„Wir fahren nie nach Rumänien, sondern wir fahren immer nach Hause“

ADZ-Gespräch mit dem Lokalhistoriker aus Großsanktnikolaus, Hans Haas

Hans Haas stellte in Großsanktnikolaus seinen jüngsten Band zur Geschichte der Ortschaft vor. Das Buch erschien mit Unterstützung der Kommune und des Deutschen Ortsforums. Im Anschluss signierte der Autor die verschenkten Exemplare.

Hans Haas wurde zum Ehrenbürger von Großsanktnikolaus ernannt.
Fotos: Zoltán Pázmány

Vor Kurzem wurde in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare im Kreis Temesch das alljährliche Stadtfest begangen. Der Höhepunkt der diesjährigen Feier war eine Buchvorstellung, die die deutsche Minderheit in den Mittelpunkt der Gespräche rücken ließ. Es handelt sich dabei um den rumänischsprachigen Band „Contribuţii la istoria localităţii urbane Sânnicolau Mare şi a împrejurimilor sale“ (auf Deutsch: Beiträge zur Geschichte der Stadt Großsanktnikolaus und ihrer Umgebung) von Hans Haas, einem deutschen Lokalhistoriker, der aus der Perspektive der deutschen Minderheit geschrieben hat. Buchautor Hans Haas wurde 1939 in Großsanktnikolaus – damals Deutschsanktnikolaus – geboren. Nach seinem Schulabschluss besuchte er die Landwirtschaftshochschule in Temeswar. 1975 flüchtete er nach Deutschland, kehrte aber immer wieder nach Rumänien zurück. Über seinen jüngsten Band und über seine besondere Beziehung zu seiner Heimat sprach Raluca Nelepcu mit dem deutschen Hobbyhistoriker Hans Haas.


Bei den Festtagen der Stadt Großsanktnikolaus wurde Ihr Band zur Geschichte von Großsanktnikolaus feierlich vorgestellt. Wen wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Ich wende mich an alle Bewohner der Stadt Großsanktnikolaus, an sämtliche Ethnien, die in dieser Stadt leben. Die bisherigen Monografien, die über Großsanktnikolaus in rumänischer Sprache geschrieben wurden, waren fast ausschließlich auf die rumänische Nation fokussiert. Da habe ich gesagt, wir müssen uns auch zu Wort melden. Die Geschichte von Großsanktnikolaus wurde nämlich nicht nur von Rumänen geschrieben, sondern von allen Minderheiten, die hier seit Jahrhunderten leben. Diese sollten auch mal zu Ehren kommen. Man muss halt manchmal den Finger auf die Wunde legen und das habe ich mit meinem Buch gemacht.
 

Das Buch wurde aus der Perspektive der deutschen Minderheit geschrieben. Wie subjektiv ist denn überhaupt diese Herangehensweise?

Wir haben zweieinhalb Jahrhunderte hier gelebt, sieben Generationen haben hier gewirkt, gearbeitet und etwas geleistet. Warum soll das nicht gezeigt werden? Warum sollen wir unser Licht immer unter den Scheffel stellen? Ich habe mich also hingesetzt und mir Gedanken gemacht. Ich war ohnehin schon vorbelastet geschichtlich, denn Geschichte war schon immer mein Steckenpferd gewesen. Ich habe bereits seit meiner Jugendzeit alles gesammelt. Ich habe mir also vorgenommen, im Ruhestand für meine Landsleute zu schreiben. Der Untertitel des Buchs ist „Aus der Sicht der deutschen Minderheit aus Großsanktnikolaus, die hier zusammen mit anderen Ethnien gelebt hat“. Ich wollte keinem zu nahe treten, aber ich wollte auch unsere Verdienste ein bisschen herausstellen.
 

Wie empfinden Sie die Rolle der deutschen Minderheit heutzutage in Großsanktnikolaus?

Ich kenne sie zu wenig. Aber ich sage immer so: Für uns, die Donauschwaben, die Banater Schwaben, war die Zeit im Banat eine geschichtliche Episode gewesen. Das sind die letzten Mohikaner, die noch übrig geblieben sind, und ich befürchte, dass sie auf verlorenem Posten kämpfen. Aber sie machen das Beste daraus und ich ziehe meinen Hut vor ihnen und vor dem, was sie hier leisten. Die Mehrheit meiner Landsleute ist aber nach Deutschland gegangen.
 

Sie haben aber den Kontakt zu Ihrer Heimat und zu Großsanktnikolaus nie verloren. Wie schafft man das?

Ganz einfach: Ich bin ein Wassermann. Und die Wassermänner sind sehr gefühlsbetont. Mir hat meine Heimat auch früher sehr viel bedeutet. Ich bin zwar illegal abgehauen, aber es war nur das politische System, mit dem ich mich nicht anfreunden konnte. Ich habe die Freiheit gesucht, aber ich habe den Kontakt zu meiner Heimat Rumänien nie verloren. Jedes Mal, wenn ich mit meiner Frau hierher fahre, dann fahren wir nie nach Rumänien, sondern wir fahren immer nach Hause.
 

Wie lange haben Sie an dem Band gearbeitet und wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?

Ich habe drei Jahre lang daran gearbeitet. Ich habe sehr viel gewusst, gelesen und mich viel bei den Alten erkundigt. Mein Großvater hat handschriftlich eine Monografie über den Werdegang der Deutschen im Banat geschrieben und das war eine Quelle für mich. Der Rechtsanwalt Victor Schreyer hat eine ungarische Monografie, die ins Deutsche übersetzt wurde, verfasst. Die rumänischen Monografien, die es gab, habe ich auch verwendet, aber dort lag der Schwerpunkt auf den Rumänen und wir Deutsche waren nur eine Randerscheinung.
 

Sie haben den Titel eines Ehrenbürgers ihrer Heimatstadt Großsanktnikolaus erhalten. Was bedeutet diese Ehrung für Sie?

Das war eine völlige Überraschung. Ich habe damit nicht gerechnet und ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Ich bin aber sehr, sehr stolz. Es ist eine Würdigung meiner Arbeit, die ich für meinen Heimatort geleistet habe, und ich bin sehr dankbar dafür.