Von dem Gefühl des einsamen Überlebenskünstlers im rumänischen Land

Gespräch mit Corneliu-Teofil Teaha, Inhaber der Teaha Management Consulting GmbH

Prof. Corneliu-Teofil Teaha, geboren 1960 in Bukarest, ist mit seiner 1997 gegründeten Beratungsfirma Teaha Management Consulting GmbH in der Nobelherberge des Bukarester Marriott-Hotels eine Anlaufstelle für viele ausländische, meist deutschsprachige Investoren. Er ist Absolvent der Polytechnischen Hochschule sowie der Wirtschaftsuniversität seiner Geburtstadt. Neben seiner Muttersprache spricht Prof. Teaha Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch. Längere Studienaufenthalte an der Wirtschaftsuniversität Wien, der Hochschule St. Gallen sowie bei der Technischen Universität in Darmstadt haben zu seiner beruflichen Bildung beigetragen. Seine Firma hat Niederlassungen in Klausenburg/Cluj-Napoca, Hermannstadt/Sibiu, Kronstadt/Brasov und Temeswar/Timisoara sowie in Chisinãu. Über seine Erfahrungen spricht Corneliu-Teofil Teaha, Vizepräsident des Arbeitgeberverbands sowie Mitglied des LIONS Club District 124, in einem Interview mit dem ADZ-Korrespondenten Dr. Alex Todericiu


Sie sind ein bekannter Unternehmensberater mit jahrzehntelanger Erfahrung sowie Auditor. Ihre exzellenten Kontakte unter den österreichischen Expats in Rumänien haben Ihren Bekanntheitsgrad stark erhöht. Ihr Unternehmen wurde am Jahresanfang in die weltweite mgi-Allianz der Steuer- und Unternehmensberater aufgenommen, was Ihre internationale Anerkennung bezeugt. Wie denken Sie heute über ihre Heimat?

Rumänien ist ein Land der Gegensätze, um nicht gleich zu sagen, der Ungleichgewichte. Es gibt große Unterschiede in der Kaufkraft, in der Bildung und in der Kultur, große Differenzen jenseits und diesseits der Karpaten, Unterschiede in der Mentalität der Beamten und der Unternehmer... All diese Differenzen führen zwangsläufig zu Spannungen in der Gesellschaft. Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Jahr der europäischen Revolutionen hat Rumänien als Land immer noch nicht sein inneres Gleichgewicht gefunden. Die großen Ungleichgewichte in Rumänien sind vom Verbrauch ohne Produktion, von den Importen ohne Exporte, von den Hypermärkten ohne Fabriken oder von den Fahrzeugen ohne Straßen verursacht. Diese Ungleichgewichte sind auch darauf zurückzuführen, dass einige Wirtschaftszweige durch das ausländische Kapital – welches in Rumänien außerordentliche Gewinnquellen ausfindig machte – unterstützt wurden, während die anderen Bereiche (beispielsweise die Bildung, das Gesundheitswesen und die Kultur) von der Staatspolitik nicht in gleichem Umfang gefördert werden konnten.

Leider teilen all diejenigen, die in Rumänien Zugang zu politischen Entscheidungen haben, eine gemeinsame Eigenschaft: Sie schauen nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich, auf ihren eige- nen Geldbeutel. Lange Zeit herrschte ein gesetzliches Vakuum im Bereich der Regelung der Steuerberatung und der Wirtschaftsprüfung. Man sollte nicht vergessen, dass die Steuerberaterkammer Rumäniens erst 2007 – dem Beitrittsjahr zur Europäischen Union – mit der Geburtszange! ins Leben gerufen wurde. Heutzutage gibt es immer noch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, welche zweifelhafte Leistungen für gepfefferte Honorare anbieten. Anderer-seits gibt es selbstverständlich auch angesehene rumänische Steuerberatungsfirmen.

Hat sich Ihre Einstellung zum rumänischen Standort in den letzten Jahren, seit dem EU-Beitritt, verändert?

Natürlich hat die EU, durch die Größe, Stärke und Tradition, wofür sie steht, eine wesentliche Änderung des Schicksals Rumäniens bewirkt. Ich würde jedoch nicht den Zeitpunkt des Beitritts als entscheidenden Faktor ansehen. Dieser bleibt eher ein Bezugspunkt für Historiker, um zwei unterschiedliche Etappen in der Geschichte des Landes zu trennen. Die Annahme der rumänischen Kandidatur für den Beitritt zur großen europäischen Familie und die gesetzlichen Verpflichtungen, welche Rumänien übernommen hat, stellen den maßgebenden Moment dar! Dies war der Wendepunkt, während der tatsächliche Beitritt lediglich nur das Vorbeimarschieren vor der Zielfahne darstellte. Dies ist auch heutzutage immer noch offensichtlich. Rumänien muss noch vieles tun, um die anderen EU-Länder einzuholen...

Sie haben den EU-Beitritt Rumäniens 2007 miterlebt. Gab‘s da einen Imagewechsel unter den Expats, die Sie kennen, über das Land?

Der Imagewechsel über Rumänien erfolgt nicht bei denjenigen, welche sich für längere oder kürzere Zeit hierzulande aufhalten, die Unterschiede ergeben sich vielmehr zwischen den Wahrnehmungen dieser und derjenigen, welche niemals Rumänien besucht haben. Rumänien hatte schon immer im Ausland ein schlechteres Image als es der Wirklichkeit hierzu-lande entsprechen würde!

Sie sind Rechnungsprüfer des Deutschen Wirtschaftsclubs und u. a. auch Generalsekretär der Gesellschaft Österreich-Rumänien mit Sitz in Bukarest. Empfinden Sie es als selbstverständlich oder halten Sie es vielleicht für notwendig, Ihrer Kundschaft, davon viele Expats, das Land von der guten Seite zu zeigen?

Wir sollten die Schweizer nicht vergessen! Ich bin auch der Rechnungsprüfer der Handelskammer Schweiz-Rumänien! Obwohl ich mich als unheilbaren Optimisten betrachte, bin ich im Allgemeinen eine extrem kritische Person. Vor meinen Kunden kritisiere ich eher die Dinge, welche in Rumänien (noch) nicht reibungslos funktionieren. Mehrere Artikel, welche ich im deutschsprachigen Wirtschaftsblatt „DeBizz Magazin“ veröffentlicht habe, bestätigen meine Worte. Oft sage ich, dass Rumänien ein zu schönes Land für seine Einwohner und insbe-sondere für seine Politiker ist...

Wie würden Sie Patriotismus definieren?

In der Denkweise und im Verhalten fühle ich mich schon lange als Europäer, bereits vor dem Zeitpunkt des Beitritts Rumäniens zum Chor der europäischen Nationen! Selbstverständlich hat dazu die lange Zeit beigetragen, in der ich in deutschsprachigen Ländern der EU (Deutschland, Schweiz, Österreich) studiert habe, aber auch die Tatsache, dass unsere Kundschaft fast ausschließlich aus diesen Ländern stammt. Dementsprechend spreche ich während meiner Arbeitszeit mehr Deutsch oder Englisch und weniger Rumänisch! Dazu kommt noch die Tatsache, dass ich auch an der Universität ebenfalls in deutscher Sprache unterrichte. Vor diesem Hintergrund ist leicht zu verstehen, warum ich mich als europäischer Patriot fühle! Gewiss zeigt sich in diesem wunderbaren Gebilde – dem Europa der Regionen – auch ein regionaler Patriotismus. Ich bin stolz, in Rumänien geboren zu sein – so wurde ich von meinen Eltern und Großeltern erzogen –, obwohl die Wirklichkeit mir nicht immer Argumente dafür bietet.

Gibt es bei Rumänen Minderwertigkeitsgefühle in Berührung mit Expats?

Nicht in meinem Fall! Vom Gesichtspunkt meiner Kunden bin ich seit 15 Jahren – mit Erfolg – in Wettstreit mit anderen ausländischen Beratungsunternehmen, welche sich auf dem gleichen Marktsegment positioniert haben! Wer 22 Jahre nach dem Sturz des Kommunismus noch Minderwertigkeitsgefühle gegenüber den Expat-Kollegen besitzt, der sollte sich einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen!

Warum betrachtet Ihrer Meinung nach die Mehrheit der rumänischen Bevölkerung die Appelle der eigenen Regierung, ihre Kompetenz für den Aufbau ihres Vaterlandes zur Verfügung zu stellen, als blanken Hohn?

Leider haben die Rumänen ihr Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, verkörpert durch die Regierung, ihre Interessen tatsächlich zu verteidigen verloren. Dies hat seine Gründe. Diese Unfähigkeit der Regierung wird ersichtlich in der Art und Weise, in der in letzter Zeit die Lehrkräfte, Ärzte, Künstler, Rentner, Militärs, Mütter und viele weitere sozialen Kategorien behandelt werden. (...) Dazu kommt noch die reelle Ineffizienz, manchmal auch eine solche der Justiz hinzu, was eine allgemeine Frustration und Enttäuschung als Folge hat. Vor diesem Hintergrund können Sie verstehen, warum jeder Rumäne ein einzelgängerischer Überlebenskünstler ist... Als Hoffnung bleibt die Intransigenz der Europäischen Union, insbesondere betreffend den Status der Justiz.

Viele unserer Mitbürger haben die Nase voll! Die Tätigkeit der Justiz, die Banken als Kreditvergeber, die Versicherungsgesellschaften werden neben der alltäglichen Politik der Regierung des Premierministers Boc als Grund des Übels genannt. Fühlen auch Sie sich im heutigen verarmten Rumänien einer erhöhten (Behörden) Willkür ausgesetzt?

Im wilden Westen beraubten die Banditen die Leute, indem sie die Banken beraubten. Im wilden... Osten von heute haben Banditen Banken gegründet, um die Leute zu berauben! Tasächlich profitieren die Banken (die meisten davon mit ausländischem Kapital) mangels einer strengeren Grundhaltung seitens des Staates von Gewinnmargen und Zinsen für vergebene Kredite, die weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union liegen; und dies ohne jegliche Gewissensbisse über ihre bedeutende Mitschuld beim Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Ich fühle mich gefangen in diesem diabolischen Mechanismus und musste feststellen, dass meine Hausbank den Zinssatz für einen vergebenen Kredit erhöht und den Zinssatz für Termineinlagen gesenkt hat. Und dies ohne jegliche Erklärung für diese Vorgehensweise! Meine Erfahrung mit den Versicherungsgesellschaften ist nicht besser. Obwohl ich jedes Jahr die Vollkasko-Versicherung auf der Grundlage eines, von dem Versicherer festgelegten, überbewerteten Katalogwertes bezahlt habe, hat mir die Versicherung nach einem Verkehrsunfall mit Totalschaden – der sich nicht einmal aus eigenem Verschulden ereignet hatte – eine Entschädigung bezahlt, die niedriger war als der Marktwert. Gleichzeitig wurde ich verpflichtet, einen Teil meines Verlusts zu decken, indem ich für den Haufen Alteisen, welcher von meinem versicherten Fahrzeug übrig geblieben war, einen Käufer finden musste! Wie bereits gesagt, auf diese Weise entsteht das Gefühl des einsamen Überlebenskünstlers im rumänischen Land!

Wie wirkt sich die Unfähigkeit des Staates auf die Bürger aus?

Da der Bürger den Staat als einen Steuereintreiber betrachtet, welcher ihm einen Teil des Einkommens wegnimmt und ihm als Gegenleistung nur sehr wenig bietet (siehe die Fragilität des Sozialschutz-, Renten-, Gesundheits-, Bildungssystems usw.) ist er seinerseits auch nicht bereit, sich für die Lösung der staatlichen Probleme zu engagieren. Es ist eine unglückliche Situation, welche auf die fehlende Hellsicht der aktuellen Politiker zurückzuführen ist!

In Ihrer Branche spielt, ähnlich wie bei den Anwälten, das gegenseitige Vertrauen sowie das Vertrauen zum Standort eine wesentliche Rolle. Welche Bedeutung hat dieses Vertrauen?

Eine alte Weisheit besagt, niemals ohne Grund den Anwalt, den Arzt, den Priester oder den Buchhalter zu wechseln, denn jeder davon weiß manchmal mehr über dich als die eigene Frau! Im Geschäftsleben kommen alle Quittungen, Rechnungen, Zahlungen, Kontoauszüge usw. zum Buchhalter, jedoch nicht immer und nicht unbedingt zum Geschäftsführer! Der Buchhalter weiß ALLES was in einem Unternehmen läuft! Dieser praktisch unbegrenzte Zugang zu den Informationen erfordert ein besonderes gegenseitiges Vertrauen!

Rumänien hat immer wieder erkennen lassen, dass es Europa vertraut und braucht. Braucht Ihrer Meinung nach Europa Rumänien auch?

Ebenso wie auch Sie nicht nur die Eltern und Geschwister, sondern auch die weiteren Verwandten brauchen! Sogar den Onkel, welcher raucht, um Ihren Kindern als negatives Vorbild zu dienen! Selbstverständlich könnten sowohl die EU, als auch Rumänien ohne das andere Gebilde existieren und zurechtkommen! Es wäre jedoch schade! Glauben Sie mir, die Zeit wird kommen, in der die EU glücklich darüber sein wird, Rumänien eingegliedert zu haben! Doch der Onkel, den ich erwähnt habe, wird bis dann noch viel zu rauchen haben...

Wie läuft Ihre Kooperation mit den rumänischen Behörden? Sucht ihr Unternehmen die angemessenen Wege, um die eigene Kundschaft beim Establishment in Bukarest „salonfähig“ zu machen? Betreiben sie Lobbying?

Von einer „Zusammenarbeit“ mit den rumänischen Behörden ist nicht die Rede, sondern mehr über eine Lebensweise, in der wir uns gegenseitig tolerieren. Unsere Handlungsart unterscheidet sich grundsätzlich von der Handlungsart der Behörden! Unsere Strategie war, auch den geringsten Verdacht eines Interessenkonflikts abzuwenden. Wir sind ausschließlich im Interesse der Investoren tätig und haben systematisch Aufträge und Bestellungen von Behörden abgelehnt. In der Zeit der großen Privatisierungen haben wir immer die Investoren und niemals die Behörden vertreten. Dies ist meine preußische Philosophie!

Ihr Unternehmen hat ein Logo: „Die Besten. Punkt“! ist das nicht ein bisschen apodiktisch?

Nicht unbedingt! Wenn Sie dieses Logo als ein gesetztes Ziel ansehen, werden Sie verstehen, dass es einfach ein Wettbewerb ist, in dem wir die Ersten sein wollen. Es ist schwer den ersten Platz zu erreichen, es ist jedoch noch schwieriger diesen Platz zu behalten.

Dulden Sie als Berater auch Widerspruch?

Selbstverständlich! Sie müssen aber Ihren Standpunkt besser als ich argumentieren! 

Viel Erfolg!