Weniger Geld für die freie Kulturszene

Künstler protestieren im ganzen Land gegen Beschluss des Finanzministeriums

Protest am 18. Mai in Hermannstadt

Am Abend des 13. Mai tritt eine Gruppe von jungen Künstlern auf die Bühne des Nationaltheaters in Klausenburg/Cluj-Napoca, wo gerade die Verleihung der UNITER-Theaterpreise stattfindet. Den Künstlern des unabhängigen Theaters „Reactor de Creație și experiment“ wurde der Preis des British Council in Bukarest für ihr Engagement im sozialen Bereich verliehen. Doch statt einer Festrede sangen sie im Chor eine berühmte Arie aus Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“. Nur mit anderen Versen. Im Lied ging es unter anderem um die Unterfinanzierung der freien Kulturszene, um Budgetkürzungen, um das Ministerium und um die Probleme bei der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds (AFCN).

„Für alles, was wir in den letzten Jahren geschaffen haben, gibt es zwei Verantwortliche: wir, die Künstler, und die lokalen und nationalen Behörden. Ohne eure Unterstützung ist unsere Kraft sehr gering. Obwohl das Finanzministerium in diesem Jahr beschlossen hat, das Budget der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds – also unseres wichtigsten Geldgebers – um 30 Prozent zu kürzen und obwohl das Klausenburger Bürgermeisteramt glaubt, dass wir ein ganzes Jahr voller Veranstaltungen mit einem Budget schaffen werden, das zehnmal kleiner ist als das Budget dieser Gala, freuen wir uns, dass wir hier sind. Wir sind nicht die einzigen in dieser Situation und wir wissen, dass es wichtig ist, eine gemeinsame Stimme zu haben, die auch gehört wird“, sagte Oana Mardare, Leiterin von „Reactor“, bei der Annahme des Preises. Die freie Kulturszene in Rumänien kämpft zurzeit mit großen Problemen.
Am 2. Mai hat das Finanzministerium beschlossen, das Budget der einzigen Institution, die unabhängige Kulturprojekte fördert, um 30 Prozent zu kürzen.

Die einzige Institution in Rumänien, die unabhängige Kulturprojekte finanziert

„Reactor“ in Klausenburg wurde 2014 gegründet. „Es gibt viele Absolventen der Schauspielhochschule, aber zu wenige Arbeitsplätze im Theaterbereich. ‘Reactor’ ist offen für alle Künstler, die etwas mitzuteilen haben. Hier kann ihre Stimme gehört werden“, meinten die Leiter damals. Fünf Jahre danach ist „Reactor“ von der jungen Künstlerszene in Klausenburg und in Rumänien kaum wegzudenken.

„Reactor“ tut das, was kein staatliches Theater in Rumänien macht: bietet Hospitanzen für junge Dramatiker, veranstaltet Projektwettbewerbe und Workshops, setzt viel auf Erziehung durch Theater und bietet Veranstaltungen für ein junges Publikum, das von den staatlichen Institutionen oft ignoriert wird. Geld für die Projekte gibt es von Sponsoren, dem Bürgermeisteramt und vom Nationalen Kulturfonds.
Wie „Reactor“ gibt es Hunderte von anderen freien Kulturvereinen in Rumänien, die mit wenig Geld versuchen, das zu tun, was staatliche Institutionen nicht tun. Theater- und Tanzproduktionen, Musikfestivals, Ausstellungen, Hospitanzen und vor allem Veranstaltungen an Orten, wohin Kultur kaum gelangt – in Dörfern und Kleinstädten, wo es keine Theater, Kinos, Opernhäuser und Museen gibt.

Solche Initiativen werden seit 2005 von der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds (AFCN) unterstützt. Es gibt zweimal pro Jahr einen Aufruf für einen Projektwettbewerb, an dem sowohl unabhängige Kulturvereine als auch staatlich finanzierte Kulturinstitutionen teilnehmen können. AFCN ist die einzige Institution in Rumänien, die kulturelle Investitionen und Projekte nichtstaatlicher Träger fördert und auch privat-öffentliche Partnerschaften unterstützt.

Die Konkurrenz ist groß – beim letzten Wettbewerb wurden zum Beispiel bei der Kategorie „Festivals“ über 150 Projekte eingereicht. Darunter bekannte Namen wie das Astra-Dokumentarfilmfestival aus Hermannstadt, internationale Filmfestivals wie „Anonimul“ oder TIFF, das Enescu-Musikfestival oder „Jazz in the Park“. Aber auch kleine Projekte wie Filmkarawanen auf dem Land oder Theater für Kinder, die aus armen Verhältnissen kommen. Diese Projekte sind vielleicht nicht sehr bekannt, aber sie bewirken viel.
Die maximale Finanzierung für ein Kulturprojekt beträgt 80.000 Lei. Das ist zwar wenig, jedoch ohne dieses Geld könnten viele unabhängige Organisationen ihre Projekte nicht entwickeln und viele Künstler hätten kein Einkommen.

Sechs Millionen Lei wurden aus dem Budget gestrichen

Am 1. Mai, zwei Wochen vor Veröffentlichung der Ergebnisse des Wettbewerbs, kam die Nachricht, die für Aufruhr in der Kulturlandschaft sorgte: Die rumänische Regierung hat beschlossen, sechs Millionen Lei aus dem Budget des Kulturfonds zu streichen. Und das, obwohl es nicht um Geld vom Staatsbudget geht – AFCN finanziert sich von den Gewinnen der rumänischen Lotterie.
Die Künstlerszene reagierte sofort und am 2. Mai wurde eine Petition erstellt: „Angriff auf die Kultur - die rumänische Regierung streicht 30% des Budgets des Nationalen Kulturfonds. Wir fordern 100% für die Kultur“. Bis heute haben etwa 2000 Personen unterschrieben. Darunter viele Künstler aus verschiedenen Bereichen, aber auch Kulturliebhaber, die sich dessen bewusst sind, dass sie in diesem Jahr weniger Veranstaltungen besuchen werden.

„Im Konto von AFCN sind 37 Millionen Lei, doch das Ministerium hat beschlossen, dass nur 31 Millionen davon ausgegeben werden können, obwohl dieses Geld nicht vom Staatsbudget kommt“, erklären die Autoren der Petition.
Es folgten vergebliche Bemühungen des unabhängigen Kultursektors, das Geld zurückzugewinnen: darunter Audienzen in der Kulturkommission der Abgeordnetenkammer und ein Treffen mit dem Kulturminister Daniel Breaz, der nicht zu verstehen schien, wie der Nationale Kulturfonds überhaupt funktioniert. „Bei AFCN muss das Geld nicht bis Jahresende ausgegeben werden. Da es zwei Projektwettbewerbe gibt – einer im Frühjahr und der andere im Herbst – bekommen die Kulturinstitutionen, die Finanzierung im Herbst-Wettbewerb erhalten haben, ihr Geld erst Anfang Januar, also ist es normal, dass Ende Dezember noch Geld auf dem Konto der Kulturfonds ist. Außerdem meinte der Kulturminister, dass die 6 Millionen Lei vielleicht für den Wettbewerb im Herbst verwendet werden können. Trotzdem gibt es viele Kulturvereine, die das Geld nicht mehr nutzen können, da ihre Events zum Beispiel im Sommer stattfinden. Das ganze Programm wurde aus Inkompetenz durcheinandergebracht. Es kann nicht sein, dass du als Minister keine blasse Ahnung davon hast, wie die einzige Institution funktioniert, die die freie Kulturlandschaft fördert“, meinten Vertreter der freien Kulturlandschaft.

Am 14. Mai wurden die gekürzten Listen bekannt gegeben: 30% weniger finanzierte Kulturprojekte, das bedeutet konkret, 71 Projekte aus verschiedenen Bereichen, die nicht mehr stattfinden können. Darunter wichtige Musik-Filmfestivals, Tanzveranstaltungen und Events, die in Dörfern stattfinden. Hunderte von Künstlern können nicht mehr schaffen, doch der größte Verlierer ist das Publikum – mehrere Tausend haben keinen Zugang mehr zur Kultur.

In Leichensäcke gekleidet

In der Woche nach Bekanntmachung der Listen mit den Gewinnern und Verlierern gab es mehrere einzelne Protestaktionen in Bukarest. In Leichensäcke gekleidet, haben sich mehrere Künstler auf die Treppen vor das Finanzministerium gelegt.
„Wir haben uns entschlossen, eine Performance zu machen und uns in Louis-Vuitton-Leichensäcke zu kleiden. Natürlich mit 30% Rabatt. Da Herr Finanzminister Teodorovici dadurch bekannt ist, dass er Luxusmarken bevorzugt und Vuitton-Turnschuhe trägt. Auf einer Seite gibt es also diese Kultur des Snobismus, auf der anderen Seite tötet er die freie Künstlerszene“, meint der Aktivist Mihail Bumbeș, Initiator der Protest-Performances. Die Vuitton-Leichensäcke waren eine Anspielung auf die Tatsache, dass der rumänische Finanzminister Teodorovici mit teuren Vuitton-Turnschuhen bei einer Veranstaltung für die Europawahlen in Kronstadt/Brașov erschienen ist.
Auch die diesjährige Nacht der Museen am 18. Mai war in Bukarest von einer Reihe von Protesten geprägt. Sie sollten wie ein Alarmsignal für die mangelnde Finanzierung des Kultursektors wirken. „Wir fordern 100% Kultur für alle“. 10.000 Flyer und Aufkleber mit dieser Botschaft wurden in der Nacht der Museen verteilt.

„Die Ministerien für Finanzen und Kultur haben entschieden, dass in Rumänien kein Kulturbedarf besteht, also dass die Finanzierung von kulturellen Veranstaltungen keine Priorität darstellt. 30% des legitimen Budgets des Nationalen Kulturfonds wurden gekürzt, und somit haben 71 Projekte beim letzten Wettbewerb die Finanzierung verloren, obwohl sie theoretisch auf der Gewinnerliste hätten stehen sollen. Auch Museen gehören zu den Verlierern. Wir fordern von der Regierung, in Kultur zu investieren, in Museen zu investieren und vor allem in den unabhängigen Kultursektor zu investieren“, erklärte Dragoș Neamu, Manager der Nacht der Museen, in einer Pressemitteilung.

Minister Breaz in Hermannstadt: „Es gibt Geld“

Über 100 Personen protestierten gegen die Budgetkürzung auch in Hermannstadt/Sibiu, vor dem Sitz der PSD. Das geschah am 18. Mai, anlässlich eines Besuchs des Kulturministers Daniel Breaz. „Sie haben die Kultur getötet“, „Wir haben das Recht auf Kultur“, stand auf den Plakaten, die von den Leuten hochgehalten wurden. Bogdan Trif, Leiter von PSD Hermannstadt, beschuldigte die Protestler, aus politischem Interesse der PNL und des DFDR zu handeln und falsche Informationen zu verbreiten, mit dem Ziel, die PSD zu diskreditieren.
Kulturminister Breaz erklärte am selben Tag auf einer Pressekonferenz in Hermannstadt: „Das Budget des Nationalen Kulturfonds wurde nicht gekürzt. Das Geld ist da. All diese Informationen, die im öffentlichen Raum verbreitet werden, sind falsch“.
Falsch sind jedoch die Aussagen des Kulturministers. Die Fonds sind weiterhin gekürzt, 30% der Projekte sind in Gefahr, nicht mehr stattfinden zu können.

Ein hellblaues Poster, auf dem ein Galgenmännchen gezeichnet ist, wurde zum offiziellen Poster der Künstlerkampagne. Der Text auf dem Poster erklärt: „Die Regierung hat 30% der Fonds für die freie Künstlerszene gestrichen. 71 Projekte sind ohne Finanzierung durch den AFCN geblieben. Das bedeutet: wenigstens 1500 Künstler ohne Einkommen und über 40.000 direkte Nutznießer ohne Zugang zur Kultur. Wir fordern 100% Kultur für alle“. Die freie Künstlerszene ist sich einig: die Proteste werden weitergehen, es muss Druck ausgeübt werden, damit das Geld freigegeben wird. Doch das ist leider wenig wahrscheinlich. Proteste waren auch während des Internationalen Festivals TIFF aus Klausenburg zu erwarten, das diese Initiative unterstützt.
Vorläufig kleben die hellblauen Poster auf den Türen mehrerer Institutionen im Land. Die Leute, die daran vorbeigehen, sollen verstehen, dass sie die großen Verlierer sind. Weniger Kultur bedeutet: Wir sind ärmer.