Was man voneinander lernen kann: Universitäten im Donauraum

Erste internationale Konferenz der Donau-Unis in Ulm

Was im Hörsaal verboten ist, war auf der ersten Donau-Konferenz für akademische Bildung ausdrücklich gewünscht: gute Ideen voneinander abschreiben und herausfinden, wie andere Unis Probleme lösen.
Foto: Universität Ulm

2857 Kilometer ist sie lang und gilt damit, nach der russischen Wolga, als zweitlängster Fluss Europas: die Donau. Sie durchfließt dabei zehn Länder – mit höchst unterschiedlichen politischen Strukturen, vor allem aber mit höchst unterschiedlichen Hochschulsystemen. Die allerdings wollen sich einander annähern, voneinander lernen – zum Beispiel unlängst auf der 1. Danube Conference for Higher Education, zu Deutsch: auf der ersten Donau-Konferenz für akademische Bildung, in Ulm. Dort zeigt sich allerdings: Die Bedingungen für Forschung und Lehre in den einzelnen Unis entlang der Donau sind höchst unterschiedlich.

Milos Thumbach von der University of Economic Science in der slowakischen Hauptstadt Bratislava/Pressburg: „Ich sehe, wenn es um die Zukunft unserer Unis geht, Herausforderungen überall. Eine ist die Wettbewerbsfähigkeit: Unsere Universitäten müssen sich verändern. Anstelle von ‘Education’, Ausbildung, muss eher wissenschaftlich geprägtes Lernen stehen. Und anstelle von Forschung im Elfenbeinturm, müssen die Unis zukünftig immer auch darauf schielen, welchen Einfluss auf unser Leben ihre Forschungen haben.“

Gergely Kovács von der Corvinus-Universität in der ungarischen Hauptstadt Budapest: „Es gibt zum Beispiel einen ganzen Haufen Theorien über die ideale Architektur für Gefängnisse, für Krankenhäuser, auch für Schulen. Wie müssen die Gebäude beschaffen sein, um die jeweilige Zweckbestimmung optimal erfüllen zu können? Aber Entwürfe für ideale Uni-Gebäude gibt es nicht. Ich glaube, den Grund dafür zu kennen: Die Anforderungen an Universitäten sind so unterschiedlich, so vielfältig, dass es schwierig ist, hier ein ideales Design zu finden. Aber: Eine Entschuldigung ist das nicht!“

Brainstorming Anfang November in einem Konferenzraum in Ulm. Es geht um die Zukunftsherausforderungen, denen sich (auch) Hochschulen entlang des Donaulaufs stellen müssen. Auf dem Podium saßen Vertreter von Hochschulen aus sechs verschiedenen Ländern. Einziger Bezugspunkt: Alle Unis liegen in der Nähe eines großen Flusses: der Donau.

„Lassen Sie mich erst über die Gemeinsamkeiten der Unis reden, die im Donauraum liegen. Unsere Uni liegt ziemlich dicht an der Donau“, sagte György Drótos, Leiter des Institutes für Management-Wissenschaften an der Corvinus-Universität Budapest. Er nennt als ein Beispiel dafür, was seine Uni im östlichen Donauraum vom Hochschulraum im westlichen Donauraum lernen konnte, die moderne Leitungsstruktur einer Hochschule: „In Ungarn haben wir 2014 das Kanzler-System eingeführt, nach dem Vorbild von Deutschland: Der Kanzler ist seitdem der Verwaltungs-Chef. Das ist ein Aspekt.“ Doch einen gravierenden Unterschied zwischen dem deutschen und ungarischen System gibt es: „Der Kanzler wird bei uns nicht vom Rektor oder vom Senat ausgewählt oder vorgeschlagen, sondern direkt vom Premierminister ernannt. Das bedeutet: Wir haben hier eine Art Abhängigkeit von der Regierung.“ Hier, so schien es allen, lässt der autoritäre Regierungsstil des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán grüßen.

Ein paar hundert Kilometer donauabwärts plagen die Hochschulvertreter dagegen ganz andere Sorgen. „Wenn Sie nach Serbien kommen, werden Sie sehen: Die Unis hier sind weitgehend autonom, die Regierung mischt sich nicht ein. Aber: Mit der finanziellen Ausstattung könnte es besser sein“, klagt Professorin Ivanka Popovic, die als stellvertretende Rektorin der Universität Belgrad für internationale Zusammenarbeit zuständig ist. Immerhin: Serbien ist ein Beitrittskandidat der Europäischen Union. Deshalb können die Hochschulen dort vom europäischen Forschungs-Förderprogramm „Horizon“ profitieren – ein Hoffnungsschimmer für die eher klammen Unis. Und auch beim europäischen Studierendenaustausch „Erasmus“ sind sie seit neuestem dabei – wenn auch vorerst nur mit Einschränkungen: „Weil Serbien ein ‘Partner-Land’, aber noch kein vollwertiges, sogenanntes ‘Programm-Land’ ist, dem alle Erasmus-Möglichkeiten offen stehen, können wir nur mit denjenigen europäischen Universitäten zusammenarbeiten, die uns von sich aus zu einer Zusammenarbeit eingeladen haben.“

Nach eher zögerlichem Interesse zum Programmstart suchen, so Ivanka Popovic, nun aber immer mehr Unis auch aus West-europa die Verbindung zu Belgrad. Allerdings: Während serbische Studierende sich regelrecht darum reißen, via Erasmus vor allem in westeuropäische Unis hineinzuschnuppern, sei die Nachfrage von Studierenden aus anderen europäischen Ländern nach einem Gastaufenthalt in Belgrad durchaus noch ausbaufähig.

Zum Beispiel der Austausch mit Deutschland: „Eigentlich hoffen wir, irgendwann einen Zustand der Parität zu erreichen: Dass genauso viele Studierende von Deutschland aus nach Belgrad kommen, wie umgekehrt unsere Studierenden ein Erasmus-Semester an deutschen Unis verbringen. Im Moment kommen auf zweieinhalb Studierende, die von uns nach Deutschland gehen, ein Deutscher, der zu uns kommt”, so die Professorin aus Belgrad.

Gerade weil die Hochschulsysteme sehr verschieden sind, können die einzelnen Universitäten aber voneinander lernen. Für Probleme gibt es die unterschiedlichsten Lösungen, die sich dann aber doch von einem auf das andere Land übertragen lassen. Professor Mischa Seiter von der Universität Ulm, Organisator der Tagung, nennt dafür ein Beispiel aus der Slowakei: „Dort war ein interessantes Beispiel, dass EU-Fonds nicht abgerufen wurden. Das ist gerade im Thema Forschungsförderung oder bei der Weiterentwicklung administrativer Strukturen offenbar häufig der Fall. Das heißt, dass Mittel, die außerhalb der Länder zur Verfügung gestellt werden, trotzdem nicht dort ankommen, wo sie sinnstiftend sind.“ Auf solche Förderfonds aufmerksam machen, erfahren, wie man sie wo abruft – das war ein wichtiger Aspekt der Zusammenkunft.

Dort wurde auch immer wieder über ein Problem geredet, das vor allem die Bildungssysteme in den östlichen Donauländern belastet: Der so genannte Brain-Drain. Nicht nur Fachkräfte sondern auch talentierte Studierende gehen demnach von vornherein an westeuropäische Unis – und bleiben nach dem Abschluss auch dort. Allerdings läuft es manchmal auch anders herum: Versperrt der Numerus Clausus deutschen Studierenden den Weg, beispielsweise zum Medizinstudium, gehen viele vorerst zum Studieren an die medizinischen Fakultäten im osteuropäischen Donauraum – beispielsweise nach Ungarn.           

György Drótos von der Corvinus-Universität spricht hier von einem Vorteil für beide Seiten: „Wir haben exzellente Fachleute an unseren medizinischen Fakultäten. Und die Ausstattung dort ist auch gut. Das ungarische Hochschulsystem benötigt natürlich zusätzliches Einkommen. Und deutsche Interessenten können hier ohne Zulassungsbeschränkung studieren. Ich weiß von den Vertretern der medizinischen Fakultäten, dass sie zehnmal so viel Bewerber aufnehmen könnten, wie derzeit vorhanden. Das ist wirklich eine Win-Win-Situation.“

Es gibt also Verbindendes wie Trennendes zwischen den Hochschulsystemen in den Ländern des Donauraums. Einig sind sich auf der Konferenz die Vertreter aus allen Ländern, dass die Kooperationen ausgebaut werden sollen – und dass die Unis, im Zuge gesellschaftlicher und technologischer Umbruchsysteme, einem rasanten Wandel unterworfen sind. Ein Ziel allerdings sollten sie, so die Forderung von Gergely Kovács von der Corvinus-Universität Budapest, immer im Blick haben: „Einerseits sollen die Universitäten gute Bürgerinnen und Bürger, auch gute Mitarbeiter ausbilden. Aber auf der anderen Seite haben sie eine weitere wichtige Aufgabe: Sie sollen auch kleine Revolutionäre hervorbringen – Leute, die die Gesellschaft herausfordern, neue Denkwege beschreiten, alles irgendwie ein bisschen zum Besseren verändern wollen.“

Aus Rumänien beteiligte sich keine einzige Universität.