Unermüdlich unterwegs

Der Alzener Ştefan Vaida bemüht sich um Erhalt und Pflege von Bauwerken und Kulturgütern im Harbachtal

Nach vier Jahren Bauzeit richtete Vaida (2. v.r.) 2010 eine Weberwerkstatt im Alzener Gerendi-Haus ein.

Die Scheune am Rübengraben soll ein Teil des geplanten Museums werden.

Ştefan Vaida (2. v.l.) und zwei Pfadfinder erklären Christian Habermann (3. v.l.) von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung die Veränderungen auf dem Pfarrgelände in Leschkirch.
Fotos: Holger Wermke

Kaum jemand kennt das Harbachtal/Valea Hârtibaciului so gut wie Ştefan Vaida und kaum jemand ist im Harbachtal so bekannt wie er. In seiner Jugend war der junge Alzener mit dem Rad unterwegs durch die Dörfer – auf der Suche nach Objekten für seine Sammlung. Heute ist er mit dem Auto unterwegs, um Kirchenburgen und Pfarrhäuser zu restaurieren, altes Handwerk zu erhalten oder um bei Festen die traditionellen Lieder der Region zu singen.

Haferland nannten die sächsischen Bewohner einst das Harbachtal, wo wegen des armen Bodens außer Hanf und Hafer nicht viel wuchs. Heute dominieren ausgedehnte Weiden und kleine Maisfelder das Bild der hügeligen Landschaft zwischen Hermannstadt/Sibiu und Schäßburg/Sighişoara. Die meisten sächsischen Bewohner haben ihre Dörfer längst verlassen, an ihrer Stelle sind Rumänen und Roma in die Häuser gezogen.

So auch in Alzen/Alţâna, einem stattlichen Dorf auf halber Strecke zwischen Hermannstadt und Agnetheln/Agnita. Bei der Fahrt durch das Dorf kann man gar nicht umhin, dass der Blick auf das leuchtendblaue Haus in der Dorfmitte fällt, gegenüber den neu errichten Roma-Villen auf der anderen Straßenseite. An dieser Stelle prallen zwei Welten aufeinander, die gegensätzlicher nicht sein könnten und die das „quijoteske“ Bemühen eines jungen Alzeners widerspiegelt, die ererbte  Kultur der Harbachtal-Bewohner zu pflegen und zu bewahren.

Webwerkstatt im Gerendi-Haus

Das Gerendi- oder Gorres-Haus in Alzen ist ein Projekt, bei dem [tefan Vaida für sein Engagement belohnt wurde. Dank der Unterstützung großzügiger Geldgeber konnte er das 1508 errichtete Gebäude sanieren und eine Webwerkstatt für die Kinder des Dorfes einrichten. Fünf bis sechs Mädchen lernten derzeit hier an Webstühlen weben – wie in Großelterns Zeiten, freut er sich – betreut von einer Lehrerin, die der Verein „Mioritics“ finanziert. 

Ungeachtet dieses Erfolges muss Vaida untätig zusehen, wie sich die Dorfbilder im Harbachtal verändern, wie traditionelle Häuser im besten Fall modernisiert oder schlimmer, abgerissen werden, um Gebäuden Platz zu machen, die dem Geist der modernen Zeit entsprechen. Gibt es in solch einem Umfeld noch Platz für einen Restaurator? Kreativ muss man sein, so Vaida, das habe er in den vergangenen Jahren gelernt. Er wolle das Alte erhalten und behutsam sanieren und kann doch nur eingreifen, wenn er sich selbst Projekte ausdenkt oder andere Menschen für seine Ideen begeistern kann. Privataufträge gibt es für einen Restaurator kaum in dieser Region, bedauert er.

So verwundert es nicht, wenn er von seinen „Sommerplänen“ erzählt. Fünfmal wird er ab Juni mit dem Fahrrad in Richtung Bukowina aufbrechen und dabei Touristen das Land zeigen. Seit drei Jahren begleitet er für einen deutschen Reiseveranstalter die 12-tägigen Touren und erarbeitet sich Spielraum für seine privaten Vorhaben. Erst kürzlich entschloss er sich, im Sommer geplante Restaurierungsaufträge abzusagen und sich Zeit zu nehmen für ein Herzensanliegen: Im kommenden Jahr möchte er ein „Museum“ für seine Sammlung einrichten.

Ein Museum für die Privatsammlung

Mit 13 Jahren habe er angefangen, das Harbachtal auf dem Fahrrad zu durchstreifen, erzählt Vaida. Sein zwei Jahre älterer Bruder war leidenschaftlicher Sammler alter Dinge, die es Anfang der 90er Jahre in vielen Dörfern zu entdecken gab. Eine Schatzkammer sei das Dorf Sachsenhausen/Săsăuşi gewesen, erinnert er sich. Viele der Bewohner hätten den beiden alte Haushaltsgegenstände, Möbel und andere historische Dinge gegeben, die auf den Höfen niemand mehr für wertvoll erachtete. Ihre größten Konkurrenten seien damals die Zeltzigeuner (corturari) gewesen, die einen schwungvollen Handel mit Antiquitäten betrieben.

Erstmals machte er die Erfahrung, dass in der Region die persönlichen Kontakte manchmal mehr zählen als Geld. Der Name Vaida ist ein Begriff im Harbachtal, zumindest in jenen Dörfern, wo Vater Vaida als Sportlehrer unterrichtete. Zusammen trugen die Brüder etwa 1500 Objekte zusammen, die jetzt auf dem elterlichen Hof in Alzen lagern. Unter den Stücken finden sich Raritäten und Kuriositäten, welche die Vielfalt der Ethnien und Kulturen im Harbachtal abbilden: In Holzmengen/Hosman fand Vaida die Reste des mittelalterlichen Taufbeckens der evangelischen Kirche, das ein Nachbar als Wassertrog für seine Hühner verwendete.

In Leschkirch entdeckte er ein Hausopfer, eine weibliche Figur aus Sandstein, das Mitte des 18. Jahrhunderts in der Kellerwand eines sächsischen Hauses eingemauert worden war und beim Abriss des Hauses zum Vorschein kam. Ein Alzener Bauer wiederum fand bei Feldarbeiten Werkzeuge und Steinäxte, die laut Vaida aus der Steinzeit stammen. Zur Sammlung gehören neben rumänischen Trachten ein Silberbecher, der aus der Mitgift einer Roma-Hochzeit stammt oder ein ungarischer Ledergürtel.

Einfach, traditionell  und lokal

Unterbringen möchte er die Sammlung in einem alten Bauernhaus am „Riepengruawen“, wie die Alzener Sachsen den Rübengraben nennen. An dieser Stelle erzählt er von einer Episode, als der Architekt des Mihai-Eminescu-Trust, Jan Hülsemann, den Standort des geplanten Museums besichtigte. Der junge Restaurator erhoffte sich Ratschläge vom Fachmann für die Sanierung des Hauses, doch dieser meinte lediglich: „Du bist noch jung, mach´ die Risse in der Fassade zu und erfreue dich an dem Haus“.

Für Vaida war diese Erfahrung ernüchternd. In seinem Studium an der Hermannstädter Lucian-Blaga-Universität hatte er eine andere Philosophie vermittelt bekommen. Möglichst umfassend wollte er restaurieren, eine dauerhafte Sanierung durchführen. „Von den Engländern habe ich sehr viel gelernt“, berichtet er. Der vorwiegend aus englischen Spendengeldern finanzierte Trust führt in verschiedenen Dörfern Südsiebenbürgens Restaurierungsprojekte durch.

„Die Mitarbeiter des MET verfolgen einen einfachen, traditionellen und lokalen Ansatz“, so Vaida, eine Sichtweise, die er sich mittlerweile ebenfalls zu eigen gemacht hat. Er habe gelernt, dass Sanieren kein abgeschlossener Prozess ist, sondern eine permanente Aufgabe. Und dass diese Aufgabe möglichst mit lokalen Arbeitern durchgeführt werden sollte und nicht von Unternehmen ohne ideellen Bezug zum Dorf, dem Bauerbe und den Bewohnern.

Ernüchterung statt Wertschätzung

Dasselbe versuchte er zuletzt in Leschkirch/Nocrich, dem Geburtsort von Samuel von Brukenthal, dem einstigen habsburgischen Gouverneur von Siebenbürgen. Mit finanzieller Unterstützung der Heimatortsgemeinschaft restaurierte er hier mit lokalen Helfern zwei Wehrtürme der Kirchenburg.

Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung finanzierte den Ausbau des Pfarrhauses zum Sitz des Rumänischen Pfadfinderverbandes. Jüngst erst besichtigte Stiftungsvorsitzender Christian Habermann das Haus, um sich von den Fortschritten zu überzeugen. Habermann schien zufrieden mit der Arbeit, welche die Pfadfinder – und nicht zuletzt auch Vaida, der die Arbeiten koordinierte – geleistet haben. „Ştefan e un băiat capabil“ (Stefan ist ein fähiger Bursche) lobte dieser den jungen Alzener. 

Nicht immer werde sein Einsatz für den Erhalt gerade des sächsischen Kulturerbes wertgeschätzt, bedauert Vaida. In seinem Heimatdorf droht die Ringmauer der Kirchenburg unter seinen Augen einzustürzen, doch bislang gelang es ihm nicht, Spender für die notwendigen Reparaturen zu gewinnen. Seit seiner Kindheit prägt die evangelische Kirche sein Leben, meint er, der selbst orthodox ist, aber öfter in evangelischen Gottesdiensten anzutreffen als in jenen seiner „Heimatkirche“.

„Meine ersten Sprachen waren Rumänisch und Sächsisch“, versucht er das Paradoxon aufzuklären. Unter der Obhut seiner sächsischen Tagesmutter kam er früh in den Kontakt mit der evangelischen Gemeinde. Stark geprägt habe ihn auch seine zweite „Mutter“, Rosi Müller. „Sie hat mich als Lehrerin immer mehr gefördert, als es notwendig war“, erzählt er dankbar. Ihr Engagement für Menschen und ihr Dienst für die Gemeinschaft seien für ihn ein Vorbild. So zumindest erklärt er sich sein Engagement für die Menschen, die Kulturen und die Traditionen im Harbachtal – ohne Berührungsängste und ethnische Scheuklappen.

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Sächsisch-ungarisch-rumänische Interferenzen

Neben seinen diversen Aktivitäten betätigt sich Vaida nebenbei als Sammler alter rumänischer Worte im Harbachtal. Der Wortschatz der Alten zeuge von einer Zeit intensiven Zusammenlebens mit den anderen Ethnien in der Region, so Vaida. Rund 250 Wörter umfasst seine Liste mit Wörtern, die heute immer weniger benutzt werden. Etwa 40 Prozent davon stammen aus dem Ungarischen, weitere 40 Prozent aus dem Deutschen, beispielsweise glajă (Glas), drot (Draht), şnelţu (Schnellzug) oder ţâdulă   (Zettel).

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Seine Lieblingsdörfer im Harbachtal

Angesichts der allerorts voranschreitenden Veränderungen schlägt das Herz von Ştefan Vaida vor allem für die wenig berührten, abseits der Hauptstraße liegenden Dörfer. Zu den schönsten zählt er Sachsenhausen/Săsăuşi, wo er die ersten Objekte für seine Harbachtal-Sammlung fand. Besonders im Dorf sei zudem, dass sich hier die Tracht der südsiebenbürgischen Rumänen sehr gut erhalten habe. Ein zweites Dorf, das es ihm angetan hat, ist Denndorf/Daia bei Schäßburg/Sighişoara. Das abgelegene Dorf hat in den vergangenen Jahren viele Einwohner verloren, aber gerade dadurch seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Laut Vaida ist es eines der wenigen Dörfer, in denen die alten sächsischen Gehöfte so gut wie unverändert sind.