Über die chamäleonartige Struktur des Schauspielers

Porträt der Schauspielerin Olimpia Melinte

Am 28. März wird es sich entscheiden, ob Olimpia Melinte diesmal einen Gopo-Preis gewinnt. Nominiert wurde sie bereits dafür.

In „Cannibal” spielte sie eine Doppelrolle: Alexandra und Nina. Ebenso im Kurzfilm „Draft 7”: eine Schauspielerin und ein Teenie. Die erste Rolle einer Mutter bekam sie im Kurzfilm „My Baby”. Ihre erste Komödie war „Selfie”. Olimpia Melinte zählt zurzeit zu den beliebtesten und meist gecasteten rumänischen Schauspielerinnen.

Die erste Erfahrung in einem Spielfilm kam mit der Rolle von Magda in „Cele ce plutesc” (Regie: Mircea Daneliuc). Olimpia Melinte gesteht, dass ihr Appetit auf die Filmbranche durch diese Rolle gekommen ist. Für diesen Film bekam sie eine doppelte Nominierung bei der Gopo-Preisverleihung 2010: als beste Schauspielerin und als „junge Hoffnung”. Melinte erinnert sich, dass sie beim Casting sehr entspannt war, weil sie nicht sehr vieles über den Film und ihre Rolle wusste. Heute sehnt sie sich nach dieser Naivität und Gelassenheit. An der Seite des renommierten Daneliuc konnte sie aber sehr viel lernen und somit ergaben sich neue Chancen für andere Projekte.

Olimpia Melinte ist eine der glücklichen Schauspielerinnen, die in internationalen Filmen gespielt haben. Ihr erster ausländischer Film: „Sette opere di misericordia” in der Regie von Gianluca und Massimiliano De Serio. Melinte war von der verschiedenen Vorgehensweise im Vergleich zu rumänischen Produktionen beeindruckt. Kein Zeitdruck, keine Hektik beim Dreh, viele Wiederholungen, bis alles perfekt ist. Es wurde großer Wert darauf gelegt, dass sich die ganze Crew kennenlernt und die Geschichte bespricht, dass Diskussionen und Gedankenaustausch kreativ in den Gesamtprozess eingegliedert werden. Für ihre Rolle wurde sie beim Bobbio-Filmfestival in Italien mit dem Preis für die beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Danach folgte „Cannibal” in der Regie von Manuel Martín Cuenca. Die Herausforderung, zwei Rollen gleichzeitig zu spielen, war natürlich groß. Der Film verlangte auch nicht unerhebliche physische Änderungen – lange, blonde Haare für die eine Rolle, kurze, dunkle Haare für die andere. Melinte musste 10 Kilo zunehmen und besuchte einen Massagekurs, was ihrer Rolle half, natürlicher zu wirken. Die Belohnung: Sie wurde für die spanischen Goya Awards nominiert, und zwar in der Kategorie „Revelation of the year” und bekam auch den Preis „Spanish Guild Award”.

Die größte Herausforderung war jedoch ihrer Meinung nach, in anderen Sprachen und in anderen Ländern zu spielen. Melinte betrachtet dies als Meilensteine ihrer Filmkarriere, aber auch ihres Lebens. Dazu gehört ebenso die Rolle im Kurzfilm „O lume nouă” (Regie: Luiza Pârvu), der in New York gefilmt wurde und auf wahren Geschehnissen beruht. Die Rolle einer Emigrantin, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Pennsylvanien reist, war eigentlich eine Begegnung mit dem Schicksal von Tausenden Rumänen, die aus ihrem Heimatland zogen, um sich auf eine Reise zu begeben, die ihr ganzes Leben verändern sollte.

Der 2015 fertiggestellte Spielfilm „Cel ales” in der Regie von Cristian Comeagă gab der jungen Schauspielerin die Chance, zwischen der Rolle einer 18-jährigen und der einer 30-jährigen reifen Frau zu pendeln. Für „Selfie” nahm Olimpia Melinte wieder 10 Kilo zu. Die Rolle von Roxana gab ihr die Möglichkeit, in die Haut der heutigen Generation von Jugendlichen zu schlüpfen und diese zum Lachen zu bringen. Teil II von „Selfie” wird ab Mai in den Kinos laufen, er soll noch spannender und witziger sein, verrät uns die junge Schauspielerin! Zu den Filmen, die noch nicht in den Kinos laufen, aber in Kürze auf der Leinwand gezeigt werden, zählen noch: „Perfect sănătos” (Regie: Anca Damian) und „Proiecte de trecut” (Regie: Andrei Zinca).

Olimpia spielte außerdem in „Killing Time” (Regie: Florin Piersic Jr.), in „Bucureşti Non-Stop” (Regie: Dan Chişu) und in „Planşa” von Andrei Gheorghe. Für diesen letztgenannten Spielfilm musste Melinte Fechten lernen. Der Film bekam vier Gopo-Nominierungen 2015, u. a. auch für die beste weibliche Hauptrolle, gespielt von Olimpia Melinte! Mit ihren 29 Jahren hat Melinte schon eine beneidenswerte Palette an Filmen. Es ist leicht zu verstehen, warum sie ihre Filmprojekte als eigene Kinder betrachtet und sich nicht für eine Lieblingsrolle entscheiden kann. Die größte Herausforderung für sie ist immer die nächste Rolle. Ausschlaggebend für das Annehmen eines neuen Projektes ist der Schwierigkeitsgrad der Rolle. Je schwerer diese ist, desto anziehender ist für sie die Rolle. Sie stimmt zu, wenn ihre Rolle das Publikum ändern könnte, wenn der Lebensgang der Gestalt einen Wendepunkt erfährt oder wenn es zur Identifizierung Figur-Zuschauer kommt.

Auch wenn ein neues Projekt einem Absturz in die Leere, ins Unbekannte ähneln mag, entspannt man sich nach jeder Probe, bis man mit der neuen Rolle in Einklang gerät. Denn das muss unbedingt geschehen: Nur wenn man die Rolle von allen Gesichtspunkten versteht, wenn man wie die Figur denkt, handelt und fühlt, dann wird man selber zur Figur und kann eine gute Leistung erbringen, so Melinte. Das ist das Magische und Schöne dieses Berufes. Man ändert seine Gangart, die Sprache, die Gestik, man lernt neue Sportarten, man wandelt sich physisch, man flieht für einige Zeit in ein paralleles Universum, das Universum der jeweiligen Figur. Melinte glaubt an die chamäleonartige Struktur des Schauspielers. Man könnte diese mit einer kontrollierten Schizophrenie vergleichen, meint Melinte. Ist das aber nicht etwa die schönste “Krankheit”?

Olimpia Melinte ist eine der wenigen rumänischen jungen Schauspielerinnen, die bereits viel Filmerfahrung gesammelt haben. Für die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler kommt es nach dem Uniabschluss hauptsächlich zu Theaterrollen. Olimpia wünscht sich zwar auch, an Theaterprojekten zu arbeiten, jedoch muss sie gestehen, dass der Film für sie sehr lange Zeit an erster Stelle war und ihr viele einmalige Momente geschenkt hat. Dennoch bedeuten diese Projekte keine Garantie zur Unsterblichkeit in der Filmindustrie.

Der eine oder andere mag bekannt sein, weil die Filme auf berühmten Festivals projiziert wurden, aber eigentlich herrscht ein fortlaufender, ununterbrochener Kampf. Sowohl die Filmbranche, als auch das Theater sind laut Melinte schwer zugänglich für junge Schauspieler. Viele geben es auf, schauen sich nach einem anderen Beruf um, weil sie es als Freischaffende nicht schaffen. An der Hochschule „George Enescu” in Jassy/Iaşi, wo sie nach dem Studium auch einen Masterstudiengang abgeschlossen hat, war sie in einer Gruppe von insgesamt 13 Studierenden, von denen lediglich vier tatsächlich als Schauspieler leben und nur ein einziger fest angestellt ist. In Bukarest, an der Universität für Theater und Film, gibt es jährlich dreimal mehr Absolventinnen und Absolventen.

Man könnte also meinen, Olimpia Melinte habe nur für ihre Karriere Zeit und lebe nur am Drehort. Aber so ist es keinesfalls. Sie zerstört diese Klischees und beweist Gleichgewicht und Harmonie zwischen beruflichem und privatem Leben. Melinte ist die Mutter eines fast anderthalb Jahre alten Jungen, Sasha, nach dem sie verständlicherweise ihr ganzes Programm richtet. Für sie ist die Familie eine große Freude und eine Stütze, wenn es manchmal schwierigere Momente im Leben gibt. Olimpia Melinte charakterisiert sich selber als Schauspielerin, als Reisende durch die Welt und das Leben, als Verliebte in Kunst und Freiheit. Dieses Jahr wurde sie erneut für die Gopo-Preise nominiert, dieses Mal für ihre Rolle als Jeni im Film „Bucureşti Non-Stop”. Wir drücken ihr die Daumen und warten gespannt auf neue Projekte.