Von der Securitate verscharrte Partisanen

Im Banater Generalkommando zur Bekämpfung Banater Partisanen von Karansebesch geschahen Morde

Das Gebäude des heutigen Cercul Militar Karansebesch hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im Jahrzehnt 1947-1960 war es Sitz des Securitate-Sonderkommandos zur Bekämpfung der Banater Partisanenbewegung gegen die in Rumänien mit sowjetischer militärischer Unterstützung als autoritär Regierende eingesetzten Kommunisten, später Sitz von Miliz und Securitate. nach der Wende ist es Begegnungsstätte aktiver und pensionierter Militärs, die in der ehemaligen Garnisonsstadt Karansebesch leben. Des Partisanentums Verdächtigte wurden in den Kellern dieses Gebäudes gefoltert, offensichtlich auch bis zu ihrem Tod, wie es das jüngst von IICMER untersuchte Massengrab beweist. Foto: Zoltán Pázmány

Richard („Hardy”, in der südbanater Koseform) Petrovszky arbeitete bis zu seiner Auswanderung nach Deutschland in den endachtziger Jahren als Archäologe und Museograf am Karansebescher Museum des Grenzregiments und für Ethnografie, nebenbei und in seiner Freizeit auch als einer der profiliertesten Amateurspeläologen des Banats. Auf seine archäologischen Forschungen gehen u.a. Entdeckungen wie die Balta Sărată-Kultur zurück. In Deutschland war er rasch als Mann vom Fach anerkannt und nahm an zahlreichen Expeditionen, u.a. nach Israel, teil.

Doch von seiner Tätigkeit in Karansebesch war in seinem Gedächtnis eine Bedrückung zurückgeblieben. Vor zwei Jahren versuchte er, das ihn bedrückende Geheimnis loszuwerden, zu dessen Bewahrung ihn ein Securitate-Leutnant eingeschworen hatte: er schrieb einen Brief ans Institut zur Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus und zur Wahrung des Gedächtnisses des Rumänischen Exils, IICCMER, in welchem er ein bedrückendes Erlebnis aus dem 1970er Jahren schilderte.

Verscharrte Securitateopfer

1977, so schrieb Hardy Petrovszky an IICCMER, wurde im Karansebesch ein Bauvorhaben umgesetzt: ein Wohnblock, der neben dem Militärzirkel hochgezogen werden sollte. Während der Aushubarbeiten für die Baugrube stellte sich bei Petrovszky ein Milizmann ein, der ihn zum Sitz der Karansebescher Miliz bestellte. Dort wurde er einem Leutnant gegenüber gesetzt, der an seiner dunkelblauen Milizuniform die hellblauen Erkennungszeichen der Securitate hatte. Der stellte sich als „Mircea Ionescu” vor. Und er bat den Archäologen, ein Massengrab zu untersuchen, das sich gegenüber dem Gebäude befand, wo damals die Securitate in Karansebesch ihren Sitz hatte. Petrovszky identifizierte mit seinen archäologischen Methoden und Mitteln vier Skelette, die mit Sicherheit nicht begraben, sondern verscharrt worden waren. Nachdem er seine Schlussfolgerung dem Securitate-Offizier darlegte, ordnete dieser ihm an, die Grube wieder zu verschließen. Und er schwor ihn darauf ein, niemand etwas davon zu erzählen, wenn er „keine unangenehmen Folgen” für ihn und seine Familie heraufbeschwören wolle. Das war nach heutigen Erkenntnissen von Ionescu mit seinem Vorgesetzten so ausgemacht worden.

Rund 40 Jahre später wandte sich Richard Petrovszky mit seinem „Geheimnis” an IICCMER. Bekanntlich gibt es beim Institut zur Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus und zur Wahrung des Gedächtnisses des Rumänischen Exils seine Gruppe Archäologen, die sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst alle Massengräber und die einzeln Verscharrten, Opfer der kommunistischen Willkür, zu identifizieren, für sie christliche Begräbnisse zu ermöglichen und die Täter zu identifizieren. Angeführt wird die Gruppe vom Kronstädter Marius Oprea, der sich auch einen Namen als Schriftsteller gemacht hat und der als einer der besten Kenner der Securitate-Strukturen und –Vorgangsweisen gilt. Oprea hat auch seinen Doktor zum Thema Securitate gemacht. Zur Gruppe gehört auch der ausgebildete Archäologe Gheorghe Petrov, der sich auf die Untersuchungen von Massengräbern und Verscharrorten von Securitate-Opfern im Banat spezialisiert hat.

Generalkommando Partisanenbekämpfung Banat

Damals, 1977, hatte der Archäologe Petrovszky „4-5 menschliche Skelette” gefunden, die in weniger als zwei Meter Tiefe verscharrt waren, ohne Särge begraben waren. Er fand Kleidungsreste, aber auch ein paar Knöpfe von Militäruniformen, die aus Metall waren und das bekannte „RPR” (Kürzel für „Rumänische Volksrepublik”) eingepresst hatten. Unschwer machte er den Bezug zum Vorhandensein, 1959, des gegenüberliegenden Securitatesitzes, in einem Gebäude, wo sich später (bis zur Auflösung des Karansebescher motorisierten Infanterieregiments, vor Nato-Beitritt Rumäniens) der Militärzirkel befand. Im Januar 1949 war in der selben Immobilie das berüchtigte Generalkommando Banat eingerichtet worden, eine Sondereinheit der Staatssicherheit Securitate, deren Aufgabe es war, die Partisanenbewegung im Südbanat, aber auch ganz allgemein den antikommunistischen Widerstand, zu bekämpfen. Ihr Tagebefehl lautete über die Jahre: Ausmerzen ohne Herumzufackeln von jedwelchen Widerständen gegen die Kommunistische Partei! Zuerst geschah das in Zusammenarbeit mit den hier stationierten Truppen der Roten Armee, nach deren Abzug 1958 mittels der Securitate-Truppen. Aufgelöst wurde das Sonderkommando lange nach der Ermordung der letzten Partisanen (1959), Anfang der 1960er Jahre.

Mircea Ionescu, der seinerzeitige Securitate-Leutnant, starb bei einem Verkehrsunfall in den 1980er Jahren. Sowohl Ionescu, als auch der Archäologe Petrovszky vermuteten nicht grundlos, dass das Massengrab etwas mit dem gegenüberliegenden ehemaligen Sitz des Securitate-Sonderkommandos zu tun haben musste und mit dem „Verschwinden” von Widerständlern gegen den Kommunismus und gegen die Kollektivisierung der Landwirtschaft, über die es seit den 1950er Jahren hartnäckige Gerüchte gab, die nie verstummt waren. Zu diesem Sitz und in dessen Keller, der zum Gefängnis und „Untersuchungsraum” umgestaltet war, wurden die vermutlichen „Feinde des Kommunismus” gebracht, gefoltert und dort wohl auch umgebracht, denn von vielen war, nach ihrem Abtransport zum Securitate-Sonderkommando in Karansebesch, nie mehr etwas gehört worden. Das weiß heute der ICCMER-Archäologe und Ermittler Gheorghe Petrov mit Sicherheit. Im Banat sind mehrere Dutzend „Partisanen” spurlos „verschwunden”.

Verwandte der Securitateopfer gesucht

Deshalb bittet Petrov auch die Nachkommen der „Partisanen” – das waren eigentlich Antikommunisten, die nicht selten aus der rechtsextremen zwischenkriegszeitlichen Legionärsbewegung kamen und oft unterm Kommando von Offizieren standen, die aus der rumänischen Armee desertiert waren, nachdem Rumänien am 23. August 1944 die Fronten gewechselt hatte – sich zu melden, um die von der Securitate in den 1950er Jahren verscharrten Toten mittels DNA-Analysen zu identifizieren. Er sei unter der Mobilnummer 0721-400396 zu erreichen.

Ansonsten gehe man bezüglich der vier Skelette im Massengrab von Karansebesch den gesetzlichen Weg. Erst mal sei die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. Die Skelette seien von der Territorialen Militärstaatsanwaltschaft Temeswar der Temeswarer Gerichtsmedizin zwecks Sicherstellung von DNA-Analysen überführt worden, mittels derer ihre Identität festgestellt werden soll. Anschließend soll für sie ein christliches Begräbnis veranstaltet werden.

Petrov: „Die Militästaatsanwaltschaft Temeswar hat ein Strafdossier gegen unbekannt eröffnet. Solcherlei Verbrechen sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit und verjähren nie. Und sie fallen in den Kompetenzbereich der Militärstaatsanwaltschaften. Übrigens: beim Bau des Wohnblocks sind die Skelette in eine andere Grube verscharrt worden, diesmal mit Bauschutt zusammen. Die „Verlegung” hat natürlich auch die Skelette durcheinander gebracht. Erfahrungsgemäß ist es nicht allzu schwierig, auch diejenigen zu identifizieren, die mit dem `Fall` zu tun hatten, und auch Zeugen und Zeugnisse über die betreffenden Fälle sind noch zu finden, auch wenn wir fünf nach Zwölf an den Fall herangekommen sind. Nur: fast nie kann noch jemand zur Verantwortung für die Morde gezogen werden, weil die Täter inzwischen verstorben sind. Aber Identifizierungen und Festellen der historischen Wahrheit über Verbrechen der Kommunisten und ihrer ausführenden Organe sind möglich.” Petrov erwartet, vor allem von den Verwandten und Nachkommen der seit 70-80 Jahren Vermissten kontaktiert zu werden. Auch wegen DNA-Proben, zur Identifizierung der Opfer. Und wegen dem christlichen Dienst eines standesgemäßen Begräbnisses.

Umfassende Untersuchungen im Herbst 2019

Zum Team, das gemeinsam mit Petrov Massengräber und einzeln verscharrte Opfer des Kommunismus freilegt und zu identifizieren sucht, gehört Gabriel Rustoiu, der Direktor des Nationalmuseums von Alba Iulia, Paul Scrobotă, der Direktor des Geschichtsmuseums Aiud (wo eines der berüchtigten Verwahranstalten für Kommunismusgegner war), Horaţiu Groza, Direktor des Geschichtsmuseums Turda. Das Team wird im Herbst wiederkommen und das gesamte Gelände des ehemaligen Sonderkommandos der Securitate zur Partisanenbekämpfung einer archäologischen Untersuchung unterziehen, ebenso die Keller der früheren Securitate-Sitze in Karansebesch.

Petrov ist derjenige IICCMER-Archäologe, der vor einem Jahrzehnt gemeinsam mit Marius Oprea ermordete Partisanen im Raum Teregova (eine ehemalige Hochburg der Banater antikommunistischen Partisanenbewegung, wo Petrov  und Oprea zwei Leichen verscharrter Partisanen freilegten) und bei Luncaviţa (ebenfalls zwei Leichen ermordeter Partisanen) ausgrub und identifizierte und der inzwischen ein umfassendes Bild der militärischen Aktionen von Sowjet- und Securitatetruppen zur Bekämpfung der Widerstandsnester der Partisanen im Banater Bergland zu entwerfen vermag, aber auch ein Bild der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in den 1950er Jahren im Südbanat begangen wurden.

Dass viele der Täter und Befehlsgeber mit völlig unbelastetem Gewissen noch bis vor einigen Jahren bei fetten Renten ihren Lebensabend unter uns verbracht haben, das steht auf einem anderen Baltt und gehört zum „originellen Kapitalismusweg”, den Rumänien nach der Wende beschreitet.