Wahlerfolge, Politik, Kommunalverwaltung

ADZ-Interview mit Klaus Johannis, dem Vorsitzenden des Deutschen Forums und Bürgermeister von Hermannstadt

Foto: Marc P. Schroeder

Das Jahr 2012 war für das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) ein ausgezeichnetes Jahr: Sowohl bei den Kommunal- als auch bei den Parlamentswahlen haben seine Vertreter sehr gut abgeschnitten. Landesweit wurden viele gute Kulturveranstaltungen ausgetragen und zahlreiche andere Projekte umgesetzt. Dasselbe gilt für Hermannstadt/Sibiu. Über das zu Ende gehende Jahr sprach mit Klaus Johannis, dem DFDR-Vorsitzenden und Bürgermeister von Hermannstadt, ADZ-Redakteurin Hannelore B a i e r.

Beginnen wir mit den kürzlich erfolgten Parlamentswahlen: Wie erklären Sie das sehr gute Abschneiden des DFDR-Abgeordneten Ovidiu Gan], der fast 40.000 Stimmen erhalten hat?

Es ist ein sehr schönes Resultat für Ovidiu Ganţ und für das Deutsche Forum, dass es die meisten Stimmen von den 18 sogenannten kleinen Minderheiten erhalten hat. Ich denke die Erklärung liegt einerseits in der ausgezeichneten Arbeit von Ovidiu Ganţ und seiner Bekanntheit, andererseits handelt es sich teilweise auch um Sympathie, die dem Deutschen Forum generell gezeigt wird. Beides hat dazu beigetragen, dass Ovidiu Ganţ so viele Stimmen bekommen hat. Es ist bemerkenswert, dass viele Stimmen in Kreisen erhalten wurden, wo wir nicht oder fast nicht vertreten sind, und diese Stimmen kommen evident von Sympathisanten von Ovidiu Ganţ oder dem Deutschen Forum.

Das war meine nächste Frage: Wieso hat das Deutsche Forum im Kreis Jassy oder Prahova mehr Stimmen erhalten als in Sathmar oder Karasch-Severin zum Beispiel, wo es Foren mit guter Tätigkeit gibt?

Insgesamt ist das Resultat als sehr positiv zu betrachten. In Jassy gibt es eine gute Organisation des Forums und da erstaunen mich die vielen Stimmen nicht, sie freuen mich. Erzielt wurden aber viele Stimmen in Kreisen wie Dâmboviţa, wo wir keine klassische Präsenz haben, wohingegen wir in Gebieten, wo wir meinen gut vertreten zu sein, hie und da eine ernüchternde Anzahl Stimmen erhielten. Warum das so ist, werden wir in den nächsten Vorstandssitzungen beleuchten müssen.

Manche Wähler vertreten die Meinung, bei Parlamentswahlen solle aufgrund von politischen und nicht ethnischen Optionen gestimmt werden, und geben deswegen ihre Stimme einer Partei …

Die Wahlen sind frei und jeder kann entscheiden, ob er politisch wählen möchte oder ob er dem Deutschen Forum zum Beispiel seine Stimme gibt. Die Praxis zeigt, dass immer mehr Leute denken, dass sie ihre Stimme lieber dem Deutschen Forum geben als einer wie auch immer gearteten Partei oder Koalition. Für uns ist es wichtig, dass wir diese Stimmen bekommen und wir haben auch immer wieder gesagt, eine Stimme für das Deutsche Forum ist keinesfalls eine verlorene Stimme, auch politisch gesehen. Es ist eine Stimme für den Vertreter der deutschen Minderheit, der durchaus sehr viel bewegt im rumänischen Parlament.

Wie erklären Sie, dass die Bürger u. a. für Personen gestimmt haben, von denen man wusste, dass sie korrupt sind, oder die aus Bereichen kommen, die mit einer Legislative überhaupt nichts gemein haben?

Es ist oft nicht so einfach zu erklären, wieso jemand gewählt wird und eine andere Person, die man als seriöser betrachtet, nicht. Viele Wähler sehen sich ihren Lieblingskandidaten nicht allzu genau an und entwickeln eine gewisse Sympathie für jemanden, den sie wählen, egal was über ihn in der Zeitung zum Beispiel steht. Das ist nicht der Idealfall des Wählers, aber es gibt nun mal Wähler, die Eigenschaften eines Kandidaten in Betracht ziehen, die für andere vielleicht nicht relevant sind. Ich denke, man kann den Wählern da keinen Vorwurf machen. Wenn die dazu berechtigten Behörden feststellen, dass ein Kandidat die Bedingungen erfüllt, um aufgestellt zu werden, kann man dem Wähler schlecht verbieten, den zu wählen.

Anfang August hatte Premier Ponta Ihnen einen Ministerposten angeboten. Tat er es diesmal wieder?

Nein, jetzt wurde mir kein Ministerposten angeboten.

Wieso wird Ihr Name immer wieder als möglicher Premier oder Minister genannt?

Ich denke, da haben das Deutsche Forum und wohl auch ich einen guten Namen in der Politik. Es gibt immer wieder Situationen, wo die Leute sich vorstellen, dass man neue Namen ins Spiel bringen muss oder man vielleicht mit Leuten, die noch nicht so vorbelastet sind, manche Probleme besser lösen kann. So kommt dann auch mein Name ins Spiel. Ich werte das als ein positives Zeichen für die Stadt Hermannstadt, für das Deutsche Forum und für mich als Politiker.

Warum steigen Sie nicht ein in die Landespolitik?

Genannt zu werden ist eines, einzusteigen etwas ganz anderes. Ich hatte bisher nur einmal, im Herbst 2009, den Eindruck, dass mein Dabeisein die Sache bessern könnte und damals hatte ich mich auch bereit erklärt, etwas zu tun. Es ist dann aus anderen Gründen nicht dazu gekommen. Aber in den anderen Situationen hatte ich nicht den Eindruck, dass ich mich auf das Vorgeschlagene einlassen soll.

Gut abgeschnitten hat das Deutsche Forum auch bei den Kommunalwahlen, in Hermannstadt, aber auch in Kronstadt oder Sathmar. Warum wird das Deutsche Forum auf Kommunalebene gewählt?

Weil wir gute Kommunalpolitiker stellen. Ich denke, das ist die ganz einfache Erklärung. Wir haben jetzt schon viele Jahre gezeigt, dass das Deutsche Forum da, wo es Kandidaten aufstellt, Leute hat, die sich um die Lokalverwaltung kümmern und keine krummen Dinge drehen, sodass man Vertrauen in uns hat.

Der Kreisratsvorsitz von Hermannstadt konnte leider nicht wieder gewonnen werden. Wird das die angedachten Projekte – wie das Ferienzentrum auf der Hohen Rinne/Păltiniş oder das Kreiskrankenhaus – gefährden?

Dass Martin Bottesch nicht wieder gewählt wurde, ist konjunkturell bedingt und nicht durch das politische Votum. Wenn man das politische Votum von den Kommunalwahlen verfolgt, stellt man fest, dass sich da seit 2008 sehr wenig geändert hat. Aber da PSD und PNL diesmal gemeinsam einen USL-Kandidaten aufgestellt haben, hat der alle Stimmen auf sich vereint und dieser Situation konnten wir nichts entgegensetzen. Das ist schade. Im Kreis haben für das Deutsche Forum jedoch genügend Leute gestimmt, sodass die Anzahl der Kreisräte beibehalten werden konnte und die DFDR-Fraktion im Kreisrat relativ groß ist. Wir haben uns dennoch entschlossen, nicht im Management des Kreisrates mitzumachen. Das hat politisch gewisse Vorteile, kann aber durchaus dazu führen, dass manche der großen Projekte, die Martin Bottesch und ich angedacht hatten, vielleicht nicht annulliert, aber mit weniger Energie fortgeführt werden. Es ist allgemein so, dass ein neuer Politiker seine eigenen Projekte mitbringt, und bei uns ist es nicht üblich, dass die Projekte des Vorgängers mit viel Energie fortgeführt werden. Es wird sicher etwas Schwung aus Projekten wie Hohe Rinne und Kreiskrankenhaus herausgenommen.

In wieweit ist die Stadtverwaltung abhängig von der Mittelvergabe durch den Kreisrat?

Wir sind ganz unabhängig vom Kreisrat, finanziell sowieso, und das seit vielen Jahren. Die Stadt braucht die Zuwendungen des Kreises nicht und es waren auch in den vorigen Jahren eher symbolische Summen, die die Stadt vom Kreis erhalten hat. Die Stadt hat ihre eigenen Mittel, damit agiert und entwickelt sie sich. Zum Glück.

Wie hat sich das innenpolitisch turbulente Jahr auf die Kommunalverwaltung ausgewirkt?

Es hat – wenn wir es genau nehmen – nicht wirklich Folgen. Die Regierenden oder die Möchte-Gern-Regierenden waren so mit sich selbst beschäftigt, dass das auf die Lokalpolitik keine große Auswirkungen hatte. Was ich schade finde, ist eher das, was durch die Turbulenzen nicht gemacht wurde: Es wurde die Wirtschaft nicht angekurbelt, es wurde im Bereich der Verwaltung keine Klarheit geschaffen, lauter Sachen, die man den diversen Boc-Regierungen vorgeworfen hatte. Die Parteien waren mit dem Enthebungsverfahren so sehr beschäftigt, dass sich niemand um diese Sachen gekümmert hat. Ich hoffe, dass die neue Regierung ihre Aufmerksamkeit nun doch auch auf diese Bereiche richtet.  

In der Stadtverwaltung von Hermannstadt scheint es anders vorzugehen, als in anderen Ortschaften: die Infrastrukturarbeiten werden vorfristig abgeschlossen, es gibt Geld für Investitionen. Woher kommt das?

Es ist das Geld der Hermannstädter und war es von Anfang an. Wenn man über mehrere Jahre mit dem Geld der Kommune gut wirtschaftet, trägt das Früchte, dann hat man Geld für Projekte und kann auch etwas bewegen. Andererseits, wenn man die Chance hat, über mehrere Jahre für die Kommune öffentliche Arbeiten auszuschreiben und umzusetzen, kommt man auch drauf, wie dergleichen am besten anzupacken ist, um schnell und erfolgreich zu Ende geführt werden zu können. Wir haben eine Reihe guter Firmen in Hermannstadt im Bereich Infrastrukturarbeiten. Durch die sehr seriöse Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und diesen Firmen ist es soweit gekommen, dass die Firmen sich bemühen, die Arbeiten schneller abzuschließen, als im Vertrag vereinbart war.

Nachdem 2012 die Brücke über den Zibin in Verlängerung der Neculce-Straße fertig geworden ist  und vorzeitig auch der Bahnübergang beim Kleinen Bahnhof nach umfassender Sanierung dem Verkehr zugeführt wurde, sind für 2013 der Bau eines Bahnübergangs an der Kleinscheuerner Straße und der Bau einer neuen Brücke beim Zibinsmarkt geplant. Woher kommt das Geld?

Das Geld für den Viadukt an der Kleinscheuerner Straße kommt aus europäischen Fonds. Das Projekt ist Teil des nachhaltigen Entwicklungsplanes der Stadt Hermannstadt, der von der EU mitfinanziert wird, und da zahlt die Stadt nur zwei Prozent der Kosten. Die Stadt wird das Geld für die  Generalüberholung der Überführung im Vasile-Aron-Viertel bereitstellen. Die Sanierung wird etwas einfacher sein als bei der Überführung beim Kleinen Bahnhof, weil der Verkehr nicht vollständig eingestellt werden muss. Die geplante Zibinsbrücke soll die vorhandene am Zibinsmarkt ersetzen. Da sind noch Kleinigkeiten mit dem Kulturamt, mit Electrica SA und anderen Behörden zu klären. Ich hoffe, dass wir die Arbeiten 2013 effektiv beginnen. Die Mittel für diese Brücke sind ebenfalls Eigenmittel der Stadt.

Zu den in der Wahlkampagne für das neue Mandat angekündigten Vorhaben gehört die Modernisierung der Wohnblockviertel und begonnen wurde im Vasile-Aron-Viertel. Wie weit sind die Arbeiten fortgeschritten? 

Wir haben mit Arbeiten an den Wasserleitungen begonnen und die sind gut vorangekommen. Die Wasserleitungen sind alle so alt wie das Wohnviertel, also aus den 1980er Jahren, und entsprechen nicht mehr. Die Arbeiten haben im September begonnen und die Wasserleitungen wurden zu einem großen Teil ersetzt. Der Rest wird im Frühjahr erneuert. Parallel dazu planen wir auch schon die nächsten Arbeiten und die umfassen Reparatur und Erneuerung des Fahrbelags, der Gehwege und der zahlreichen Alleen. Die Parkstellen sollen hergerichtet und, wo dies möglich ist, neue ausgewiesen werden, die Grünanlagen und Kinderspielplätze werden neu gestaltet, die Beleuchtung fast vollständig ersetzt. All das wird dazu führen, dass die Wohnviertel zwar nicht größer werden – wir können die Gebäude nicht versetzen – aber besser funktionieren, schöner aussehen und die Leute eine erhöhte Wohnqualität haben.

Wann wird das Vasile-Aron-Viertel fertig sein und welcher Stadtteil folgt?

Welches Viertel an die Reihe kommt, möchte ich jetzt noch nicht kundtun, aber ich denke, das Vasile-Aron-Viertel wird 2014 fertig werden.

Als weiteres Vorhaben kündigten Sie das Konferenz- und Kulturzentrum am Theatermarkt an. In welcher Phase der Planung befindet es sich?

Bei diesem Projekt sind wir in den ersten Planungsphasen. Wir haben intern eine Analyse durchgeführt, um zu sehen, was man alles vorbereiten muss. Es sind eine Menge an Bebauungsplänen und Studien, die vorab gemacht werden müssen und die haben wir für den Haushalt 2013 vorgesehen. Es gibt einen Bebauungsplan für die Altstadt, der erneuert werden muss. Es benötigt einen Bebauungsplan für den Platz, wo das Konferenzzentrum hinkommen soll. Man muss archäologische und geologische Studien bestellen. Alle diese Arbeiten werden 2013 ausgeschrieben. Ich hoffe, dass sie Ende 2013 fertig sind und dann kann man an die eigentliche Planung herangehen.

2012 stand Hermannstadt kulturell im Zeichen des Barock, 2013 sollen die Universitäten und das von ihnen vermittelte Wissen im Mittelpunkt des Kulturprogrammes stehen. Wie stellt man sich das vor?

Wir haben 2012 mit dem Motto „Hermannstadt. Barock.Update“ gute Erfahrungen gemacht und beschlossen, die Kulturjahre weiterhin zu betiteln. Der Titel für 2013 lautet „Sibiu.Smart“, also „Hermannstadt.Schlau“. Damit wollen wir zeigen, dass wir durchaus auch die Universitäten mit in unserer Kulturagenda haben wollen. Ich hoffe, dass das klappt. Und wir wollen darauf hinweisen, dass wir die Universitäten als einen wichtigen Bestandteil der Hermannstädter Kultur überhaupt betrachten.

Wie sieht Ihre Prognose – politisch und was den Finanzbereich angeht – für 2013 aus?

Politisch werden wir ja noch sehen. Vorläufig wird eine neue Regierung konstituiert. Es gibt eine sehr große Mehrheit im Parlament, ein Parlament, das auch sehr groß geworden ist. Es wird sich zeigen, wie sich die Situation weiter entwickelt. Wenn man ein bisschen zurückblickt, kann man sehr leicht die Schlussfolgerung ziehen, dass große Mehrheiten sehr große Probleme haben. Wie sich das im Fall des Parlamentes entwickelt, bleibt noch offen. Ich hoffe, dass es sich gut entwickelt in dem Sinne, dass man eine starke Regierung hat, die endlich auch Maßnahmen umsetzt, die die Wirtschaft wieder ankurbeln, die ein bisschen Klärung in die Verwaltung bringen, usw. Finanziell? Ich glaube nicht, dass 2013 irgendwelche relevanten Unterschiede zu 2012 bringen wird. Ich gehe nicht davon aus, dass die Wirtschaft schrumpfen wird, ich gehe aber auch nicht davon aus, dass man große Fortschritte machen kann.