Wahlkampf in der Außenhandelskammer

Präsidentschaftskandidat Klaus Johannis hielt Vortrag vor deutschen und rumänischen Wirtschaftsvertretern

Am Dienstag hielt der Bürgermeister von Hermannstadt und Präsidentschaftskandidat der ACL Klaus Johannis einen Vortrag in der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer. Er sprach über die Integration Rumäniens in die Europäische Union. Den Schwerpunkt seiner Rede bildeten wirtschaftliche Themen. Johannis attestierte Rumänien eine desolate Verfassung. Zwar befände sich das Land, bezogen auf seine Einwohnerzahl, an siebenter Stelle innerhalb der EU, und hätte allein damit Relevanz, in ökonomischer Hinsicht jedoch stünde es „sehr schlecht da“, sagte Johannis vor deutschen und rumänischen Wirtschaftsvertretern. Ein starkes Rumänien gäbe es nur mit Wohlstand, nur dann hätte das Land einen großen Einfluss innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft.

Johannis sieht derzeit drei relevante Handlungsfelder in der Wirtschaftspolitik: die Unternehmensbesteuerung, die Vergabepraxis öffentlicher Aufträge und die Nutzung von EU-Fördergeldern. „Seit 1990 hat Rumänien keine Steuerphilosophie. Es ist ein radikales Umdenken nötig“, sagte er. Steuerpolitik müsse sich durch Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Klarheit auszeichnen. Häufige Änderungen der Gesetze und die Einführung von Sondersteuern, wie der Treibstoffabgabe, hätten bei Unternehmen Unsicherheit hervorgerufen und das Investitionsklima verschlechtert. Eine mehrjährige Finanzplanung sei deshalb nicht nur für Investoren, sondern auch für Gemeinden unmöglich, konstatierte er. Johannis sprach sich für die Abschaffung von Sonderabgaben und für die Rückkehr zur Steuerflatrate für Unternehmen von 16 Prozent aus. „Die Flatrate hat das Land leistungsfähig gemacht“, so der Präsidentschaftskandidat.

Kritik übte Johannis auch am Vergabeverfahren von öffentlichen Aufträgen. Neben der noch immer weit verbreiteten Korruption sei das Verfahren insgesamt zu kompliziert und zu wenig transparent. Insbeson-dere mit Blick auf ausländische Investoren müssen die bürokratischen Hürden reduziert werden. Er plädierte für die Einführung von Fidic-Verträgen. Das Vertragswerk wurde von der Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils (der internationalen Vereinigung beratender Ingenieure im Bauwesen) im Schweizer Genf entwickelt. Die Fidic-Verträge sind standardisierte Musterverträge für internationale Bauvorhaben. Sie sind so gestaltet, dass aufgrund umfassender und detaillierter vertraglicher Regelungen ein Rückgriff auf nationale gesetzliche Vorschriften nach Möglichkeit vermieden wird. Die Fidic-Verträge finden häufig bei der Vergabe von Aufträgen Verwendung, die von der Weltbank oder der EU finanziert werden.

Ein großes Problem sieht der Hermannstädter Bürgermeister außerdem in der Absorption von EU-Geldern. In der vergangenen Förderperiode von 2007 bis 2013 hat Rumänien nur ein Drittel der insgesamt zur Verfügung gestellten 31 Milliarden Euro abgerufen. Schuld daran sei vor allem mangelnde Kompetenz aufseiten der zuständigen Beamten und Politiker bei der Antragsstellung und Projektplanung. Dabei wären die EU-Mittel unverzichtbar für die regionale Entwicklung und den Ausbau von Straßen und Bahnverbindungen. Der derzeitigen Regierung bescheinigte Johannis zudem eine fehlende Strategie für die aktuelle Förderperiode von 2014 bis 2020. Die aktuelle Liste der angedachten Maßnahmen sei mehr „Wunschzettel“ als Konzept.

Während des Vortrags und der anschließenden Fragerunde bemühte sich der Präsidentschaftskandidat sichtlich um Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Klarheit, so wie er es eingangs von der Steuerpolitik gefordert hatte. Er vermied Stellungnahmen zu konkreten wirtschaftspolitischen Konzepten der PNL und verteidigungspolitischen Fragen. Angesprochen auf seine Pläne als möglicher Präsident, sagte er: „Ich finde eine innere Haltung wichtiger als konkrete Projekte. Als ich zum Bürgermeister von Hermannstadt gewählt wurde, hatte ich eine Vision für die Stadt. Diese konnte ich umsetzen. Heute habe ich eine Vision für Rumänien, die ich umsetzen will.“ Der Vortrag geriet so zu einer Wahlkampfveranstaltung in der Handelskammer. Als Vertreter einer arbeitgebernahen Partei war das ein Heimspiel. Es bleibt abzuwarten, ob Hermannstadt ein Modell für Rumänien sein kann und ob sich die Vorstellungen des ehemaligen Physiklehrers im Falle eines Wahlsiegs verwirklichen lassen.