Temeswarer Studentenschaft und ihr großes Engagement für Europa

Ein Stimmungsbild von der Temeswarer Westuniversität kurz vor den Europawahlen

Symbolfoto: Pixabay

Begeisterung über die EU - vielen Studenten und Studentinnen in Deutschland nötigt das eher ein müdes Lächeln ab. Ganz anders stellt sich die Lage in südosteuropäischen Ländern wie Bulgarien oder Rumänien dar: Dort ist es gerade die Studentenschaft, die der Europäischen Union besonders gute Noten ausstellt, so eine Umfrage der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Beispiel Rumänien: Nicht nur, dass sich dort Hochschüler durch die EU-Mitgliedschaft bessere Karrierechancen erhoffen – von einer intensiven Verzahnung versprechen sie sich auch Erfolge gegen den gegenwärtigen Versuch der Regierung, korrupten Politikern Persilscheine auszustellen. Es folgt ein Stimmungsbild aus der Temeswarer West-Universität in diesen Tagen kurz vor der Europawahl 2019.


Ein modern eingerichteter Seminarraum in der West-Universität Timișoara, die dieser Tage ihr 75-jähriges Bestehen feiert: Professor Radu Nikosevic gilt als erfahrener Lobby-Forscher, er spricht zu den Studenten und Studentinnen über die unterschiedlichen Interessensgruppen, die Einfluss nehmen auf die Institutionen der Europäischen Union. Denn genau das ist das Kernthema des Master-Studiengangs „Politică, public și avocați“.


„Es geht global um Politik, aber auch, wie man Politik beeinflussen kann“, erklärt Beatrix Andrei, die diesen landesweit einzigartigen Masterstudiengang belegt hat. Will heißen: „Politică, public și avocați“ untersucht, wie politische Entscheidungsprozesse von Interessensgruppen beeinflusst werden. Die Europäische Union ist dafür ein gutes Beispiel.


„Wir lernen die wichtigsten Institutionen aus Europa kennen. Und wie man die dortigen Entscheidungsträger erreichen kann.“ Richard Dietrich, Student mit rumäniendeutschen Wurzeln, sitzt direkt daneben und erzählt, wie ihn und seine Kommilitonen abseits der fachlichen Inhalte das Europa-Fieber gepackt hat. Sie haben sich aktiv an dem EU-weiten Projekt „This Time I’m voting“ beteiligt. Das Ziel: Möglichst viele junge Hochschulbesucher dazu zu motivieren, bei der anstehenden EU-Wahl ihre Stimme abzugeben.


„Wir waren auf dem Studentencampus, haben Flyer ausgegeben, Armbänder verteilt, Plakate geklebt, aber nicht nur auf dem Universitätsgelände, nicht nur in diesem Landkreis, sondern auch im Kreis Hunedoara, am Westrand Siebenbürgens.“


Die Resonanz sei sehr gut gewesen, berichten die Studenten und Studentinnen, möglicherweise auch vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation im Land. Die sich sozialdemokratisch nennende Partei „PSD“ stellt derzeit den Großteil der Regierung - und versucht gerade, wegen Korruption straffällig gewordene Politiker im Nachhinein reinzuwaschen. Widerstand dagegen kommt vor allem von den jungen Rumäninnen und Rumänen. Und ihre Hoffnungen setzen sie auf Europa, so Sebastian Ardelean, ebenfalls Hörer des Studiengangs „Politică, public și avocați“. Er legt Wert auf die Feststellung, man habe sich mit der Kampagne für die Europawahl für eine hohe Wahlbeteiligung aber nicht für eine bestimmte Partei eingesetzt.


Allerdings: „Wir müssen uns stärker als bisher die europäischen Werte zu eigen machen. Wir sind hier in Temeswar, im Westen Rumäniens. Das war immer schon eine kosmopolitisch und multikulturell ausgerichtete Stadt mit vielen Gästen aus anderen Ländern. Wir jungen Menschen müssen uns Gehör verschaffen, unsere Stimme erheben. Denn unsere Zukunft sehen wir fest eingebunden in der Europäischen Union.“


Diese Art Europabegeisterung unter Hochschülern lässt sich auch durch Statistiken belegen: 85 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen Rumäniens bekannten sich in einer Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung ausdrücklich zur EU; ihr Land müsse dort Mitglied bleiben, obwohl gerade Teile der Regierung derzeit antieuropäische Töne anschlagen, vor allem bei Wahlkampfveranstaltungen. Dies zu verhindern, mag ein Motiv sein für die proeuropäische Haltung gerade unter Studenten und Studentinnen.


Aber es gibt auch noch weitere Gründe: „Also ich glaube, dass die Studenten die größte Begeisterung für Europa aufbringen, weil sie auch die größten Vorteile haben. Sie können überall studieren in Europa, durch das Erasmus-Programm zum Beispiel, sie können auch überall Arbeitsplätze finden nach Beendigung des Studiums. Gerade Studenten, die Europastudien hören, können auch verschiedene Jobs an den europäischen Institutionen finden“, so Professor Vasile Docca, der sich als Historiker an der Universität Temeswar in seinen Vorlesungen immer wieder auch mit der Geschichte der europäischen Institutionen beschäftigt hat. Und die stehen auch in den ersten Jahren der politikwissenschaftlichen Studiengänge immer wieder im Mittelpunkt: „In den ersten drei Jahren des politikwissenschaftlichen Studiums geht es bei uns detailliert um Europa. Jeder Student hier kennt danach exakt die europäischen Strukturen“, ergänzt Professor Nikosevic. Und genau dieses Wissen macht bei manchen auch Appetit auf eine Karriere in den EU-Institutionen zwischen Brüssel und Straßburg. Paula Ardelean, Master-Studentin im Fach „Politică, public și avocați“:

„Mir würde es wahnsinnig gut gefallen, wenn ich beruflich irgendetwas machen könnte, was mit der Außenpolitik der EU zu tun hat. Ich habe den Studiengang ‘Internationale Beziehungen und Europastudien’ bereits abgeschlossen, bin jetzt im Master - und da wäre diese berufliche Richtung ja genau das Richtige.“