Tourismus ein wenig anders

Mit Cristian V. Cismaru, Mitinhaber der Tourismusfirma Reky Travel, über einen nachhaltigen Tourismus in Siebenbürgen

Iuliana Labo und Cristian V. Cismaru

„Reky“ hat keine Bedeutung. Die Bezeichnung wurde für die Firma gewählt, weil sie keinen der abgegriffenen Namen verwenden wollten. Ursprünglich sollte das Vorhaben ein Club werden, da sie eine bestimmte Art von Leuten ansprechen wollten. Inzwischen heißt das 2000 gegründete Familienunternehmen Reky Travel & Events. Im Tandem versuchen die Hermannstädter Iuliana Labo, Jahrgang 1973 und Absolventin des Gheorghe-Lazăr-Kollegs, und Cristian Valentin Cismaru, Jahrgang 1976 und ehemaliger Brukenthalschüler, vor allem einen nachhaltigen Tourismus in Siebenbürgen zu entwickeln. Beide haben Wirtschaft studiert, wählten aber Tourismus als Betätigungsfeld, da sie beide gern in der Natur und im dörflichen Raum sind. Über Erfahrungen, Vorhaben und Trends im Tourismus sprach ADZ-Redakteurin Hannelore Baier mit Cristian V. Cismaru, einem der beiden Mitinhaber der Tourismusfirma Reky Travel.

Hatten Sie irgendwelche Erfahrung im Tourismus, bevor Sie in diesem Bereich zu arbeiten begonnen haben?

In der 9. Klasse habe ich an dem von Ulrike Pistotnik und Hermine Jinga-Roth geleiteten Austauschprogramm des Brukenthalgymnasiums mit der Schule Wenzgasse in Wien „Fremdenverkehrsinitiative Brukenthal“ teilgenommen. Im Klub waren wir 20 Schüler, von denen 8 - 9 im Bereich Tourismus heute noch tätig sind. Um in den Klub aufgenommen zu werden, mussten wir als Test die Monografie eines Dorfes wiedergeben. Damals hat es bei mir „Click“ gemacht und ich habe gemerkt, aha, so funktioniert das. Gelernt habe ich daraus, dass es in jedem Dorf irgendetwas Besonderes gibt. Gehe ich heute auf die Suche nach der in einem Ort bestehenden Möglichkeit, einen Transilvanian Brunch zu veranstalten oder ein Angebot für eine Tour auszuarbeiten, lese ich auch jedes Mal eine Monografie des Ortes durch. Da steht so ziemlich alles, wie im Dorf früher gelebt wurde, was es an Interessantem gab und heute noch gibt. Wenn es keine Monografie gibt, kann man den Pfarrer oder einen Senioren aufsuchen, der einem erzählt. Man muss nichts erfinden, überall gibt es irgendetwas Interessantes zu entdecken, überall leben Leute, die etwas Schönes oder Feines herstellen, was man Reisenden anbieten kann.

Unter Tourismus verstehen die meisten Leute schöne Hotels, Essen in teuren Restaurants,  Swimmingpool und idyllische Küstenlandschaft oder Touren durch Shopping-Meilen ...

Ja, das ist der Massentourismus, zumeist mit all-inclusive-Angeboten, aber das machen Iuliana und ich nicht mit. Selbst Standardreisen Hermannstadt/Sibiu – Schäßburg/Sighişoara – Kronstadt/Braşov und eventuell Schloss Peleş oder Bran noch dazu bieten wir nicht an. Wir organisieren maßgeschneiderte Reisen aufgrund des Reisebaustein-Prinzips, denn das ist der Trend in der Branche. Die Leute wollen immer individueller und flexibler sein und diesem Anspruch tragen wir Rechnung.
Wir bieten Inhalte an, die wir vorher suchen und finden müssen. Dann gestalten wir eine kleine Dramaturgie des Tages. Die meisten Reiseorganisatoren bombardieren mit Informationen und Informationen, ohne aber nach den Inhalten zu suchen. Am Abend und am Ende der Reise sind die Gäste mit Informationen vollgestopft und haben nichts verstanden.

Nun sind aber Kultur- oder Studienreisen sehr gefragt bei immer mehr Leuten ...

Aus diesem Bereich kommen oftmals Anfragen an uns. Die gute Seite dabei ist, dass es sehr interessierte Leute sind, die für ihr Wissensgebiet bereit sind, mehr auszugeben, als der Durchschnittstourist, das Vorbereiten einer solchen Reise benötigt aber auch sehr viel mehr Zeit. In den letzten Jahren haben die richtigen Studienreisen zugenommen, wo die Leute sich einige Monate vorher schon mit der Region und bestimmten Themen im Zusammenhang mit dieser beschäftigen.

Ihr Ziel ist es, einen nachhaltigen Tourismus anzubieten und zu entwickeln. Kann man davon als Unternehmer leben?

Wir leben seit 2003 davon. Es ist nicht immer leicht, weil die Erwartungen der Gäste nicht immer unseren Angeboten entsprechen. Wirtschaftlich und auf weitere Sicht betrachtet, ist es besser auf diesen und nicht auf den Raubbau betreibenden Massentourismus zu setzen, der weitaus stärker von Modetrends und Werbung beeinflusst wird, aber es dauert länger, bis sich in diesem immer noch als „alternativ“ betrachteten Tourismus etwas entwickelt.

Unter „alternativem Tourismus“ versteht man gemeinhin Wanderungen oder die Besichtigung abgelegener Ortschaften. Was verstehen Sie als Veranstalter darunter?

Wandertouren zu Fuß oder per Fahrrad ins Gebirge oder durch schöne Gegenden in Siebenbürgen, wo dann auch Kirchenburgen zum Beispiel besichtigt werden, gehören schon auch zu unserem Angebot. Wozu wir aber beitragen möchten ist, einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, durch den die Region leben und ihre Ressourcen erhalten kann. Möglich ist das, wenn Inhalte angeboten werden, denn die heutigen Touristen sind weitaus anspruchsvoller, die wollen nicht bloß sehen, sondern auch etwas erleben.

Bei Fahrradtouren bieten wir zum Beispiel Wild-Watching als Inhalt, d. h. das Beobachten von Störchen, Gämse und Murmeltieren. Wilde Tiere können auch bei Gebirgswanderungen beobachtet werden. Ähnlich kann man kulturelle oder kulinarische Angebote machen. Iuliana ist ein großer Fan der einheimischen Küche und sie organisiert mit Frauen aus dem Dorf die „Menüs“, die wir den Gästen anbieten. „Slow food“, also Lebensmittel, die man möglichst nahe am Ort, wo sie verspeist werden, produziert und lokale Rezepte gehören zu unseren Prinzipien. Wir bieten auch Slow-food-Touren an, bei denen wir kleine Produzenten besuchen und bei ihnen nicht nur essen, sondern auch lernen, wie sie die Lebensmittel herstellen, zubereiten und aufbewahren. Unsere Touren sind eigentlich keine Tourismusangebote, sondern Werbung für die Gegend. Wir versuchen einfache und kleine Orte in die Touren einzubeziehen.

Wie werden dergleichen Angebote bekannt gemacht und wer steht Ihnen, einem Zwei-Personen-Team, beim Begleiten der Touristen zur Seite?

Wir geben die Angebote über unsere Homepage bekannt. Viele „unserer“ Angebote sind nicht „unser“ allein, sondern erfolgen in Kooperation mit Partnern. Die „Transilvanian Brunches“ organisieren wir zusammen mit Familie Cotaru bzw. deren Stiftung Hosman Durabil und manchmal macht auch Familie Dragomir – Mihai Dragomir ist von „Mioritics“ bekannt – mit. Aktiv dabei waren wir bei mehreren kleinen Projekten im ländlichen Raum um Hermannstadt – zum Beispiel dem Erstellen des Kulturwegs Brukenthal – Wandern durch die Kulturen und der dazu gehörenden Wanderkarte, dem Erarbeiten der Infotafeln im Harbachtal. Durch die Mitgliedschaft bei „Tura în Natură“ sind wir weiterhin in dieser Richtung aktiv. Dadurch sind wir mit Partnern vernetzt, an die Anfragen kommen, auf die wir aber auch beim Vorbereiten der Reisen oder Finden von kompetenten Begleitern zurückgreifen können.  Zudem bin ich beim Kreistourismusverband Hermannstadt (AJTS) zuständig für Marketing und unsere Event-Angebote – Electric Camping, Picknick am Cindrel, Abendessen in der Natur, Flavours and sounds of Transylvania (Siebenbürgischer Geschmack und Klang) – werden auch über deren Veranstaltungsprogramme geführt.

Wen interessieren dergleichen Angebote?

Vor 5 bis 6 Jahren sprachen etwa 80 Prozent unserer Gäste Deutsch, jetzt sind mehr als 70 Prozent unserer „Touristen“ Leute, die Rumänisch sprechen, egal von wo sie kommen. Es sind Leute, die sich in Europa allerlei angeschaut haben und nun feststellen, dass auch Rumänien manches zu bieten hat. Wichtig ist nun, dass die Anbieter ihre Häuser zum Beispiel nicht für Rumänen anpassen, also in die Zimmer keine Fernseher reinstellen oder Plastik-Fenster einsetzen, denn diese Leute kommen in unsere Gegend gerade deshalb, weil sie die Hotels im Prahova-Tal zum Beispiel meiden.

Und diese Gäste verzichten gänzlich auf Bequemlichkeit?

Fernseher und Plastik-Fenster sind keine Voraussetzung für Bequemlichkeit – die es dennoch gibt in den traditionell hergerichteten Stuben. Auf einen gewissen Komfort verzichten aber viele gern, die etwas erleben wollen, sei es auf den Touren durchs Gebirge, sei es bei den „Electric Campings“, die wir in Nächten mit Vollmond anbieten.
Das weitaus größere Problem für Siebenbürgen ist das Fehlen von Gewässern im Angebot. Weitere drei-vier Kurorte wie Salzburg/Onca Sibiului wären von großem Vorteil. Was ein Badeort ausmacht, ist am Beispiel von Reußdorf/Cund ersichtlich. Da gibt es einen Schwimmteich hinter dem hervorragenden Restaurant und selbst wenn das Dorf sehr isoliert liegt, sind die Gästehäuser besser ausgelastet als jene in den Dörfern, wo der Mihai-Eminescu-Trust schöne Gästehäuser eingerichtet hat. In Reußdorf ist kein Handy-Empfang und Internet, da kann man sich richtig erholen.

Was bieten Sie Wasser-Freunden an?

In Siebenbürgen Salzburg und als Ergänzung dazu einen Badeurlaub im Donaudelta, bei dem man aber wiederum nicht bloß am Strand liegt. Unser Angebot für Einzeltouristen oder Gruppen umfasst das Beobachten von Vögeln unter Anleitung des Ornithologen Tibi Tioc. Unterkunft bieten wir in Sfântu Gheorghe und Letea, von dort kann man Tagesausflüge mit Motorbooten zu Naturreservaten des Donaudeltas unternehmen.

Gibt es für Ihre Angebote noch Entwicklungsmöglichkeiten?

Die gibt es immer! Für 2015 bereiten wir zusammen mit Studenten der Lucian-Blaga-Universität, die uns bei allen Events freiwillig helfen, ein „Gastronomiejahr“ vor. Da sind wir noch auf der Suche nach einem Thema.