Von Konfessionswechsel, Zölibat und Leben im Kloster

Ein ehemaliger Orthodoxer auf dem Weg zum Salvatorianer-Pfarrer

„Gott ist für mich allgegenwärtig. Ich treffe ihn nicht nur dann, wenn ich bete, sondern in allen Momenten, egal was ich tue.“

Jeden Monat beteiligt sich Cesar an Gebetsveranstaltungen nach dem Muster der Gemeinschaft von Taizé (ein internationaler ökumenischer Männerorden in Taizé, Frankreich).
Fotos: privat

Warum möchte in diesen Tagen ein junger Mann Mönch werden? Das fragen sich wahrscheinlich viele, denn Mönch, und letztendlich Pfarrer sein, ist ein Beruf, der ein anderes Leben verlangt, als das, woran die meisten Menschen gewöhnt sind. Frühes Aufwachen, strenge Regeln, Zölibat… es klingt nicht unbedingt nach Ruhe. Doch genau das hat Cesar Bistriceanu gefunden. Eine Ruhe, die er lange Zeit gesucht hat, und die er nie wieder verlieren will.

Cesar ist 26 Jahre alt und will Mönch werden. Dafür kandidiert er derzeit innerhalb der katholischen Ordensgemeinschaft der Salvatorianer. Er lebt im Kloster neben der katholischen Kirche in der Elisabethstadt/Elisabetin in Temeswar/Timişoara und wartet gespannt darauf, im nächsten Monat nach Budapest umzuziehen, wo er zwei Jahre lang sein Theologiestudium fortsetzen wird, um seinem eigentlichen Ziel ein Stückchen näher zu kommen: Pfarrer zu werden.

Ökumenismus großgeschrieben

Im Lyzeum war Cesar von Computern begeistert. Programmiersprachen wie HTML, CSS oder PHP hat er sich autodidaktisch angeeignet. Doch je näher die 12. Klasse rückte, umso mehr drängte sich die Entscheidung zur Wahl eines Studienfachs in den Vordergrund. „Ich wusste nicht, was ich wählen sollte“, erinnert sich Cesar Bistriceanu an die Schulzeit. Doch dann, in der 11. Klasse, passierte etwas, das sein Leben  für immer verändern sollte. Die Leidenschaft zum Kickboxen – bis zu 5 - 6 Stunden Training pro Tag – wurde Cesar zum Verhängnis. Kaltes Trinkwasser nach dem Training und kalte Duschen haben dazu geführt, dass sich der Jugendliche eine Lungenentzündung zuzog und mehrere Monate lang schwer krank war. „Da ich irgendwie meine Zeit verbringen musste, habe ich angefangen zu lesen. Ich hatte die Bibel und andere Bücher über das Leben von Heiligen bei mir. Diese hatte ich irgendwann während einer Pilgerfahrt in rumänischen Klöstern bekommen. Ich habe alles gelesen und mich entschieden, dass ich Theologie studieren möchte“, erzählt Cesar.

Doch bis zum Studium im Orden der Salvatorianer sollte es noch ein langer Weg werden, denn Cesar war von Kind auf orthodox, doch Kontakt zur Kirche hatte er wenig. Obwohl auch die Mutter orthodoxen Glaubens war, besuchten sie gelegentlich die katholische Kirche in der Elisabethstadt oder den Hohen Dom. „Ich kannte die Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht. Das, was ich von der katholischen Kirche wusste, das hoffte ich zu vertiefen“, so Cesar. „Als ich dann das Studium an der Fakultät für Orthodoxe Pastorale Theologie in Temeswar anfing, bemerkte ich, dass es nicht das war, was ich mir vorgestellt hatte.“

Unterschiede in der Sichtweise, wie Gott sich offenbart, welche seine Eigenschaften sind und auch wie man das Zölibat betrachtet, waren für Cesar entscheidende Aspekte. So beschloss er bereits während des Studiums, nach dem Abschluss  die Konfession zu wechseln. Dies musste jedoch geheim gehalten werden, sonst bestand Gefahr, von der orthodoxen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Probleme an der Uni hätte es auch geben können. Weil Cesar an eigenem Leib erfahren hatte, welche Konsequenzen fehlende Akzeptanz innerhalb der Konfessionen einer Religion haben kann, setzt er sich heute für Ökumenismus ein. Zusammen mit einem Bruder des Salvatorianer-Ordens besucht er von Zeit zu Zeit neoprotestantische Gemeinden in Temeswar und versucht, mit ihnen in Dialog zu treten. Sie nehmen an ihren Gottesdiensten teil, halten kurze Vorträge über die Einigkeit der Kirchen und manchmal kommen auch neoprotestantische Gläubige in die katholische Kirche in der Elisabethstadt: „Das Ziel ist die Einigkeit der Gläubigen und deren Zusammenarbeit“, erklärt Cesar.

Familie oder Gemeinde

Für den angehenden Mönch war das Zölibat einer der Gründe, weshalb er die katholische Konfession gewählt hat. Für ihn war schon von Anfang an klar: „Da ich diesen Weg gewählt habe, möchte ich mich komplett dafür einsetzen. Ich habe viele verheiratete Pfarrer getroffen und gemerkt, dass durch ihren Beruf die Familien auf der Strecke blieben. Wenn nicht die Familie, dann die Gläubigen. Deswegen denke ich, dass es viel besser ist, wenn man unverheiratet bleibt“, erklärt Cesar. Es soll katholische Pfarrer geben, die sich die Auflösung des Zölibats wünschten, aber „ich glaube, die Kirche und besonders die Gläubigen würden dadurch nur zu leiden haben“, fügt er hinzu. Auch wenn er orthodox geblieben wäre, hätte Cesar Mönch sein wollen und nicht verheirateter Pfarrer. Was viele nicht wissen: Auch in der katholischen Kirche kann man heiraten, nur bis zur Funktion des Diakons, der letzten Hierarchiestufe, bevor man Pfarrer wird. „Doch ein Diakon hat keine Pfarrgemeinde, um die er sich voll und ganz kümmern muss“, erklärt Cesar. Der Weg ist: Aspirant, Kandidat, Novize, Bruder. Wer möchte, kann Bruder bleiben, doch wer Pfarrer werden will, muss weiter studieren und erst scholastischer Bruder werden. Die nächsten Stufen sind Diakon und letztendlich Pfarrer.

Cesar will den ganzen Weg gehen. Deshalb studiert er jetzt intensiv Ungarisch für die dritte Stufe, die des Novizen. Da es in der Österreichischen Provinz der Salvatorianer keine Bildungseinrichtung für Kleriker gibt, arbeitet diese zusammen mit der Polnisch-Ungarischen Provinz, deren Bildungsanstalt in Budapest liegt. Zwei Jahre lang wird Cesar dort bleiben und Theologie in Ungarisch studieren, bis er sein Novizenstudium beendet hat. Danach möchte er in die Schweiz, wo ein europäisches Studienzentrum für Salvatorianer eröffnet werden soll. „Ich kann nicht wissen, was in den vielen Jahren passieren wird, aber höchstwahrscheinlich werde ich nach dem Studium in Österreich bleiben, denn dort gibt es viele Salvatorianer-Pfarrgemeinden, die kein Personal haben“, überlegt Cesar. Er selbst will in der Ordensgemeinschaft bleiben, zum Unterschied zur Diözese, die zum katholischen Bistum gehört und unter dessen Verwaltung steht. Die Salvatorianer haben jedoch ihre eigene Struktur und ihre eigenen Aktivitäten.

Wenn nicht alles nach Plan läuft…

Cesars Plan war, erst Jesuit (Angehöriger des Jesuitenordens) zu werden. Nach der Uni blieb er zwei Jahre lang in Kontakt mit den Jesuiten aus Klausenburg/Cluj und Sathmar/ Satu Mare, denn in Temeswar gibt es keine Niederlassung dieses Ordens. Als konvertierter Gläubiger müsse er wenigstens drei Jahre warten, um angenommen zu werden, wurde ihm mitgeteilt. Um diese Zeit nicht zu verlieren, hatte er sich entschieden, noch einmal zu studieren. Es sollte ein Masterat in klinischer Psychologie und psychologischer Beratung werden, denn dieser Bereich hatte ihn schon Jahre zuvor beschäftigt. Seine Lizenzarbeit über Bioethik erfasste mehrere wissenschaftliche Bereiche: Physik, Biologie und eben auch Psychologie.

Doch der Master-Studiengang ging zu Ende und die Jesuiten gaben immer noch kein Zeichen, dass sie Cesar annehmen wollten. „Ich habe angefangen mir Fragen zu stellen: Vielleicht finden sie mich nicht gut genug dafür, vielleicht ist es doch nicht das, was ich machen will“, erzählt Cesar. Er wusste, dass er nun eine Auszeit brauchte, um alles erneut zu überdenken – und neue Erfahrungen zu suchen. So ließ er sich als Technoredakteur bei einem Verlag anstellen, danach in einer Diskothek als Bodyguard und Aushilfe bei Veranstaltungen. „Ich habe dort Freunde gefunden und alles war OK, aber etwas hat mir immer gefehlt. Ich fühlte mich unvollendet und konnte diese Leere durch nichts ersetzen“, erinnert sich Cesar an seine Bedenkzeit. Seine Mutter stand ihm bei, „auch wenn ihr meine Entscheidung, Mönch zu werden, immer schwer gefallen ist“. Cesar entschied sich letztendlich, seiner Leidenschaft zur Theologie nachzugeben.

Ziel: Missionar im Orient

Heute ist er Mitglied des Salvatorianer-Ordens. Cesar wacht jeden Tag um sechs oder halb sieben Uhr auf und bereitet das Frühstück, wenn ihm diese Aufgabe zufällt. Zurzeit finden Sanierungsarbeiten im Kloster statt und dabei hilft Cesar ebenfalls mit, genauso wie bei der Vorbereitung der Mahlzeiten für Obdachlose. Gebete am Mittag und am Abend stehen täglich auf dem Programm. „Ich bekomme zwar Taschengeld, doch es ist nicht viel, aber ich brauche auch nicht viel. Kleider oder andere notwendige Dinge werden verrechnet. Essen bekomme ich hier und andere Lebenskosten habe ich keine. Früher war Geld für mich wichtig, aber jetzt hat es keine Priorität mehr“, sagt der angehende Mönch.

Er ist der einzige Studierende im Temeswarer Kloster der Salvatorianer. Ein anderer junger Mann, der vor ihm hier studiert hatte, hatte sich im Nachhinein dafür entschieden, griechisch-katholischer Pfarrer zu werden und verließ den Orden. „Ich habe keine konkreten Daten, aber ich weiß, dass es in Temeswar  in den letzten zehn Jahren viele junge Männer gab, die orthodoxe oder katholische Mönche werden wollten, aber es sind auch viele, die es nach einiger Zeit aufgegeben haben. Wegen der strengen Regeln, darunter auch der Verzicht auf eine Beziehung“, erklärt Cesar. Er selbst ist heute fest davon überzeugt, dass er die Theologie nie aufgeben will, „aber das sagen natürlich alle, das ist mir schon klar. Nur die Zeit kann zeigen, was kommt“. Wenn er einst Pfarrer im Salvatorianer Orden sein wird, will er als Missionar in den Orient ziehen, in Länder wie den Irak, Syrien oder Israel, um den Menschen aus den christlichen Gemeinden, die dort verfolgt, terrorisiert und sogar hingerichtet werden, beizustehen.