Wir Christen sind Menschen der Hoffnung

Ignaz Bernhard Fischer, Temeswar

Wir Menschen leben in der Hoffnung, denn die Gegenwart bringt uns nicht das ersehnte Heil. Wir erwarten es von der Zukunft. Wir hoffen! So vergehen die Jahre, wir werden alt und hoffen noch immer. Wie lange noch und auf was? Wenn wir ein hohes Alter erreichen und unsere Hoffnungen nicht in Erfüllung gehen, was dann? Der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn hat diese Situation in seinem Werk „Krebsstation“ erschütternd dargestellt. Der vitale Parteifunktionär Jefrem wird in die Krebsstation eingeliefert. Was war er doch für ein Mann gewesen! Bisher genoss er das Leben in vollen Zügen und war von strotzender Gesundheit. Und jetzt? Alle seine Hoffnungen brechen zusammen. Was hat er noch von seinem Leben, das nach seiner Überzeugung einmalig ist, zu erwarten? Seine Tage sind gezählt. In der Bibliothek findet er ein Buch von Leo Tolstoi. Dieser hatte geschrieben: „Gott ist das Leben“. Er hatte ihn als religiösen Spinner verspottet. Aber jetzt stellt sich ihm die bohrende Frage: „Wovon leben die Menschen?“ Jefrem fragt seine Leidensgenossen in der Krebsstation. Die einen sagen „vom Geld“, andere „vom Essen“, „vom Wasser“, „von der Luft“. Jefrem schreit: „Aber das reicht doch nicht!“

Er hat Recht. Wenn das Leben zu Ende geht, reichen alle diese Dinge nicht. Der Mensch benötigt mehr als Gesundheit, Geld und Vergnügen, denn diese Güter sind schnell zu verlieren. Der Mensch benötigt die Hoffnung wie das tägliche Brot. Aber worauf soll sich unsere Hoffnung gründen? Das Glaubensbekenntnis des atheistischen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804–1872) lautet: „Ich glaube an den Menschen. Ich glaube an den Heiligen Geist des Fortschritts!“ Was heißt Fortschritt? Was hat der Mensch in seinem Egoismus und Hochmut mit dieser Einstellung fertiggebracht? Zwei Weltkriege, Diktaturen, Wirtschaftspleiten und Waffensysteme, die unsere Existenz bedrohen. Der Fortschritt bringt viele giftige Früchte hervor. Kann der Mensch, der Gott aus seinem Leben ausschaltet, der egoistisch, habsüchtig, machtlüstern und genussgierig ist, eine Welt schaffen, die unsere Hoffnungen erfüllt? Unmöglich. Die bisherige Menschheitsgeschichte, voll von Kriegen, beweist das Gegenteil.

Wenn der Mensch Gott aus seinem Leben ausschaltet, auf was setzt er dann seine Hoffnung? Sie muss von außen kommen, ansonsten hätte er sie nicht notwendig. Viele setzen auf Horoskope und okkulte Kräfte ihre Hoffnungen. Es war im November 1951. Ein Ausschuss der UNO tagte in Paris. Gerade hatte der britische Außenminister das Wort ergriffen, da stockte den Diplomaten, Sekretären und Presseleuten der Atem. Eine schwarze Katze stolzierte von links nach rechts durch den Saal. Alle diese „Aufgeklärten“ waren beunruhigt. Die Zeitungen stellten die Frage: Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Recht hat der Dichter Emanuel Geibel: „Glaube, dem die Tür versagt, steigt als Aberglaub´ durchs Fenster. Wenn die Gottheit ihr verjagt, kommen die Gespenster!“

Wir Christen sind Menschen der Hoffnung. Der Glaubenslose fragt, oft bangen Herzens, „Was wird kommen?“. Der Christ fragt anders: „Wer wird kommen?“ Er weiß, wer dieser ist, denn dieser war schon einmal auf unserer Erde und hat diese Welt überwunden. Er wird wieder kommen, „um zu richten die Lebenden und die Toten. Und sein Reich wird kein Ende haben!“ So lautet das große christliche Glaubensbekenntnis, auf das wir uns stützen.

Christen vertrösten sich nicht auf das Jenseits, wie es uns Glaubenslose vorwerfen. Ganz im Gegenteil: Wir werden aus dem Jenseits getröstet. Von dort kommt unser Mut und die Kraft für unsere wichtigste Lebensaufgabe, die Berge des Stolzes und die Hügel des Egoismus abzutragen, die krummen Wege der Sünde durch gute Taten zu begradigen und das Unebene der Lieblosigkeit durch Werke der Liebe zu glätten. Dadurch werden wir zu Menschen, die tatkräftig mithelfen, unsere Welt besser, schöner, gerechter und lebenswerter zu gestalten. Wir Christen sind Menschen der aufgehenden Sonne. Für Menschen, die ihre Hoffnung nur auf dieses Leben setzen, geht die Sonne unter.

An uns hoffenden Christen wird die Weissagung des Propheten Jesaia herrlich in Erfüllung gehen: „Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt!“