Über 100 Personen evakuiert

Wenn Kinder am ersten Schultag nach Hause kommen und das Haus nicht mehr da ist

Großaktion Zwangsräumung

Wohnen unter freiem Himmel
Fotos: die Verfasserin

Mehr als 100 Personen, davon viele Minderjährige und Behinderte, wurden am Montag aus ihren Häusern auf der Vulturilor-Straße, im dritten Bezirk Bukarests zwangsevakuiert. Das Gelände wurde im Jahr 2002 an Privateigentümer zurückerstattet. Nachdem der verpflichtende 5-jährige Mietvertrag mit den Eigentümern 2007 abgelaufen ist, haben diese das Gelände an eine norwegische Firma verkauft, die den Evakuierungsprozess eingeleitet hat. In 12 Jahren haben es die Lokalbehörden nicht geschafft, für die 25 Familien Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen. Die Behörden bieten nur eine vorläufige Unterkunft für sechs Monate in öffentlichen Gebäuden an, die im Besitz des Rathauses sind und in denen Männer und Frauen getrennt untergebracht werden. Die Menschen protestierten gegen die Zwangsräumung und lehnten diese Option ab. Die Familie zusammenzuhalten ist das Wichtigste für sie. Zahlreiche NGO, wie CERE Participare, die Organisation für Menschenrechte ActiveWatch und die gemeinsame Front für das Recht auf Wohnung, protestierten auch vor Ort und verlangen von den Behörden, endlich eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Laut Art.5, Gesetz 112/1995, ist es illegal, Menschen auf die Straße zu setzten, ohne eine Ersatzwohnung zur Verfügung zu stellen. Dabei befinden sich manche schon zum zweiten Mal in einer solchen Situation. So ist zum Beispiel eine Familie in die Vulturilor-Straße gezogen, nachdem vor ein paar Jahren Zwangsräumungen in den Straßen Buzeşti-Berzei stattgefunden haben. „Tausende leere Häuser, Tausende Menschen auf den Straßen. Wo ist da die Gerechtigkeit?“ fragen sich die Evakuierten, die mit Koffer und Matratzen die Nacht unter freiem Himmel verbringen mussten. Aus ihren breiten Spruchbändern und Übertreibungen spricht ihre tiefe Betroffenheit. Die Behörden bieten nicht wirklich eine Lösung an. Wichtige soziale Angelegenheit des Landes, auch auf höheren Etagen der Regierung, werden verdrängt und ignoriert. Präsident Traian Băsescu sagte während eines Treffens der PMP-Jugend, dass der Wunsch, ein Eigenheim zu besitzen, aus der kommunistischen Zeit herrührt und dass man eher nach einem Arbeitsplatz streben sollte.

Bei der Eröffnungsfeier des Schuljahrs sagte hingegen Premierminister Victor Ponta, er gehe davon aus, dass jedes Schulkind bereits ab der ersten Klasse ein Smartphone besitzt und weiß, wie man mit einem Computer umgeht. Die Wirklichkeit, in der die Sozialhilfebedürftigen leben, sieht aber anders aus. Die Kinder, die nach dem ersten Schultag auf die Vulturilor-Straße zurückkehrten und kein Dach mehr über dem Kopf hatten, besitzen kein Smartphone. Meist haben ihre Eltern Arbeitsplätze, sie können sich aber die Miete zu den üblichen Preisen der Hauptstadt nicht leisten. Es sind soziale Fälle, die sich nicht eine Wohnung „wünschen“, sondern in erster Linie ein Recht darauf haben.