Vereint gegen Chevron: zu Besuch bei den Bauern in Pungeşti

Interview mit Christian Harfmann, österreichischer Umweltaktivist, der den Widerstand gegen die Schiefergasförderung in der Moldau unterstützt

Christian Harfmann ist gebürtiger Österreicher, er hat Rumänien im Rahmen einer Hilfsaktion vor 13 Jahren erstmals besucht und sich, wie er selbst sagt, sofort in das Land verliebt. Er betreibt mittlerweile ein Tourismusunternehmen mit Sitz in Deutschland und Österreich, das im Laufe der Jahre mehreren Tausend Gästen das faszinierende Reiseland Rumänien näher gebracht hat. So war es für ihn nur folgerichtig, dass er 2008 zwei siebenbürgische Bauernhäuser kaufte und zu Ferienhäusern umgebaut hat. Er besitzt außerdem eine Obstfarm in Reußdorf/Cund, Kreis Mureş, und verbringt einen großen Teil des Jahres im Land. Er unterstützt weitere verschiedene touristische und landwirtschaftliche Projekte, nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Foto: Ioana Pascu

Herr Harfmann, Sie haben vor einigen Tagen Pungeşti besucht, das Dorf, das sich gegen die Explorationsarbeiten in Sachen Schiefergas des Chevron-Konzerns wehrt. Wie war die Stimmung vor Ort?

Nach zwei Polizeikontrollen gleich bei der Ortseinfahrt wurden wir von Bauern sehr herzlich empfangen, wir bekamen Unterkunft in einem kleinen, einfachen Häuschen und eine erste Einführung über die Ereignisse der letzten Monate. Nach den großen Protesten am vergangenen Wochenende gegen die Chevron-Schiefergas-Sonde und den zahlreichen darauf folgenden Polizei- und Gendarmerieeinsätzen befindet sich die Region nach wie vor im Ausnahmezustand, ein normales Bewegen in der Zone ist praktisch unmöglich. Es wurden Geschäfte und eine Bar geschlossen, Aktivisten inhaftiert, die Menschen eingeschüchtert und in ihrem Alltag erheblich behindert.

Sie waren mit zwei weiteren Aktivisten vor Ort, warum eigentlich?

Ich war gemeinsam mit Alexander Eickhoff aus München und Monica Popovici aus Schäßburg in Pungeşti. Nachdem ich im Sommer dieses Jahres, genau wie Willy Schuster, von den Gassondierungen in Siebenbürgen persönlich betroffen war, versuche ich, die  Widerstandsbewegung gegen Schiefergasförderung in Rumänien, die sich um den Biobauern aus Meschen formiert hat, nach besten Kräften zu unterstützen und vor allem für Solidarität aus dem Ausland zu werben. Nachdem die Aktivitäten der Gaskonzerne sich nicht auf Siebenbürgen beschränken, wollten wir mit eigenen Augen sehen, was da in der fernen Moldau im Entstehen war. Alexander Eickhoff und ich kannten uns nur aus dem Internet und sammelten unabhängig voneinander in Deutschland und Österreich Hilfe für die Menschen aus Pungeşti, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg machten, um diese direkt vor Ort abzuliefern.

Was genau passiert da gerade in Pungeşti? Wie weit ist Chevron mit den Arbeiten und welche Rolle spielt die Gendarmerie?

Nach monatelangem Tauziehen hat Chevron grünes Licht aus Bukarest bekommen, die erste Fracking-Sonde Rumäniens aufzustellen. In einer Nacht- und Nebelaktion hat man am 2. Dezember um vier Uhr morgens begonnen, das Widerstandslager aufzulösen, die Menschen in ihren Häusern zu überfallen und mit etwa 1000 Gendarmen eine Atmosphäre der Repression zu erzeugen, die man so in einem EU-Staat für undenkbar halten würde. Der US-Gaskonzern hat mit den Bauarbeiten des Auffangbeckens für den giftigen Chemikalien-Cocktail begonnen und jeden Tag erwartet man die Anlieferung der Fördersonde. Meinem Verständnis eines Rechtsstaates widerspricht es völlig, dass die Investitionen eines ausländischen Konzernes durch Militärpolizei gegen die Interessen und den Willen des Volkes erzwungen werden sollen.

Wie war der Eindruck vor Ort, ist der polizeiliche Einsatz angemessen?

Wie kann es angemessen sein, dass eine Armee von Ordnungshütern jeden Schritt der Dorfbewohner und Aktivisten überwacht, friedliche Einwohner verprügelt und unter Druck setzt, die Region – nur für die wirtschaftlichen Interessen eines privaten Konzerns – in einen kriegsähnlichen Belagerungszustand versetzt? Wir als Ausländer hatten wenigstens den Vorteil, von den Gendarmen halbwegs zivilisiert behandelt zu werden, die Dorfbewohner erzählten aber von unzähligen Übergriffen.


Konnten Sie einen Eindruck gewinnen von dem, was die Menschen vor Ort umtreibt? Wie groß ist die lokale und regionale Solidarität? Was ist Ihr Eindruck von der Haltung der rumäniendeutschen Minderheit zu diesem Thema?

Die Menschen in dieser ärmsten Region Rumäniens haben mich stark beeindruckt. Sie kämpfen wie David gegen Goliath um ihre bloße Existenz. Wenn Chevron ihre Trinkwasserversorgung gefährdet, so stirbt auch ihre Lebensgrundlage – die Landwirtschaft. Die Menschen helfen sich gegenseitig in dieser schwierigen Situation, manche haben tage- und wochenlang im Widerstandslager ausgeharrt, oft gemeinsam mit den orthodoxen Priestern und Umwelt-Aktivisten aus dem ganzen Land. Die rumäniendeutsche Minderheit ist auf die Gefahr der Schiefergas-Förderung vor allem durch die überwiegend illegal durchgeführten Erkundungen der Firma Prospecţiuni SA in Siebenbürgen aufmerksam geworden. Nachdem der in Meschen, Kreis Hermannstadt, wohnhafte Biobauer Willy Schuster mit dramatischen Aktionen auf die Übergriffe gegen Privateigentum und Menschenrechte aufmerksam gemacht hat, begannen auch die deutschsprachigen Medien sich dafür zu interessieren. Beispielhaft hat sich ebenfalls die Evangelische Landeskirche gegen die extrem umweltgefährdende Schiefergasförderung in Siebenbürgen ausgesprochen.

Sie sagen von sich, Teil der internationalen Unterstützerszene zu sein. Was sind Ihre Ziele und warum sollte Pungeşti und die Suche nach Schiefergas ein internationales Thema sein?

Was mir und vielen anderen nach und nach klar wurde ist, dass die Öl- und Gas-Konzerne unter Beihilfe der politischen Spitze nicht zufällig im Armenhaus Europas beginnen will, die sehr umstrittene Technik des Schiefergas-Frackings zu erproben. Die Menschen in Rumänien sind aufgrund ihrer kommunistischen Vergangenheit immer noch sehr leicht einzuschüchtern und nehmen ihre demokratischen Möglichkeiten noch kaum wahr. Der zu erwartende Widerstand in Rumänien wird also als deutlich geringer eingeschätzt als in den anderen Staaten Europas. Es ist zu vermuten, dass man über diesen Hintereingang Fracking in Europa salonfähig machen will. Was jetzt in der Moldau passiert, wird in wenigen Monaten in Siebenbürgen und kurz darauf in den nächsten Jahren auch in den alten EU-Mitgliedsstaaten Einzug halten.

Was genau konnten Sie vor Ort bewirken, was planen Sie für die Zukunft an Unterstützung?

Unsere wichtigste Mission sah ich darin, den Menschen die internationale Solidarität zu übermitteln. An eine politische Lösung aus Bukarest glaubt längst keiner mehr hier. Die Menschen haben nun nur noch Hoffnung, dass Brüssel und die internationale Gemeinschaft die Augen nicht länger verschließen wird. Darüber hinaus haben wir rasch organisierte Hilfsgüter wie Betten, warme Decken und Winterbekleidung an besonders bedürftige Familien übergeben und konnten auch noch eine kleine Geldsumme dalassen. Die finanzielle Hilfe soll vor allem dafür bestimmt sein, Anwälte zu bezahlen, welche die Bewohner gegen die für die dortigen Verhältnisse unverhältnismäßig hohen und meist auch völlig unbegründeten Strafanzeigen verteidigen sollen.

Wichtig war uns auch, direkt von den Betroffenen zu hören, wie sie sich konkrete Hilfe vorstellen, und was wir, die wir nicht direkt von der Situation betroffen sind, für sie tun könnten. „Für mich persönlich benötige ich nichts, wir haben zu essen, das produzieren wir alles selbst, wir haben Kleider, Holz zum Heizen. Wenn es gar nicht mehr geht, dann schlachten wir ein Kalb. Bitte helfen Sie nur, dass die Sonde nicht kommt, damit wir, unsere Kinder und auch die Tiere unsere Heimat nicht verlieren und überleben können“, sagte uns Mariana Moroşanu, eine der betroffenen Bäuerinnen, zum Abschied. Sie hat am Tag vor unserem Besuch auch ein neues Hilfskonto eingerichtet, sodass finanzielle Hilfe direkt und ohne Umwege den Menschen in Pungeşti zugute kommen kann.