Umstrittener Abwerbeversuch

Webseite des deutschen Bundesbildungsministeriums sorgt für Ärger

Eigentlich hatten es die Experten des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft nur gut gemeint mit ihrer Website „anerkennung-in-deutschland.de“. Darauf informiert das Ministerium in acht Sprachen darüber, wie ausländische Berufs- und Hochschulabschlüsse in Deutschland anerkannt werden können: Was muss ein rumänischer Zahnarzt tun, um in Deutschland praktizieren zu können? Kann ein ungarischer Koch in Deutschland mit seinem Berufsschulabschluss punkten? Darf ein bulgarischer Bauingenieur mit seinem Abschluss zwischen Flensburg und Bodensee so ohne Weiteres einen Job annehmen? Klingt nach guter Service-Leistung – und sorgt dennoch in den betroffenen Ländern für ziemlich viel Verärgerung. Beispiel Rumänien: Hier haben nämlich bereits über zwei Millionen Bürgerinnen und Bürgern das Land verlassen, um in westlichen EU-Ländern besser bezahlte Jobs anzunehmen; das Land blutet personell so ganz allmählich aus. Dass dabei ausgerechnet auch noch das deutsche Bundesbildungsministerium mit seiner Website nachhilft, will vielen Unternehmern vor Ort nicht in den Kopf: Sie sind stinksauer. „Besonders die Schüler, die an einer deutschen Schule waren…naja, selbstverständlich denken wir an Deutschland – und ans Ausland.“ Sandra Pop studiert in Temeswar/Timişoara Medizin. Auch sie denkt über einen Job in Deutschland nach: „Es ist besser. Finanziell. Dort. Die Systeme funktionieren besser dort, im Unterschied zu Rumänien, wo alles ein bisschen problematisch ist, auch Bildung, auch Medizin, alles….“

Aderlass an Arbeitskräften

Nicht weniger als zwei Millionen Rumäninnen und Rumänen, vom ungelernten Hilfsarbeiter bis hin zum Ingenieur und zum Uni-Professor, haben in den vergangenen Jahren ihre Heimat verlassen, um in Westeuropa zu arbeiten – ein beispielloser Aderlass an Arbeitskräften. Und nun auch noch das.
„Aţi absolvit o formare profesională în străinătate şi vreţi să lucraţi în profesia Dvs. în Germania?” So steht´s auf einer Website im Internet auf Rumänisch, also: „Sie haben eine Ausbildung im Ausland gemacht und möchten nun in Deutschland in Ihrem Beruf arbeiten?” und weiter: „Dann können Sie auf Wunsch Ihren Titel anerkennen lassen. ”
„Recunoaştere in Germania” heißt diese Website. Zu Deutsch: Anerkennung in Deutschland. Herausgeber: Das Bundesbildungsministerium in Berlin. Auf der Seite wird ausführlich erklärt, ob und wie rumänische Berufs- und Hochschulabschlüsse in Deutschland anerkannt werden können. Toller Service, möchte man meinen. Aber: Vor Ort, in Rumänien, kommt das alles gar nicht gut an.
„Ja, sicher sind wir da nicht begeistert”, sagt Peter Hochmuth, Präsident des deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat in Temeswar, – eine Region, die seit Jahren wirtschaftlich boomt, in der sich besonders viele deutsche Investoren niedergelassen haben. Aber es fehlt vor allem an einem: an Fachkräften. „Arbeitslosigkeit existiert hier nicht. Im Gegenteil: Hier werden Arbeitskräfte verzweifelt gesucht. Die Unternehmen finden keine verfügbaren Leute mehr.”

Deutschland fällt Deutschen in den Rücken

Vor diesem Hintergrund empfinden gerade deutsche Investoren die Web-Kampagne des Berliner Bundesbildungsministeriums als wenig hilfreich. Denn dadurch würden noch mehr Fachkräfte, als ohnehin schon, ermutigt, nach Deutschland zu gehen.  “Ich finde das nicht nur eine überflüssige Aktion, ich finde sie auch extrem negativ.“ So Alfred Barth, Unternehmer aus dem oberschwäbischen Biberach. Er betreibt schon seit Mitte der 1990er Jahre eine Fabrik für Metallverarbeitung am Südrand von Temeswar. Die Info-Plattform  „Anerkennung-in-Deutschland.de“, so seine Kritik, spreche vor allem jene Fachkräfte an, die in den Betrieben deutscher Investoren ausgebildet worden sind. „Die Aus- und Fortbildungen, die wir hier machen, sind umfassend. Wir bezahlen die Lehrer. Wir bezahlen den Schülern ein volles Gehalt – kein Lehrlingsgehalt, sondern ein volles Gehalt! – damit wir die überhaupt haben. Und wenn sie dann soweit sind, dann tut es immer weh, wenn diese jungen Leute weggehen. Und leider ist es so, dass die wenigsten wieder kommen.“
Wenn das Bundesbildungsministerium diesen Trend durch seine Info-Kampagne noch verstärkt, falle die Bundesregierung ausgerechnet den deutschen Investoren in Rumänien in den Rücken.

Ein Ministeriumssprecher in Berlin weist die Vorwürfe zurück. Die Kampagne richte sich zwar durchaus an junge Zuwanderer, gesteht er ein. Es gehe aber ausschließlich um Informationen zur Anerkennung der Berufsabschlüsse, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme: „Dabei hat das Bundesbildungsministerium ausschließlich Personen im Blick, die sich bereits entschieden haben, nach Deutschland auszuwandern. Ihre Chancen, möglichst rasch eine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung zu finden, sollen gesteigert werden. Es ist somit dezidiert nicht das Ziel des Portals, Fachkräfte anzuwerben.“ Oder abzuwerben? Das ist allerdings für die Unternehmen vor Ort ein schwacher Trost: Mag die Info-Kampagne auch nicht dezidiert das Ziel haben, Fachkräfte anzuwerben – sie stellt eben genau dafür einen weiteren Anreiz dar. Folge: Eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels. Medizinstudentin Sandra Pop: „Man verliert selbstverständlich Ärzte, man verliert ‚forţă de muncă“, Arbeitskräfte, nicht nur in diesem Bereich, sondern in allen Bereichen. Alle gehen weg. Sie folgen den finanziellen Verlockungen.“