Über den Einfall der Dichter

Der Autor Horst Samson an der West-Uni

Der Autor Horst Samson wird von Alina Baciu, der Leiterin des Deutschen Kulturzentrums Temeswar, vorgestellt.
Foto: Zoltán Pázmány

Temeswar - Nichts ist vorbei: Das Interesse für die rumäniendeutsche Literatur in der kommunistischen Epoche, für die Aktionsgruppe Banat und das von ihr hevorgerufene Literaturphänomen, das bekanntlich mit dem Nobelpreis für Herta Müller 2009 einen Höhepunkt erreichte, ist ungebrochen da.

Der aus dem Banat gebürtige deutsche Autor Horst Samson hielt auf Einladung des Deutschen Kulturzentrums Temeswar an der West-Uni einen Vortrag zur komplexen Problematik „Aktionsgruppe Banat“. Seine zum Großteil junge Zuhörerschaft bestand aus Studenten, Lehrkräften und Literaturliebhabern, die vornehmlich als Vertreter der Generationen nach der Wende dieses schöne Kapitel der modernen rumäniendeutschen Literatur nicht selbst miterlebt haben.

Der Mythos Aktionsgruppe Banat habe viele Seiten. So Horst Samson. Der Autor war bekanntlich kein Mitglied der Gruppe, gehörte jedoch mit Herta Müller, Balthasar Waitz, Helmuth Frauendorfer oder Rolf Bossert „als korrespondierendem Mitglied“ zum erweiterten Kreis.

In seinem Referat „Der Einfall der Dichter“, das der Autor selbstkritisch nur als „Randnotiz“ bezeichnet, lässt er sein Publikum, mal von Nostalgie, mal von kritischer Fragestellung getragen, nach zwei Jahrzehnten eine Fülle neuer Einblicke in das Innere des Banater deutschen Literaturgeschehens, der Aktionsgruppe Banat und des AMG-Literaturkreises erfahren.

Die letzte Epoche des Ceauşescu-Regimes, die der Autor selbst im Banat als Lehrer, Journalist und Lyriker erlebte, war, laut Samson, der seit seiner Aussiedlung 1987 in Deutschland lebt, auch die wohl fruchtbarste Epoche der modernen Banater und rumäniendeutschen Literatur, „die Stunde wunderbarer Bücher“, aber auch die der Zensur, des Schreibverbots, der Bespitzelung und Bedrohung durch die Securitate.

Hier ist der Ansatzpunkt, der auch heute noch unvermindert das Interesse des Publikums für einen derartigen Bericht erweckt: Samson, obwohl ein Zeitzeuge und Opfer zugleich, betrachtet das Geschehen auch wiederum mit einem wachsamen Auge von außen, mit dem kritischen Blick des Augenzeugen.

„Alle glauben, Zeugen der Zeit zu sein. Wer sind dann die Täter?“ –  es ist eine wichtige, geradezu existenzielle Frage für den Autor, die ihn nach eigener Aussage bis zum heutigen Tag beschäftigt. Viel davon ist nicht nur aus seinem und dem literarischen Werk der AB-Mitglieder zu erfahren, es kann auch direkt am Beispiel des Autors selbst miterlebt werden. Dokumentarisch belegt und nachzulesen ist es in seiner spät aber doch von CNSAS ausgehändigten 1000-seitigen Securitate-Akte, worin dem bespitzelten, mit Mord bedrohten Literaten vom rumänischen Geheimdienst für immer der Codename „Sandu“ angehängt wurde.

Schlussfolgernd: Es ist auch leicht verständlich und nachvollziehbar, dass den heute 58-jährigen und angesehenen Lyriker Horst Samson bei der Erinnerung an die Aktionsgruppe Banat und deren heute verstreuten Mitglieder, Mitstreiter und Nachläufer zwischen den Zeilen zuweilen auch eine Menge Nostalgie überkommt: „Ein schöner Wunsch ist, dass wir uns alle noch einmal treffen. Es wird jedoch schwerlich zustande kommen!“