Was nun mit all den Schuldnern?

Die rumänische Gesellschaft schiebt einen riesigen Schuldenberg vor sich her

Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Fortsetzungen, scheinbar zu einer globalen Plage ohne bisher wirksame Gegenmittel geworden, hat die Menschen hierzulande, wie vielerorts sogar in der reichen Welt, in eine gefährliche existenzielle Lage gebracht, die schier ohne konkrete Lösung scheint. Der von den Rumänen so sehnlichst erwünschte rettende Strohhalm, den 2007 geschafften Eintritt in die Wohlstandsgesellschaft EU, hat nur zum Teil die erhoffte Rettung vor sozialer Ungerechtigkeit und Armut gebracht. Zu der zunehmenden und alles überschattenden Politisierung unseres gesellschaftlichen Lebens, dem ewigen Parteienstreit um Macht- und Geldpfründe, kamen noch die soziale Misswirtschaft des Staates (siehe das kranke Gesundheits- und Bildungswesen), aber vor allem die rapide Verarmung der Bevölkerung hinzu. Sechs Jahre nach dem EU-Beitritt steckt die rumänische Wirtschaft tief in der Krise. 8,5 Millionen Bürger, ganze Landstriche vor allem in der Moldau oder Donauebene, leben, laut Statistik, in Armut.

Das Gefährlichste jedoch ist, dass die rumänische Gesellschaft, vom Normalbürger bis zum Staat, derzeit einen riesigen Schuldenberg vor sich herschieben muss. Nicht nur der Staat hat sich beim Internationalen Währungsfonds IWF mit vielen Milliarden Euro, also bis über die Ohren, für Jahrzehnte, gar für die kommende Generation, verschuldet, alle Staatsbetriebe und Privatfirmen haben schwer drückende Bankkredite aufgenommen. Zu den Großschuldnern gehören erstens der Staat selbst und die Staatsbetriebe. Die schönen Versprechungen haben aber auch die Bevölkerung in den Schuldenstrudel gerissen: Derzeit haben 4,3 Millionen rumänische Bürger Schulden bei den Banken. Der unmäßige Schuldenberg macht heute in unserem Land sage und schreibe über 26,7 Milliarden Lei aus!? Diese Schuldensumme ist nun im Jahr 2013 elfmal größer als die des Jahres 2008.

Laut Statistik führen auf Landesebene die Bukarester die Liste der Schuldner mit mehr als zehn Milliarden Lei an, es folgen die Landeskreise Klausenburg (1,4) und Temesch (1,2). Die restlichen Landeskreise weisen hohe, aber Gesamtschulden unter der Milliardengrenze auf. Die im Kreis Galatz angehäuften Schulden von 717 Millionen Lei sind z. B. 28 mal höher als die des Jahres 2008. Am wenigsten verschuldet stehen zurzeit die Landeskreise Covasna (95 Millionen) und Teleorman (80 Millionen) da – der Grund könnte aber auch bei dem kleineren Wirtschaftsvolumen oder vielleicht an der größeren und undurchsichtigen Schattenwirtschaft(?) liegen.

Kredite für Abzahlung von Krediten

Am stärksten hat es, bestimmt auf Dauer, den Großteil der Normalbürger erwischt: Von der allzu legalen Profitgier der Banken angelockt, haben sich auch hierzulande, nach dem westlichen Lebensmuster auf Pump, viele Leute, darunter gar Rentner und Sozialhilfeempfänger, für Jahre in gefährliche Konsumkredite gestürzt. Benötigt wurden sie für allerhand Dinge, angefangen von Plasmafernsehern, Staubsaugern und Kühltruhen bis zum Urlaub. Das Leben wurde in den letzten Jahren immer teurer. Arme Leute mussten da Kredite selbst für die Begleichung der monatlichen Nebenkosten, der hohen Gas-, Wasser- und Stromrechnungen aufnehmen. Und nun? Mit dem Rücken zur Wand nehmen immer mehr Leute Kredite auf, um die Ratenzahlungen ihrer Schulden loszuwerden. Die Statistik sagt, dass ein rumänischer Normalverdiener zurzeit etwa 30 Prozent seines Einkommens für das Tilgen seiner Schulden aufbrauchen muss.

Was nun mit all den Schuldnern im Land? Das Leben muss doch, verschuldet oder nicht, irgendwie weitergehen. Hoffent-lich greift Väterchen Staat nicht gleich auf die verhassten Schuldnergefängnisse aus dem England der viktorianischen Zeit zurück. Man kennt das nur zu eindrücklich aus den Romanen von Charles Dickens: Die Schuldner, ob nun anständige Leute oder nicht, lebten ihr Familienleben, mit Frau und Kindern, in den wohnungsartig eingerichteten Gefängniszellen für kürzere oder für längere Zeit weiter. Nur hinter Gittern.
Ein erster zaghafter Versuch, eine gesetzliche Lösung zu finden, wurde mit einem entsprechenden Gesetzesvorschlag schon 2008 im rumänischen Parlament gemacht. Der Vorschlag geistert leider bis zum heutigen Tag, ohne ein konkretes Gesetz werden zu wollen, durch die prunkvollen Säle des Hauses des Volkes. Laut Projektvorschlag sollte man den rumänischen Schuldnern damit unter die Arme greifen und vor allem jenen, die Schulden bei den Banken oder Wohngemeinschaften nicht abzahlen können, eine zweijährige Schonfrist einräumen. Die derzeitige Regierung hat jedoch diese populäre, aber riskante Großaktion vorerst abgeblasen.

In Temeswar hat die Lokalpolizei auf Anraten von Bürgermeister Nicolae Robu z. B. eine kleine Ersatzlösung auf Lokalebene ausgearbeitet: Jene Bürger der Stadt, die ihre anstehenden Geldstrafen nicht bezahlen können oder wollen, haben dafür eine gemeinnützige Arbeit zum Wohl der Stadtgemeinschaft zu entrichten. Das wäre nämlich ganz gut bei den stadteigenen Unternehmen, beim Wegebau, beim Unternehmen für die Verwaltung der Gemüsemärkte Pieţe AG, im Gartenbausektor oder beim Betrieb für Stadtverkehr machbar. Eine derartige Verfügung der Kommunalverwaltung muss aber noch von der Temescher Präfektur abgesegnet werden.