einwohner des Dorfes singen gemeinsam mit Aktivisten am Lagerfeuer.

Hier sind über die Jahre Aktivisten und Anwohner zu einer Familie zusammengewachsen, der Roşia-Montană-Familie, und zu der darf sich Louisa inzwischen auch zählen. „Als ich in Roşia angekommen bin, haben Freunde und Aktivisten Plakate mit ´Herzlich willkommen zu Hause´ hoch gehalten. Letztes Jahr war ich einfach nur einer der vielen namenlosen Besucher, jetzt gehöre ich auch dazu“, schließt sie.