Wenn es weihnachtet in Rothberg

Eine Waldorfschule voll Zukunftspläne

Die Kirche in Rothberg ist in den letzten Jahren durch Eginald Schlattner bekannt geworden

Einzug der Laienspieler in die Kirche

Angesehene Gäste aus Hermannstadt waren nach Rothberg gekommen

Beide Krippenspiele schufen echte Weihnachtsstimmung
Fotos: Cristian Sencovici

Hermannstadt -Einmal im Jahr, in der Vorweihnachtszeit, erstrahlt die Rothberger Kirche im alten Lichterglanz. Ein warmer Schimmer dringt durch das Geäst der Bäume im Kirchhof und ersetzt den Klang der Glocken durch Lichtsignale: Kommet herbei! Und die Roma-Kinder der Waldorfschule, Eltern, Geschwister und Freunde aus dem nahen Hermannstadt/Sibiu strömen zur Kirche. Eine anheimelnde Atmosphäre empfängt sie. Es ist angenehm warm im Kirchenraum, drei uralte Leuchter verbreiten  ein gedämpftes  Licht im Hauptschiff und verdecken  alte Mauerschäden. Im Kirchenchor umrahmen grüne Tannenbäume den Ort des Geschehens; bekrönt vom romanischen Triumphbogen mit seiner farbschönen barocken Malerei. Das Prunkstück der Kirche, der eigenartige Rothberger Altar, hat diesmal in der Apsis seinen Ehrenplatz und bildet den Gegenpol zur Orgel auf der Westempore. Die warmen Klänge der neurenovierten Orgel und Kindergesang leiten das Geschehen ein.

Von den drei in aller Welt bekannten Waldorf-Weihnachtsspielen werden hier zwei aufgeführt. Es sind dies das „Paradiesspiel“ und das „Christgeburtsspiel“. Ersteres in der Aufführung der achtklässigen Romaschüler, das zweite, kompliziertere wird von den Waldorflehrern dargebracht. Es handelt sich um Weihnachtsspiele aus dem Mittelalter, die von Rudolf Steiner bei der deutschen Minderheit in Ungarn (woher er stammte) entdeckt, aufgezeichnet und danach durch seine Schulen in der ganzen Welt verbreitet wurden.  Der deutsche Text wurde hier in ein klangschönes Rumänisch übersetzt, die Liedtexte desgleichen, angepasst an die beeindruckenden Melodien deutscher Weihnachtslieder. Die vollen Orgelklänge, die frohen Kinderstimmen, passende Kostüme und der festliche Rahmen ließen die Aufführung zu einem Erlebnis werden. Wer das erlebt hat, kommt gern wieder, und auch diesmal war die Kirche voll mit Schülern und Eltern, selbst die Familie von Frau Konsulin Urban ließ sich diese Festspiele nicht entgehen.

Seit die Waldorfschule, nach einem missglückten Start in Hermannstadt, im abgelegenen Rothberg/Roşia eine feste Bleibe gefunden hat, tut sich hier im Stillen einiges, was man anderswo nur zu träumen wagt. Nachdem das Unterrichtsministerium zum Experimentierfeld politischer Emporkömmlinge geworden ist, kann das Bildungswesen vielerorts als katastrophal bezeichnet werden, vor allem was die Romakinder anbelangt. Armut und Arbeitslosigkeit der Eltern lassen viele Kinder der Schule fern bleiben. Halbherzige Lösungen werden versucht und aufgelassen, die Unterbezahlung der Lehrer tut ein übriges.

Die Rothberger Waldorfschule hat ihre eigene Lösung gefunden, seitdem die Bundesdeutsche Annette Wiecken in Siebenbürgen im Einsatz ist und ihr hier von den lokalen Behörden keine Steine in den Weg gelegt werden. Ganz im Gegenteil: der Schulleiter, der Bürgermeister und nicht zuletzt der wohlbekannte Pfarrer Eginald Schlattner stehen ihr getreu zur Seite und helfen, wenn Not am Mann ist. Pfarrer Schlattner freut sich besonders, wenn seine Kirche wieder mal voller Leben ist.

Frau Wiecken ist nicht nur Fachlehrerin, Leiterin und Betreuerin der Waldorfschule, sondern kümmert sich um alles, was so eine Schule braucht, um gut zu funktionieren. Eine neue Schule, eine Kantine nebst Gästezimmern und ein Kindergarten entstanden im Laufe der Jahre; Gastlehrer, regelmäßiger Erfahrungsaustausch, getreue Sponsoren gehen alle auf ihr Konto, und das ist noch nicht alles. Ihre Schule besuchen inzwischen rund 90 Schüler, im Kindergarten sind weitere 30 Vorschüler eingeschrieben. Was aber tun, wenn die Schüler nach Abschluss der Grundschule im Dorf hängenbleiben, da es bislang nur einer geschafft hat, sich eine Fortbildungsschule zu leisten? Eine Fachschule muss her, war ihr Vorschlag, und sie machte sich an die Arbeit.

Bald ist es soweit: im Herbst wird für die Jungen eine Schlosserei-Werkstatt bereitstehen, im benachbarten Thalheim/Daia stehen Praktikantenplätze bereit, man kann nach Abschluss der Fachschule dort im Betrieb für Plastikartikel weiterarbeiten oder es privat versuchen. Auch die Mädchen wurden nicht vergessen. Die Schule verfügt über einen Lehrer für Gartenbau, der im Herbst eingesetzt werden kann. Hier entsteht genau das, was vor Jahren in die Brüche ging, als man die Fachschulen auflöste und viele Jugendliche abseits liegen ließ, weil sie ein Studium sowieso nicht geschafft hätten. Und auf dem Arbeitsmarkt fehlen die nötigen Facharbeiter...
Wenn die Weihnachtsspiele ausgeklungen sind, kehrt wieder Ruhe und Stille in die uralten Kirchenmauern ein.

Eine der ältesten Kirchen der Siebenbürger Sachsen fällt wieder in ihren Dornröschenschlaf zurück, nur die beleuchteten Fenster des Pfarrhauses erinnern daran, dass das Leben weitergeht. Und im Sommer kommen sie dann vorbei, die vielen neugierigen und wissensdurstigen Touristen, die einen evangelischen Pfarrer kennenlernen wollen, der das Schicksal seines Völkleins durch Bücher und Filme in der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Alt und neu – hier lebt es harmonisch nebeneinander...