Wir leben nicht isoliert auf einer Insel

ADZ-Gespräch mit Ovidiu Ganţ, dem Parlamentsabgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien

Foto: Hannelore Baier

Das Parlament Rumäniens hat seine Arbeiten im Tätigkeitsjahr 2013/2014 beendet und ist seit dem 14. Juli in den Ferien. Mit diesem Parlamentsjahr wurde die Halbzeit der Legislaturperiode 2012 – 2016 erreicht. Über die Parlamentstätigkeit, aber nicht nur, sprach mit Ovidiu Ganţ, dem Abgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), ADZ-Redakteurin Hannelore Baier.

Die laufende Legislaturperiode ist zur Hälfte um. Sie vertreten das DFDR allerdings bereits im dritten Mandat in der Abgeordnetenkammer. Gibt es Unterschiede in der Arbeit im Vergleich zu den vorangegangen beiden Mandaten?

Was die parlamentarische Tätigkeit an sich betrifft, hat sich nichts geändert, ich arbeite weiterhin wie bisher. Dank der nunmehr zehnjährigen Arbeit im Parlament gehöre ich zu den Abgeordneten, die sich nicht mehr ausschließlich in den Fragen der nationalen Minderheiten einsetzen, sondern auch über Europa-Angelegenheiten oder zu außenpolitischen Themen mitreden können. Anders gesagt, ich bemühe mich nicht nur in Angelegenheiten der eigenen Fraktion oder der deutschen Minderheit, sondern vor allem auch in der Problematik der Beziehung zwischen Deutschland und Rumänien. Diesbezüglich befinde ich mich in einer dankbaren Situation im Vergleich zu den Vertretern der anderen Minderheiten, da sie mit internationalen Beziehungen weniger zu tun haben. De facto bin ich auch weiterhin einer der Leiter der Fraktion, da Fraktionsleader Varujan Pambuccian sich ständig mit mir berät, auch wenn ich das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden formell abgegeben habe.

War es, rückblickend betrachtet, der richtige Entschluss, dieses Amt im Frühjahr dieses Jahres abzugeben, in das Sie 2008 gewählt und 2012 wiedergewählt worden waren?

Ich finde die Entscheidung weiterhin als richtig. Erstens, weil die Koalition als solche nicht funktioniert, wie sie es sollte. Es werden Entscheidungen getroffen von der stärksten Regierungspartei, ohne uns, die Fraktion der Minderheiten, zu konsultieren. Dementsprechend kann ich für solche Situationen durch meine formelle Zusammenarbeit nicht einstehen und ich will es auch nicht. Und ich möchte nicht bloß mit manchen politischen Entscheidungen nicht in Zusammenhang gebracht werden, sondern auch mit einigen Personen. Meiner Ansicht nach sollte das Deutsche Forum und die deutsche Minderheit im bevorstehenden Wahlkampf nicht allzu sehr exponiert werden. Was meine Person angeht, ist das etwas anderes.

Hat die politische Atmosphäre sich in den Jahren, in denen Sie das DFDR im Parlament vertreten, verändert?

Nach meinem Eindruck hat der Professionalismus der Abgeordneten massiv abgenommen durch den ständigen Wechsel der Vertreter der Parteien von einer Legislaturperiode zur anderen. Die ständig ins Gespräch gebrachte „Verjüngung“ ist eigentlich kontraproduktiv und trägt dazu bei, dass das Niveau gesunken ist. Meiner Ansicht nach bringen viele der neuen Abgeordneten aber nicht bloß keine Erfahrung im legislativen Bereich, sondern auch eine recht mangelhafte Allgemeinbildung mit. Die Ansicht, jung ist automatisch gut, etwas älter aber nicht, ist falsch. Ich möchte zu bedenken geben, dass es im Bundestag oder im Europaparlament Kollegen gibt, die seit 20 bis 30 Jahren in der Legislative tätig sind. Meiner Ansicht nach kann nur durch eine kontinuierliche Tätigkeit die Arbeit der Parlamentarier professionalisiert werden. Eine rückgängige Entwicklung ist aber leider auch im Bereich der menschlichen Qualitäten und Beziehungen mancher Kollegen festzustellen – was man auch in so mancher Fernsehsendung bemerken kann.

… und all das hat eine negative Auswirkung auf die Qualität der Gesetze …

Es gibt mehrere Gründe für die schlechte Gesetzgebung. Einer ist das vorhin angesprochene Niveau mancher Abgeordneter, ein anderer aber die Tendenz aller Regierungen Rumäniens, am Parlament vorbei per Dringlichkeitsverordnungen eine bestimmte Gesetzeslage zu schaffen. Beide führen dazu, dass die Substanz der parlamentarischen Arbeiten leidet, die Ausschüsse arbeiten nicht substanziell, sondern eher oberflächlich. Ein Grund hierfür ist aber auch die „Neigung“ vieler Abgeordneter und Senatoren, so schnell als möglich aus Bukarest abzuhauen, sie sind nicht bereit zu diskutieren. Nach Ansicht vieler hat die Meinung der Regierungsmehrheit zu gelten und die Opposition hat nichts zu melden. Diese Tendenzen haben sich in den letzten Jahren entwickelt und sind sehr schlecht.

Von den nationalen Medien wenig wahrgenommen, gehören Sie zu den fleißigen und gewissenhaften Abgeordneten, wenn man die Statistik verfolgt, die auf Ihrer Webseite der Abgeordnetenkammer eingesehen werden kann. Beson-ders bei den parlamentarischen Anfragen gehen Sie nicht nur auf Probleme der deutschen Minderheit ein. Warum weitet der Vertreter der deutschen Minderheit seinen Aufgabenbereich aus?

Wir leben als deutsche Minderheit nicht isoliert auf einer Insel. Wir sind in vielen Regionen Rumäniens präsent, wo wir mit der gesamten Bevölkerung zusammenleben, jedwede Problematik kann also sehr schwer auf die eigene Gemeinschaft reduziert werden. Wenn wir von Bildung in deutscher Sprache zum Beispiel reden, so betrifft diese die deutsche Minderheit längst nicht mehr allein. Fragen der Rückerstattung von Eigentum, von Infrastruktur, Autobahnen usw. gehen alle an. Ich fühle mich den Menschen mit anderem ethnischen Hintergrund aber auch verpflichtet, weil viele von ihnen das DFDR gewählt haben bei den Parlamentswahlen und es sicher auch in Zukunft wählen werden. Wenn ich eine parlamentarische Anfrage stelle zu einer kommunalpolitischen Angelegenheit in Hermannstadt/Sibiu, Temeswar/Timişoara oder Sathmar/Satu Mare zum Beispiel, dann tue ich das im Namen von Leuten, die unsere Kommunalvertreter wählen, ohne der deutschen Minderheit anzugehören oder Forumsmitglieder zu sein. Dementsprechend finde ich es selbstverständlich, mich auch um Anliegen zu kümmern, die nicht spezifisch sind für die deutsche Gemeinschaft.

Was die Medien angeht, so gibt es in Rumänien meiner Meinung nach keine unabhängigen Medien. Da sie nicht unabhängig sind, besteht die Neigung, aus dem eigenen Lager positiv und aus dem Gegenlager äußerst negativ zu berichten. Hinzu kommt – besonders was das Fernsehen angeht –, dass good news keine news sind, ich aber nicht bereit bin, zu Sendungen zu gehen, um mit Kollegen zu streiten oder mich mit ihnen zu beschimpfen. Dementsprechend bin ich „unverkäuflich“. Damit kann ich aber sehr gut leben, weil über die deutschsprachigen Medien – nicht bloß die Printmedien, sondern auch die deutschen Fernseh- und die Rundfunksendungen – sowie über Beiträge in den rumänischen Medien ausreichend über meine Tätigkeit informiert wird.

Ein besonderes Interesse der Tätigkeit widmen Sie dem deutschsprachigen Bildungswesen. Sind da Verbesserungen der Lage festzustellen? Wer müsste noch mitwirken, damit die Lage nicht mehr so kritisch ist?

Was das deutschsprachige Bildungssystem angeht, so haben wir es mit einem ewigen Kampf ums Überleben zu tun, leider. Als Verbesserung kann man die Situation noch nicht bezeichnen, wenn ich mich weiterhin dafür einsetzen muss, dass Klassen oder Abteilungen in deutscher Unterrichtssprache nicht ungerechtfertigt geschlossen werden. Wenn man ständig Lehrkräfte ausfindig machen muss, die in deutscher Sprache unterrichten, und man dann auch noch die bürokratischen Hürden abbauen muss, damit diese Leute angestellt werden können. Mit dem Bildungsministerium gibt es ständige Diskussionen über Lehrbücher, die mal erfolgreicher, mal weniger erfolgreich verlaufen. Wir kämpfen zusammen mit den Kollegen in der Fraktion, von denen viele in einer noch schlechteren Lage sind, wenn ich an die Serben oder andere kleine Minderheiten denke. Zurzeit gibt es ein gutes Gesprächsklima mit dem Bildungsminister, dessen Kind in der deutschen Schule in Bukarest lernt, aber die Ergebnisse sind insgesamt mal besser, mal schlechter.

Es gilt desgleichen, die bundesdeutschen Politiker weiterhin von der Notwendigkeit zu überzeugen, in dieses Bildungssystem zu investieren, zumal ein Großteil der Jugendlichen, die unsere Schulen absolvieren, in die deutsche Wirtschaft oder nach Deutschland arbeiten gehen. Das Deutsche Forum kann aber mit der Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland allein die Situation des deutschsprachigen Unterrichts nicht verbessern, da muss der rumänische Staat als der Träger dieses Bildungssystems viel mehr dafür tun. Wichtig ist, nie aufzugeben, sich nie zurückzulehnen und annehmen, jetzt ist es geschafft. Ich bin bemüht, in ständigem Kontakt mit den Schulleitern und Inspektoren zu sein, und bitte auch umgekehrt, von ihnen ständig informieren zu werden, damit ich dann auf politischer Ebene handeln kann. Ich bin der Überzeugung, dass es keine Zukunft für die deutsche Minderheit geben kann, wenn das Bildungssystem in deutscher Muttersprache nicht gesichert ist.

Ein anderes Augenmerk gilt den deutsch-rumänischen Beziehungen. Wie würden Sie den derzeitigen Stand der Beziehungen charakterisieren?

Ich glaube, wir haben sehr gute bilaterale deutsch-rumänische Beziehungen, Deutschland und Rumänien arbeiten aber gut zusammen auch innerhalb der Europäischen Union. Ich habe letztes Jahr den Premier und heuer den Außenminister während deren Besuchen in Berlin begleitet. Meiner Meinung nach hat es dabei sehr gute Gespräche gegeben. In diesen Bemühungen habe ich zurzeit einen sehr guten Partner in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, was nicht immer der Fall war. Aufgrund dieser effizienten und engen Zusammenarbeit sind auch die Ergebnisse leichter zu erzielen und sie sind besser. Dafür bin ich dankbar. Ich habe in den 13 Jahren, seit ich das Deutsche Forum in Bukarest vertrete, eine Einzelkämpfermentalität entwickelt. Der Einzelkämpfer freut sich aber immer, wenn er Verbündete hat und Rückendeckung bekommt aus den eigenen Reihen. Ich fühle mich gestärkt durch die Zusammenarbeit mit dem Landesvorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr, ich arbeite mit ihm genauso gut zusammen wie mit seinem Vorgänger Klaus Johannis. Die menschlichen Beziehungen und das zwischenmenschliche Verstehen sind maßgebend für eine effiziente Politik.

Im November stehen Präsidentschaftswahlen an. Wie sollte das DFDR sich, Ihrer Ansicht nach, verhalten?

Diesbezüglich gibt es wichtige Fragen, deren Beantwortung noch aussteht. Ausschlaggebend für die Haltung des DFDR wird sein, wer die Kandidaten sind. Im Landesvorstand wurde darüber nicht gesprochen, da in der letzten Sitzung noch nicht aktuell, aber ich nehme an, viele der Vorstandsmitglieder werden es genauso sehen wie ich: Sollte es einen rumäniendeutschen Kandidaten geben – natürlich meine ich Klaus Johannis – werde ich 110 Prozent geben wollen, um ihn zu unterstützen, dass er Präsident Rumäniens wird, in der Überzeugung, dass er einen viel besseren Präsidenten abgeben würde als die bisherigen Präsidenten und dass er für sein Land viel mehr tun könnte und würde als seine Vorgänger. Ich finde, es wäre selbstverständlich, dass das Deutsche Forum seinen vormaligen Vorsitzenden unterstützt. Sollte es zu dieser Kandidatur nicht kommen, dann wird sich auch der Landesvorstand eher äquidistant positionieren wollen. Ich hoffe aber, dass Klaus Johannis kandidieren und auch erfolgreich sein wird.