Vom Auftun politischer Sackgassen

Der Enthusiasmus der Wahlsieger der Europawahlen hat sich gelegt. Den Schock der Wahlschlappe der Regierungskoalition scheinen PSD/ALDE überwunden zu haben. Die triumphierende Hoffnung der Wahlsieger, die Regierenden zurücktreten zu sehen, ist weg. Der Papstbesuch hat Versöhnlichkeit gefördert. Nüchternheit macht sich breit. Europawahlen bleiben verlässliche Indizien für Wahlen zu inneren Angelegenheiten, ändern aber auf Anhieb nichts in der Innenpolitik. Sie lösen Stühlerücken aus und weisen auf Sackgassen hin.

Präsident Klaus Johannis, dessen Kalkül mit dem Referendum aufgegangen ist, stieg auf Präsidentschaftswahlkampf um, auch wenn ihm eine zweideutige und kaum weniger kleptomanische Partei als die Regierungskoalition zur Seite steht. Weniger Kleptokratie wäre bei USR und PLUS zu finden, doch die setzen auf einen eigenen Präsidentschaftskandidaten. Johannis und PNL? Sackgasse.

Die PSD hat mit oberflächlichem Saubermachen begonnen. Hat ihren unappetitlichen Generalse-kretär Codrin Ştefănescu gefeuert und auch der diebische Regierungsberater Darius Vâlcov ist gegangen (worden). Eine „schwarze Liste“ zu entlassender Leiter der PSD-Kreisverbände ist in Umlauf, die ihrem eingesperrten Ex-Parteichef Daddy Liviu Dragnea zu nahe standen: Ionel Arsene (Neamţ), Doina Fedorovici (Botoşani), Iulian Iacomi (Călăraşi), Marius Dunca (Kronstadt), Luminiţa Jivan (Karasch-Severin) und Călin Dobra (Temesch). Die PSD sichert sich ab. Interimsparteichefin Vasilica Dăncilă aktiviert hartgesottene Veteranen wie Paul Stănescu und Nicolae Bădălău, pfeift hysterische Parteiamazonen wie Lia Vasilescu zurück. Erneuerung, frischer Wind? Fehlanzeige. Bloß Konsolidierung und Vorbereitung des Wahljahrs 2020. Änderungen in der PSD? Sackgasse.

Der für Juni angekündigte Misstrauensantrag der Opposition ist obsolet, so lange im Parlament dieselbe Regierungsmehrheit besteht. Sollte er absurderweise doch die nötige Mehrheit zum Regierungssturz erlangen (was bei der „Prinzipienfestigkeit“ unserer Volksvertreter einzukalkulieren ist), was kommt danach? Die beiden Wahlsieger PNL und Allianz 2020, die eigentlich drei sind: PNL, USR und PLUS, sind untereinander uneins. Das zeigte sich bereits bei der Wahl von Marcel Ciolacu zum Dragnea-Nachfolger an der Parlamentsspitze. USR&PLUS wollen einen eigenen Präsidentschaftskandidaten, sind also bis Dezember in Opposition zur PNL. Glaubhafte personelle Alternativen hat keiner. Parlamentskräfte oder käufliche Wendehälse könnten die PNL beim Sturz der Regierung unterstützen. Aber macht das Sinn? Ein Dejà vu dieser Art hat´s schon gegeben, dass nämlich die PSD vor Mandatsende die Regierung aufgab und ein paar Monate später als strahlender Wahlsieger dastand, weil andere sich beim Sanieren des von ihr hinterlassenen Schlamassels kompromittierten. Regierungsübernahme durch die PNL? Auch eine Sackgasse.

Bleibt die PSD/ALDE an der Regierung, muss die jüngst siegreiche Opposition das Murren des Wahlvolks besänftigen, das von der Entsendung von 33 Europaabgeordneten nach Brüssel wenig Konkretes zu sehen und zu spüren bekommt, aber für Änderungen im Inland plädierte. Daher das Risiko, dass die Wahlbeteiligung 2020 zurückgeht, was die Chancen der PSD erhöht. Ähnlich steht es mit Johannis, wenn er die Erwartungen des Referendums nicht zu erfüllen vermag. Die nächste politische Sackgasse tut sich also auf, wenn alles beim Alten bleibt. Zumindest bis zu den Präsidentschaftswahlen im Dezember…

PNL und Johannis bekommt das Torkeln von PSD/ALDE beim Regieren, denn es fördert die Wut der Wahlbürger und spült sie ins Lager von Regierungskritikern. Die größte Gefahr dabei ist, dass diese Regierung das Land so auslaugt, dass danach jeder, der eine Regierungsverantwortung übernimmt, binnen Monaten maßlos besudelt und unbeliebt wird.
Jenes Genie, das so etwas abwenden kann, ist nicht in Sicht.