Tristes Schauspiel, groteske Darsteller, verwirrtes Publikum

Der PSD bleiben der Geist der Verfassung, der Rechtsstaat und die Amtswürde fremd

Symbolgrafik: pixabay.com

Rumäniens Sozialdemokratische Partei schreibt eindeutig Geschichte, aber das Blatt, das den Sturz der eigenen Regierung durch die Mehrheitskoalition festhält, ist kein ruhmreiches, sondern ein äußerst beschämendes. Dass der Machtkampf in der PSD zu einer derartigen Staatskrise führen konnte, war ohne Zweifel schwer vorherzusagen, obwohl sich rumänische Parteien immer wieder für peinliche Schauspiele verantwortlich zeigten. Im Kampf aller gegen alle, der so oft in diesem Lande wütet, spielten sie fast immer die Schlüsselrollen.
Jetzt aber hat es die PSD-Spitze in ihrer Verantwortungslosigkeit, in ihrem irren Glauben, dem Wahlgewinner werde alles vergeben, in ihrem würdelosen Geschacher um die Regierung weit, zu weit getrieben. An der Dâmboviţa ist die giftige Mischung zwischen den politischen Verhaltensmustern der 500 Jahre währenden osmanisch-fanariotisch-balkanischen Epoche und jenen der knapp 50 Jahre langen kommunistischen Diktatur nicht zu erschüttern. Nicht die Intelligenz fehlt so manchem Darsteller dieser bewegten Tage, sondern der Anstand, der Tropfen Verantwortung, der Sinn für das Lächerliche, das Peinliche, das Würdelose, der Wunsch, dieses Lächerliche zu vermeiden. Um den Staat zu schützen, und das kurzfristig bekleidete Amt, die Institution, die man zufällig leitet. Also muss man sich als normaler Bürger wieder einmal fremdschämen, dieses Gefühl des Fremdschämens wird man hierzulande nie los. Man muss eben damit leben können.

Sicher, die Krise wird überwunden, in ein paar Tagen wird das Land eine andere Regierung haben. Vielleicht mit den alten Ministern der Grindeanu-Regierung, mit jenen traurigen Figuren wie den Damen Sevil Shhaideh, Carmen Dan und Olgu]a Vasilescu oder dem juristischen Akrobaten Tudorel Toader, der zunächst sein Amt nicht niederlegt, dann sein Unterschriftsrecht an den Staatssekretär delegiert und im Anschluss seine Kündigung einreicht. Aus Solidarität. Und sie nach dem Votum im Parlament zurücknimmt. Genau wie die anderen Herren und Damen Minister, von denen einige als treue PSD-Parlamentarier dem Misstrauensantrag gegen sie selbst zugestimmt haben.
In der Tat, so ist es: Erst stellt ein Gauner, zufäl-ligerweise gewesener Finanzminister der Ponta-Regierung, einen merkwürdigen Bericht zusammen, wonach die Regierung Mist gebaut hat. Dann entsteht daraus ein Misstrauensantrag der Mehrheitskoalition gegen die eigene Regierung. Dem stimmen die Minister in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder Senatoren zu, akzeptieren, dass sie unfähig sind und ersetzt werden müssen. Und dann nehmen sie ihre vor dem Misstrauensantrag eingereichten Kündigungen zurück, weil sie weitermachen wollen.

Ihr Amt hatten sie nur protesthalber niedergelegt, jetzt müssen sie zusehen, dass der Staatsbetrieb weiter läuft. Schade nur, dass der Misstrauensantrag angenommen wurde und dass die ganze Regierung entlassen ist. Sie könnten also weiter machen, nach der Fuchtel ihres geliebten Parteivorsitzenden tanzen, Gelder an das treue Parteigefolge verteilen, mit jedem Mittel versuchen, Antikorruptionsgesetze abzumildern und im Grunde so tun, als würden sie regieren. Das Wahlprogramm umsetzen. Buchstabengetreu. Selten zuvor sind der Geist der Verfassung, der rechtsstaatliche Gedanke, die institutionelle Loyalität derart missbraucht und umgedeutet worden wie zurzeit. Aber man kann nicht sagen, die PSD hätte die Bürger nicht vorgewarnt: Die Episode um die Eilverordnung Nr. 13 war der bittere Vorgeschmack.

Die Abtrünnigen Sorin Grindeanu, Victor Ponta und Co., die interessieren wohl keinen mehr. Sollte man vielleicht eine Träne vergießen, dass die politische Karriere so junger Politiker wie Grindeanu und Ponta (keiner ist 45) ein so abruptes Ende nimmt? Sind sie dem Obermafioso Dragnea vorzuziehen? In einem derart vergrämten Volk wie das rumänische nun mal ist, könnte es trotzdem schon manche geben, die diesem komischen Duo nachtrauern. An Absurdität ist die rumänische Gesellschaft manchmal kaum zu überbieten. Oder es könnte andere Minister geben. Gestellt von der zur Regierungskoalition mutierten Opposition PNL – PMP – UDMR, vielleicht auch mit Unterstützung der ALDE, wenn Călin Popescu Tăriceanu seinen Freund Liviu Dragnea fallen lässt. Vielleicht wäre nichts willkommener, als dass nun Staatspräsident Klaus Johannis den Sozialdemokraten und ihren Partnern mitteilt, mit der Regierung könne er sie nicht mehr betrauen, sie hätten gezeigt, wozu sie im Stande sind. Aber ein Kabinett der PNL, der PMP und des UDMR würde nichts als vorprogrammiertes Chaos, Dauerstreitigkeiten und Stillstand bedeuten. Wieso dann nicht vorgezogene Wahlen? Die sind immer einen Gedanken wert, Johannis hat vollkommen Recht.

Er sollte es soweit kommen lassen. Größer kann der Schaden kaum werden. Und dann darf das Volk sprechen, so verwirrt es auch ist. Oder schweigen, was es ja bereits seit so vielen Jahren im immer höheren Maße auch tut.
Wie dem auch sei, das Leben geht weiter. Dass hierzulande alles auf die leichte Schulter genommen wird, dass hier alles verhandelbar ist und dass alles auf den richtigen Preis reduziert werden kann, weiß ein jeder. Spätestens seit dem Franzosen Poincaré weiß es auch der Westen. Aber: Die rumänische Demokratie ist stark und langfristig beschädigt, der Parlamentarismus ist nur noch eine Karikatur, bei der größten Partei glaubt ein Möchte-Gern-Diktator, er könne mit Partei und Land machen, was er will. Für Klaus Johannis und für jene Teile der Justiz, die in den vergangenen Jahren für die Genesung der rumänischen Gesellschaft und für die Stärkung des Rechtsstaats gearbeitet haben, dürfte der Sommer sehr heiß werden. Richtig ungemütlich. Ausdauer und Verstand seien ihnen zu wünschen.