Universitäre Forschung und Regierungsmaßnahmen

Die Reformen im Bildungssystem bedrohen die Freiheit der Lehre

Am 23. April 2017 fanden in der ganzen Welt, auch in Rumänien, Demonstrationen zur Unterstützung der Forschung statt. Unterstrichen wurde sowohl in Washington als auch in vielen europäischen Städten, auch in der Universitätsstadt Klausenburg/Cluj, die Rolle der wissenschaftlichen Forschung für den Fortschritt der Menschheit sowie ihre Rolle für den Wohlstand, dessen sich die Menschen in einem großen Teil der euroatlantischen Welt erfreuen.
Jedenfalls eins ist unbestreitbar und mit Fakten beweisbar: Die Wissenschaft ist es, die den Fortschritt der Menschheit gebracht hat, sie ist es, die dazu geführt hat, dass auf einem großen Teil der Erdkugel keine Hungersnot mehr wütet (und man ist guter Hoffnung, dass dies in Zukunft auch in Afrika geschieht und die Politik die Anwendung der Resultate der Forschung auch möglich macht), dass die Blattern und andere infektiöse Krankheiten nicht mehr einen großen Teil der Kinder frühzeitig wegraffen (interessant ist hier die Haltung verschiedener Personen und Organisationen, die religiösen Institutionen nahestehen und die Rolle der Kinderimpfung aggressiv verneinen oder sogar verhindern wollen), ebenso dass es genug Nahrung in den Kaufläden gibt oder dass der Mensch Verteidigungssysteme zur Abwehr von Aggressionen entwickelt hat (die er leider auch durchzuführen hat) oder auch den Weltraum erforscht usw.

Und was geschieht bei uns? Obwohl es seit mehreren Jahrhunderten und besonders im letzten Jahrhundert erwiesen ist, dass die Universitäten tonangebend sind, wenn es um Forschung geht, und obwohl es erwiesen ist, dass in den europäischen Ländern, die einen entscheidenden Beitrag zur Gestaltung der menschlichen Gesellschaft verzeichnen können, die Universitäten durch ihre Forschung und Institute eine entscheidende Rolle gespielt haben, trennt die Grindeanu-Regierung Bildung von Forschung und gründet ein neues Ministerium, geleitet von einem Fachmann in Atomenergie und Leiter der PSD-Filiale Argeş. Bis hierher ist alles gut. Das ist auch woanders noch geschehen.
Diese Trennung lässt uns jedoch vermuten, dass es eigentlich um den Zugang zu den finanziellen Ressourcen geht und nicht um die Forschung an sich. Kurz nach seiner Ernennung hat der neue Minister auch schon seine Philosophie bekannt gemacht, nach der die Forschung in Forschungsinstituten vorzunehmen sei. Es war ein erstes Zeichen, dass die PSD-Offensive, die totale Macht in allen Bereichen zu ergattern, auch in diesem Bereich durchgesetzt wird. Durch Akademie-Institute und das staatlich regulierte Verteilen der Forschungsmittel erhalten nur die „Staatsdiener“ Zugang. Interessant ist die Rolle, die hier die Akademie der Wissenschaftler (Academia Oamenilor de Ştiinţă) spielt, die auch über Staatsgelder verfügt, der Forschungsminister ist ebenfalls Mitglied. Diese ist aber nicht mit der Rumänischen Akademie zu verwechseln.

Die neue Philosophie der Forschung wird also brutal verändert. Durch vier Ministerverordnungen setzt der neue Forschungsminister (delegiert hat er diese Rolle schon in der Adrian-Năstase-Regierung gespielt) die Entscheidungen des Ministers Mircea Dumitru außer Kraft (schon dies ist ein Zeichen total mangelnder Seriosität, dass nach kaum einem halben Jahr Regierungsentscheidungen so schnell geändert werden) und veröffentlicht die Regelungen, nach denen die Nationale Ethikkommission für wissenschaftliche Forschung, technologische Erneuerung und Innovation arbeiten wird. Schon der Name dieser Kommission sagt aus, dass hier nichts geschehen wird. Ebenso wurden Regelungen erlassen für die Beratungsgremien für Forschung, Entwicklung und Innovation und deren Mitglieder – den Nationalen Rat für wissenschaftliche Forschung und seine Mitglieder, sowie für den Nationalen Rat für Technologietransfer und Innovation und dessen Mitglieder. Abgesehen davon, dass sich auch die Kommissionen hier etwas überlappen, ist es interessant, wen das Ministerium zu Mitgliedern dieser Räte ernannt hat und von welchen Forschungseinrichtungen diese Personen kommen. Spannend ist die Tatsache, dass die meisten Mitglieder dieser Kommissionen von drei Universitäten stammen: die Technische Universität Bukarest, eine Topuniversität in Rumänien (vier Mitglieder insge-samt), die Universität Dunărea de Jos Galatz/Galaţi (ebenso 4) und die Universität Stefan cel Mare Suceava (4).

Die letzten beiden befinden sich eher auf der unteren Mitte aller Universitätsrankings. Die Universitäten Jassy/Iaşi, Temeswar/Timişoara, Bukarest und Karlsburg/Alba-Iulia haben je zwei Mitglieder in all diesen Kommissionen. Und jetzt kommt die große Überraschung: Die Babeş-Bolyai-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca, die im Megaranking des Bildungsministeriums am Ende des Jahre 2016 als bestsituierte rumänische Universität in den internationalen Rankings hervorgegangen ist (siehe hierzu https://www.edu.ro/sites/default/files/_fi%C8%99iere/Invatamant-Superior/2016/asigurarea%20calitatii/Metarankingul%20Universitar%20-%202016%20-%20Final.pdf) entsendet sage und schreibe ein einziges Mitglied. Offensichtlich ist man in Bukarest darüber nicht glücklich, die beste Universität Rumäniens ausgerechnet in Klausenburg zu haben. Hinzu kommt, dass diese Universität die einzige dreisprachige Universität in diesem Raum ist, was ihr ohnehin eine hohe Sichtbarkeit bringt. Somit wird versucht, über administrative Maßnahmen ihre Rolle in den Ministeriumsgremien zu mindern. Eine Randnotiz: In einer englischsprachigen Zeitschrift ist ein neues Ranking veröffentlicht worden, in dem die Technische Universität Bukarest an erster Stelle erscheint, doch es wurden nicht die Kriterien genannt, nach denen diese Klassifizierung vorgenommen wurde; siehe https://reporttoday.net/

Was kann man nun schlussfolgern:
1. Die Aktion der Regierungskoalition, ausnahmslos alle finanziellen Ressourcen zu kontrollieren, sind voll im Gang.
2. Dies wird zur Folge haben, dass Hochschulunterricht und Forschung getrennt finanziert und nicht frei stattfinden werden. Die akademische Freiheit und Autonomie der Universitäten wird von Parteiloyalität bedingt.
3. Den Universitäten wird ein guter Teil der Finanzierung entzogen. Auch ihre Möglichkeit, Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, wird demnach eingeschränkt. Hier wird der lange Arm der Regierungsphilosophie der PSD/ALDE-Koalition sichtbar. Die Erfahrung mit den Demonstrationen gegen die Dringlichkeitsverordnung 13 vom Jahresanfang hat gezeigt, dass dieser Regierungsstil seinen Hauptgegner in der akademischen Jugend hat. Diese hat ihrerseits die Kraft, auch andere Kräfte zugunsten des Rechtsstaates zu mobilisieren.

4. Für Universitäten wie die Babe{-Bolyai-Universität bleiben einige Möglichkeiten: europäische Gelder und Projekte sowie die Finanzierung durch die Wirtschaft – hier leistet die Babe{-Bolyai-Universität in Rumänien bereits Pionierarbeit. Die vielleicht wichtigsten Schritte sind die interne Reform in Lehre, Forschung und Verwaltung sowie höhere Standards bei der Anstellung junger Wissenschaftler und Lehrender, sodass wir in den nächsten zehn Jahren über ein ausgezeichnetes Lehrer- und Forschungsteam verfügen und höhere Standards bei der Anstellung von Verwaltungskräften, die den Sinn universitärer Lehre und Forschung verstehen und fördern, anwenden.
5. Nicht unbedeutend ist die Kooperation mit der Stadtverwaltung. Die Attraktivität der Stadt, in der nach neuesten Kenntnissen als Ausnahmefall in fast ganz Rumänien die Zahl der Geburten die der Sterbefälle übersteigt und mehr Menschen zu- als abwandern, ist in großem Maße den Universitäten der Stadt zu verdanken.