Von Menschen und Steinen

Am Rand einer Dokumentationsreise ins Repser Ländchen notiert

Die Mitglieder des Kronstädter Bezirkskonsistoriums in Deutsch-Weißkirch

Innenansicht der evangelischen Kirche in Streitfort

Am zweiten Maiwochenende dieses Jahres (8.-10. Mai) haben sich die Konsistoriumsmitglieder  des Bezirks Kronstadt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien – Dechant und Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli, Dechantstellvertreter Pfarrer Andreas Hartig, Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann, Karl Hellwig, Klaus Seiferth, Peter Foof und meine Wenigkeit – auf den Weg ins Repser Ländchen gemacht, um sich über den tatsächlichen Stand der Dinge dort ein Bild machen zu können.

Das Hauptquartier wurde am Freitagabend in dem von der Michael-Schmidt-Stiftung zum schmucken Gästehaus „Kraus“ hergerichteten ehemaligen Pfarrhaus in Deutsch-Kreuz bezogen, von wo aus am Samstag bzw. Sonntag einige Gemeinden mit ihren noch vorhandenen Kirchenburgen, Friedhöfen und Pfarrhäusern besucht und näher in Augenschein genommen werden konnten. Insgesamt wurden zwölf Gemeinden besucht, und zwar Deutsch Kreuz/Criţ, Meschendorf/Meşendorf, Radeln/Roadeş, Bodendorf/Buneşti, Deutsch-Weißkirch/Viscri, Leblang/Lovnic, Seiburg/Jibert und Schweischer/Fişer am Samstag (9. Mai) und Reps/Rupea, Streitfort/Mercheaşa, Katzendorf/Caţa und Hamruden/Homorod am Sonntag (10. Mai). In allen Ortschaften gab es einen überaus freundlichen Empfang.

Nach Ablauf beinahe eines ganzen Jahres ihres gegenwärtigen Mandats war es den Mitgliedern des Kronstädter Bezirkskonsistoriums ein Herzensanliegen, sich vor Ort ein Bild zu machen vom realen Zustand der Kirchenburgen, Pfarrhäuser und Friedhöfe, über deren Geschick man am Arbeitstisch oft unter großem Zeitdruck und nur aufgrund von mehr oder weniger sachlich abgefassten Unterlagen zu entscheiden hat. Die zwei Tage bescherten einem ebenso intensive wie zwiespältige Eindrücke: Zunächst fiel sofort auf, dass mehr als nur Traditionsbewusstsein, guter Wille und individuelle Initiative notwendig sind, um das Vorhandene oder, besser gesagt, das Zurückgelassene zum Nutzen einer Gemeinschaft, die in den meisten Orten längst ihre Seele ausgehaucht hat, aufrechtzuerhalten. Es bedarf zum einen finanzieller Mittel, die die Möglichkeiten der Landeskirche und der einzelnen Kirchenbezirke bei Weitem überschreiten; zum andern bedarf es einer Sensibilisierung der rumänischen und der internationalen Öffentlichkeit dem siebenbürgisch-sächsischen Kulturgut gegenüber.

Präsentieren sich die Kirchenburgen in Deutsch-Kreuz, Meschendorf, Bodendorf, Katzendorf und Hamruden in einem guten Zustand, und zwar aufgrund von Renovierungsmaßnahmen, für die EU-Mittel bzw. Mittel der entsprechenden HOGs zur Verfügung gestanden haben, weisen vor allem jene in Radeln und Streitfort gravierende Verfallserscheinung auf, die bereits die Grundsubstanz der Bauten betreffen und dieser große Schäden verursacht haben. Hinzu kommt, dass in diesen Gemeinden kaum noch evangelische Gläubige anzutreffen sind und die Menschen, die sich vor Ort für die Belange der Kirchenburgen und Pfarrhäuser einsetzen, den Problemen nicht gewachsen sind.

Der Star unter den Kirchenburgen bleibt jene in Deutsch-Weißkirch: Am Samstag um die Mittagszeit herrscht in der Gemeinde Hochbetrieb, zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland lassen sich wie gekrönte Häupter von den einheimischen Fuhrleuten über die holprigen Straßen kutschieren, sie steigen zur Burg hinauf , besuchen Kirche und Museum und lassen sich anschließend im Burg-Café bewirten. In Deutsch-Weißkirch hat man es mittlerweile gelernt, wie man sich zu vermarkten hat. Ein Glücksfall der Nachwendezeit, der allerdings den anderen umliegenden Kirchenburgen und -gemeinden sozusagen das Wasser abgräbt.

Erbaulich für die Seele ist der Gottesdienst im Gemeinderaum in Reps: Dechant Dr. Daniel Zikeli feiert mit der Gemeinde und deren Gäste den Gottesdienst zum Sonntag Rogate, der zugleich als Muttertag begangen wird. Im Anschluss daran findet ein Gespräch zwischen den Mitgliedern des Kronstädter Bezirkskonsistoriums und den geladenen Kuratoren bzw. Ansprechpersonen der Gemeinden Reps, Schweischer, Streitfort, Stein und Draas statt. Spätestens jetzt wird einem klar: Hier geht es nicht mehr nur um den Erhalt von Gebäuden und Steinen, sondern es geht um die Nöte, Sorgen und Ängste der wenigen verbliebenen Gemeindeglieder.
Man ist sich bei der Ankunft in Kronstadt einig, dass man, an den Arbeitstisch zurückgekehrt, anhand der gewonnenen Einsichten ganz neue Prioritäten setzen muss, um den vielfachen Problemen des Repser Ländchens und darüber hinaus des ganzen Kronstädter Kirchenbezirks gerecht werden zu können.