Volkstum stiftend, fördernd und stärkend (I)

Die heimatkundlichen Beiträge der Karpatenrundschau

Der Historiker Michael Kroner war zwischen 1968 – 1978 in der Redaktion tätig und zuständig für die Heimatkunde.
Foto: KR-Archiv

Eine Chronik zum Geburtsjubiläum der Karpatenrundschau zu schreiben, ist für mich zugleich ein Stück meiner Biographie zu enthüllen, mehr noch, eine solche Aufzeichnung zeigt zugleich, wie die Karpatenrundschau bei mir einen nachhaltigen, entscheidenden Berufswechsel bewirkt hat. Wie es dazu kam? Bereits als Student während des Studiums der Geschichte an der Universität von Klausenburg hatte ich Verbindung mit der Redaktion der Kronstädter „Volkszeitung“ aufgenommen und 1957 und 1958 mehrere Beiträge mit Themen der Geschichte der Siebenbürger Sachsen in dem Wochenblatt veröffentlicht. Im Jahre 1958 wurde ich von der Redaktion aufgefordert, in einem Zeitungsbeitrag Stephan Ludwig Roth zu würdigen. Ich bin der Aufforderung gerne gefolgt, denn  das Lebenswerk dieses namhaften Siebenbürger Sachsen faszinierte mich schon immer ganz besonders und seine Persönlichkeit ist zu meinem Leitbild geworden. In der Volkszeitung erschien mein Beitrag über Leben und Werk Roths in vier Folgen. Es war dies nach dem politischen Machtwechsel in Rumänien am 23. August 1944 die erste umfangreiche Darstellung von Roths Leben und Werk. Es waren die Jahre, in denen seitens der neuen, unter sowjetischem Druck handelnden rumänischen Machthaber die Kultur und Geschichte der Rumäniendeutschen als faschistisch und reaktionär beurteilt wurde und deutsche Veröffentlichungen beargwöhnt und zum Teil verboten wurden. Deutsche Bücher wurden kaum gedruckt und die Schullehrbücher aus dem Verkehr gezogen.

Erste Beiträge in der Volkszeitung

Meine Darstellung über Stefan Ludwig Roth fand bei der Leserschaft eine gute Aufnahme, sie hätte mir aber zum Verhängnis werden können. In der Zeitung „Neuer Weg“ griff nämlich der Literaturkritiker Heinz Stanescu in einer scharfen ideologisch ausgerichteten Kritik  meine Darstellung an. Er warf ihr vor, sie sei keine marxistische Neuwertung, sondern eine objektivistische Darstellung, somit eine Flucht vor der Realität und ein Verstoß gegen die ideologischen Vorgaben des Regimes. Das stimmte zwar größten Teils, und die Securitate hätte mich als Gegner des Regimes einstufen und verhaften können. Die Sache war zusätzlich  darum gefährlich, weil die Securitate in jenen Jahren auf der Jagd war nach Gegnern oder vermeintlichen Klassenfeinden des Regimes, um sie in Gruppen- und Einschüchterungsprozessen zu hohen Kerkerstrafen  zu verurteilen. Dadurch sollten Kritiken am und eventuelle Erhebungen gegen das sozialistische System abgeschreckt werden. Ich bin für meine Roth-Neuwertung nicht belangt worden, da die Zeitungsredaktion die Verantwortung für die Veröffentlichung der Roth-Präsentation übernahm und mich verteidigte.  

Um auf strafbare Handlungen zu stoßen, verfolgte und bespitzelte die Securitate Religionsstunden, Schriftstellerbegegnungen, Ausflüge und sonstige freizeitliche und kameradschaftliche Treffen,  traditionelle Kränzchen, Literaturzirkel, Blasmusikproben, Begegnungen mit bundesdeutschen Bürgern und sonstige Zusammenkünfte und konstruierte  aus den in diesen Kreisen geführten Gespräche  regimefeindliche Äußerungen. Am Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre hat es mehrere solcher Prozesse gegen sächsische Pfarrer, Schriftsteller und andere Intellektuelle sowie gegen Jugendliche oder auch Einzelpersonen gegeben. Berüchtigte Prozesse jener Jahre waren der „Schwarze Kirche“-, Schriftsteller-, Sanktannensee- und Heltauer Schüler-Prozess, in denen die Angeklagten aus zum Teil auf Grund fingierter regimefeindlicher Äußerungen zu hohen Kerkerstrafen verurteilt wurden.

Lehrer  und Direktor am Bistritzer Lyzeum  und  freiwilliger Zeitungskorrespondent

Im Jahre 1958 absolvierte ich das Hochschulstudium und wurde der deutschen Abteilung des Bistritzer Lyzeums als Geschichtslehrer zugeteilt und nach einem Jahr zum Direktor der deutschen Abteilung ernannt. Der Lehrerberuf entsprach meinen Erwartungen und der Geschichtsunterricht bereitete mir Freude und Spaß, und ich fühlte mich sowohl im Schulbetrieb als auch außerhalb der Schule wirklich wohl, zumal ich 1960 durch die Heirat meiner Kollegin Edith Rösler auch eine glückliche Familie gegründet hatte. Die Verbindung zur Kronstädter Volkszeitung gab ich nicht auf. Ich belieferte das Wochenblatt mit historischen Beiträgen, nebenberuflich vertiefte ich meine Forschung auf dem Gebiet der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte. So war ich in der Lage, den erhöhten  Ansprüchen, die die Volkszeitung vorgab, zu entsprechen. Als freiwilliger Korrespondent belieferte ich auch die Tageszeitung „Neuer Weg“ mit Mitteilungen aus dem Nösnerland. In einem Wettbewerb der freiwilligen Korrespondenten des „Neuen Wegs“ erhielt ich als ersten Preis ein Rundfunkgerät.

Ich war so allmählich im Nebenberuf Publizist geworden. Als 1968 die Volkszeitung aufgegeben wurde und die „Karpatenrundschau“ ihren Platz einnahm, fragte der Chefredakteur Eduard Eisenburger bei mir an, ob ich nicht als hauptamtlicher Redakteur eine Stelle in der Redaktion der neugegründeten Wochenzeitschrift anzunehmen bereit sei. Es galt eine schwere Entscheidung zu treffen, da es keinen Grund gab, Bistritz und den Lehrerberuf aufzugeben. Da ich aber mittlerweile zum Doktorat an der Universität Bukarest zugelassen worden war und für Geschichtsforschung der Journalistenberuf und die Stadt Kronstadt bessere Bedingungen als Bistritz boten, entschloss sich meine Familie schweren Herzens das Angebot anzunehmen und in die größere sächsische Kulturmetropole umzuziehen. Ich selbst wechselte damit, wie ich anfangs angedeutet habe,  auch den Beruf. Ich wiederhole nochmals, ich habe nicht leichtfertig den Lehrerberuf aufgegeben, denn das Unterrichten und die Arbeit mit Schülern gewährten mir berufliche Erfüllung und schöpferische Kraft.
                                       
Als Redakteur der „Karpatenrundschau“

Den Dienst als Redakteur der Karptenrundschau trat ich am 1. März 1968 an. In der Redaktion lernte ich neben bekannten neue, nette Kollegen kennen. Es herrschte in der Redaktion eine  kollegiale Vertrauens- und gesunde Arbeitsatmosphäre. Wichtig war, daß wir zueinander Vertrauen hatten, und auch über die heikelsten politischen Fragen offen sprachen, es befand sich unter uns, so glaube ich zumindest, kein Spitzel der Securitate, der uns hätte verklagen können. Vorsicht war trotzdem geboten, da möglicherweise Abhörgeräte eingebaut waren. Die offiziellen, ideologischen Vorgaben, das war die marxistisch-leninistische Lehre, angereichert durch rumänischen Nationalismus, mussten natürlich in unserer Arbeit beachtet werden, das schon aus dem einfachen Grunde, weil die Zeitschrift, bei der wir angestellt waren, vom Regions-Komitee Kronstadt der Kommunistischen Partei herausgegeben wurde. Ein strenge Zensur wachte darüber, dass nichts Regimefeindliches in die Spalten der Zeitschrift gelangte. Die Meinung einiger Außenstehender, die Redakteure hätten mehr Mut aufbringen sollen, um die Schranken der Zensur und die ideologischen Barrieren zu umgehen, verkennen die wahre Sachlage. Die gesamte Macht war in den Händen  kommunistischer Staats- und Parteigremien. Die Realität war kurz gesagt folgende: entweder man akzeptierte die herrschende Kulturpolitik und übernahm  die Angebote des Herausgebers, oder man lehnte sie ab, erhielt aber keinen Ersatz.

 Alle Publikationen haben damals den Vorgaben der „Partei“ gefolgt. Es gab keine Alternative. Die Redaktionen der deutschen Publikationen haben es jedoch verstanden, den Propaganda-Pflichtteil durch Sonderbeiträge und Artikel abzuschwächen oder zu ergänzen. Das erforderte Geschick und Anpassungsvermögen, um die offizielle Politik für die rumäniendeutschen Anliegen  manipulieren zu können. Dazu war auch der Gebrauch der Zwischenzeilentechnik erforderlich. Der versierte Leser verstand es seinerseits zwischen den Zeilen zu lesen, und er wusste zu unterscheiden zwischen dem politischen Pflichtteil, den er kaum las, und den übrigen Beiträgen. Die Karpatenrundschau nahm unter den damals erscheinenden deutschen Zeitungen und Zeitschriften einen Sonderplatz ein. Sie gab sich einerseits als Kulturzeitschrift aus, die durch ihren Namen an die renommierte Zeitschrift „Die Karpathen“ (1907-1914), herausgegeben von  Adolf Meschendörfer, erinnerte, wandte sich aber an einen größeren Leserkreis.

Die Karpatenrundschau bemühte sich durch ihr Profil, jedem Leser etwas zu bieten, vom Arbeiter und Bauern bis zum anspruchsvollen Intellektuellen. Jede Seite war auf einen bestimmten Inhalt spezialisiert und wurde jeweils von einem dafür verantwortlichen Redakteur redigiert. Mir wurde die Heimatkunde-Seite anvertraut. Der Heimatkunde-Seite fiel eine besondere Aufgabe zu, sie sollte durch heimatkundliche Veröffentlichungen, der Tradition der sächsischen Presse von ihren Anfängen an folgend, identitätsstiftende und identitätsförderende Beiträge zur Stärkung des sächsischen Selbstbewusstseins und Selbstverständnisses und dadurch zum Erhalt des Sachenvolkes beitragen. Es war also hauptsächlich die sächsisch verklärte Vergangenheit, die heraufbeschworen, als  nachahmenswertes Vorbild zur Befolgung anregen sollte. Da wir in der marxistischen Lehre während unseres Studiums ausgebildet worden waren, wussten wir, welches ihre Schwachstellen waren, die sich zum Aushöhlen des Inhalts oder zur formalen Befolgung eigneten. Mit den Zensoren sind wir gut zurecht gekommen. Der Zensor besaß genaue Listen mit Veröffentlichungsverboten, die befolgt werden mussten. Da wir mit den Zensoren – es waren Rumänendeutsche – offen sprechen konnten, wussten wir, was veröffentlicht werden konnte, oder wie  gewisse Fakten formuliert werden mussten, um „regimekonform“ die Zensur zu passieren.

Die Heimatkunde-Seite

Ich habe den Großteil der Beiträge für die Heimatkunde-Seite selbst verfasst,  aber  auch entsprechende rumäniendeutsche Historiker oder Heimatkundler zur Mitarbeit gewinnen können. Es sind auch rumänische Historiker zu Wort gekommen. Da wir uns an ein großes Leserpublikum wandten, waren wir bemüht, die Beiträge sowohl sprachlich als auch stilistisch allgemeinverständlich, jedoch auf dem wissenschaftlichen Forschungsstand zu behandeln. Dem Inhalte nach wurden behandelt siebenbürgisch-sächsische und vaterländische Geschichtsthemen, dann Brauchtum, Pflege der Muttersprache sowie biographische Würdigungen von namhaften Persönlichkeiten, ferner Gedenkartikel zu fälligen Feier- und Gedenktagen. Durch Rezensionen wurde der Leser über neuerschienene Fachbücher auf dem Laufenden gehalten. Die Redakteure ergänzten zum Teil dieses Bücherangebot durch eigene Studien und bemühten sich, ihren Bildungsstand zu heben.  Chefredakteur Eduard Eisenburger sowie Hans Barth und Michael Kroner erwarben den Doktortitel.
Ein beachtenswertes Buch ergab die Veröffentlichung der in der Karpatenrundschau erschienenen Artikelserie „Beiträge zur Geschichte der Heimat“, die von verschiedenen Autoren verfasst, in einem Band unter dem Namen „Sächsisch-schwäbische Chronik“  (Kriterion Verlag, Bukarest 1976,) erschien und von Eduard Eisenburger und Michael Kroner herausgegeben wurde. 

Das Buch gewährte einen allgemeinen Überblick über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. Die  Anmerkung der Herausgeber, das Buch sei der Versuch, eine Darstellung vom  Standpunkt des historischen Materialismus zu bieten, war mehr deklarativ, um die Zensur zu beruhigen und abzusichern, als in den Texten verwirklicht. Jeder Druck musste sich zu der Zeit zumindest formal zum Regime bekennen und dessen Spielregeln beachten, bzw. so tun, als ob man zur offiziellen Politik stehe. Es galt also die deutsch-völkischen Tätigkeiten jeweils in einer vom Regime akzeptierten Form und Verpackung zu präsentieren, durch marxistisch-parteipolitische Phrasen abzudecken und zu begründen. Dass man dabei Kompromisse eingehen musste, versteht sich von selbst. Die Kompromisse haben sich aber meistens in Grenzen gehalten. In rumäniendeutschen Kreisen war man bemüht, durch solche Kompromisse sich nicht selbst zu kompromittieren. Es handelte sich bei der Kompromissbereitschaft nicht etwa um regimefreundliche Liebedienerei, wie sie von im Westen lebenden Landsleuten gelegentlich gesehen wurde, sondern um einen von den Umständen bedingten Zweckopportunismus, um ein verantwortungsvolles Ringen zwischen Volkstum-Engagement und dem von den Machthabern geforderten Tribut.

In der Karpatenrundschau – wir beschränken uns in vorliegender Darstellung auf die Analyse des heimatkundlichen Teil des Buches – sind seit ihrer Gründung bis heute eine große Anzahl von heimatkundlichen Arbeiten erschienen, die gesammelt mehrere Bücher, wie die erwähnte Chronik, ergeben würden. Ich habe für mich die heimatkundlichen Beiträge aus den Jahren meiner Dienstzeit gesammelt und gebunden und besitze so wahre Heimatkunde-Bücher in Zeitungsformat.