„Wir machen Mut für einen Neubeginn in Siebenbürgen“

ADZ-Gespräch mit Michael Schmidt und Wolfgang Köber

Michael Schmidt

Wolfgang Köber
Fotos: George Dumitriu

Rumänien steckt voller Chancen für Menschen, die einen Neubeginn wagen wollen, davon ist Unternehmer Michael Schmidt überzeugt. Der Leiter der MHS Truck & Bus Group und Automobile Bavaria Group muss es wissen: Kurz nach der Wende kehrte der Siebenbürger Sachse selbst in die alte Heimat zurück. Was damals noch ein Abenteuer war, könnte heute für viele eine reelle Chance auf eine Karriere sein, ob als Angestellter oder als Selbstständiger, meint Michael Schmidt. So will er seine ausgewanderten Landsleute nicht nur dazu ermutigen, einen Neubeginn in Siebenbürgen anzudenken, sondern ihnen auch mit Rat und Tat zur Seite stehen: durch Unterstützung einer Informationsstelle des Siebenbürgenforums „Eine Zukunft in Siebenbürgen“ mithilfe der Michael Schmidt Stiftung, mit Wolfgang Köber als Ansprechpartner. Darüber hinaus setzt sich die Stiftung seit Langem für politische, schulische, wirtschaftliche und kulturelle Belange in Rumänien ein, was das Land letztlich auch attraktiver für Zuwanderer macht. Beispiele sind die Gründung des Rumänisch-Deutschen Forums für bilaterale Zusammenarbeit, die Unterstützung des deutschen Schulwesens oder die Haferland-Kulturwoche, die sich nun vom 9. bis 14. August zum fünften Mal jährt. Am Rande des Heimattreffens in Dinkelsbühl sprachen Michael Schmidt und Wolfgang Köber – beide erfolgreiche „Rückkehrer“ – mit Nina May über ihr neues Projekt in Partnerschaft mit dem Siebenbürgenforum.
 
 

Es gibt ja mittlerweile einige Siebenbürger Sachsen , die mit der alten Heimat wieder liebäugeln. Ihnen den Einstieg zu erleichtern, ist eine spannende Idee! Wie kam es eigentlich dazu?

Wolfgang Köber: Die Idee ist schon älter, aber man muss aufpassen, wie man sowas aufzieht, daher kam es bisher noch nicht dazu.
Michael Schmidt: Es gab früher unterschiedliche Meinungen zum aus Siebenbürgen Auswandern und zum „Hierbleiben“. Heute gibt es Strömungen, die sagen, es lohnt sich nicht, in Rumänien etwas anzufangen. Doch das ist eher der geringere und zurückhaltendere Teil der Siebenbürger Sachsen. Ich merke, dass jetzt eine gewisse Umdenke stattfindet, die auch jene erfasst, die bisher Rumänien sehr kritisch betrachtet haben. Und sie werden immer mehr. Ich selbst habe volles Vertrauen in dieses Projekt, doch die Leute brauchen Leitfiguren, die ihnen zeigen, wie es geht – Vorbilder, die sie prüfen können. Es ist ja auch nicht so, dass der Erfolg vom Himmel fällt. Andererseits gibt es in Rumänien in allen Bereichen Wachstumspotenzial, nicht nur in der IT-Branche.
 

Herr Köber, Sie sind seit Kurzem Unternehmer, Sie haben das Restaurant „Hochmeister“ in Hermannstadt/Sibiu gegründet. Woher nahmen Sie den Mut für einen Neuanfang in Siebenbürgen?
WK: Für mich war und ist Michael Schmidt ein sehr großes Vorbild. Ich habe von ihm viel gelernt und mir Mut machen lassen. Mit dem „Hochmeister“ wollten wir in Hermannstadt einen kulinarischen Meilenstein setzen, was uns auch gut gelungen ist. Zur Zeit befinden wir uns auf dem bekanntesten Bewertungsportal für Gastronomie, unter den ersten fünf Plätzen.
Ich bin immer noch in der Stiftung aktiv sowie in mehreren ehrenamtlichen Bereichen tätig, denn mittlerweile haben wir das Restaurant organisiert und meine Frau Doris managt es erfolgreich.
 

Was muss man an Qualitäten mitbringen für einen Neustart in Rumänien?
MS: Man muss viel Idealismus und Opferbereitschaft mitbringen, man muss es aus Spaß oder Überzeugung tun. Nur auf das Finanzielle zu schielen, wäre zu kurzfristig. Aber die Perspektive ist hier besser als in Deutschland, wo schon alle Geschäftsfelder abgedeckt sind.
WK: Es gibt noch viele Marktzweige, wo Platz ist – etwa der Dienstleistungsbereich. Guter Service wird in Rumänien sehr gut bezahlt.
 

Wie soll die Einstiegshilfe konkret aussehen?
MS: Wir wollen Siebenbürgern Mut machen, sich etwas zu trauen, sie beraten, Leitfiguren aufzeigen, Kontakte herstellen – wir sind ja nicht die einzigen, die es hier geschafft haben... dies alles völlig unverbindlich. Entscheiden muss dann jeder selbst.
WK: Also rein informativ, wir machen keine Startups, aber wir können den Weg dahin sehr erleichtern, in wirtschaftlicher Richtung und auch kulturell. Eines der Projekte, für das wir uns sehr einsetzen, ist ja auch die Charlotte-Dietrich-Schule, die wird von der Michael Schmidt Stiftung in Partnerschaft mit der Kirchengemeinde Hermannstadt mitgetragen, da brauchen wir noch Lehrer. Leute, die hier ein oder zwei Jahre verbringen und sich umsehen wollen. Es gibt viele Möglichkeiten, hier einzusteigen, auch im technischen Bereich. Es gibt deutsche Investoren in Hermannstadt und in ganz Rumänien, die suchen Leute, die hier ortskundig sind und das deutsche Knowhow mitbringen. Erst heute habe ich mit einem jungen Mann von 40 Jahren diskutiert, ein Maschinenbauingenieur, der mit Siebenbürgen kokettiert. Die Idee ist, diese Leute durch Networking zu unterstützen. Wichtig ist nur, dass die Leute nicht glauben, wir sind ihre Laufburschen.
 

Sie sprechen von jungen Leuten – hätten denn auch reifere Semester noch eine Chance?
MS: Natürlich! In Deutschland gibt es bei den großen Konzernen die Regelung, dass man ab 60 lieber mit einer Abfindung nach Hause geschickt wird. Den Leuten fällt dann die Decke auf den Kopf – aber die haben viel mehr Erfahrung. Solche Siebenbürger, die gewissenhaft sind und noch Spaß am Einsatz haben, können so schnell merken, dass sie noch sehr gebraucht werden.
WK: Es ist nicht altersabhängig. Es gibt Leute, die in Frührente gehen und noch was machen wollen. Auch als Angestellter. Die Nachfrage an gutem Personal ist sehr hoch. Vor allem erfahrene Mitarbeiter, die viel Knowhow mitbringen, haben sehr viel bessere Chancen hier als in Deutschland, wo man ab 50 karrieremäßig in die zweite Liga gehört.
 

Warum richtet sich das Angebot nur an Siebenbürger Sachsen?
MS: Weil wir mit dem Siebenbürgenforum zusammenarbeiten – andere Bundesdeutsche können sich an die Industrie- und Handelskammer oder den Deutschen Wirtschaftsclub wenden. Ich habe langjährige Erfahrung im Recruitment, habe auch Nicht-Siebenbürger eingestellt. Aber bei den Siebenbürgern hab ich gemerkt, die brauchen eine Leitfigur: Wenn der das schafft, warum soll ich es nicht auch probieren? Man muss Brücken bauen, Hindernisse zurückhalten, man muss ihnen Sicherheiten geben. Viele fragen sich, was die Freunde sagen werden: Werden sie denken, ich bin ein Versager in Deutschland und gehe deswegen wieder zurück? Das gibt es bei den Bundesdeutschen nicht, die prüfen pragmatisch, und wenn es wirtschaftlich okay ist, dann machen sie es.
WK: Und weil man zu den Sachsen noch aufschaut, wir haben immer noch Vorbildfunktion. Viele in Siebenbürgen sagen: „Wie gut war es damals, als die Sachsen noch hier waren.“ Das macht den Einstieg erheblich einfacher.
 

Stichwort Networking: Wer spielt noch mit rein? Hat die evangelische Kirche eine Rolle?
WK: Direkt nicht, aber indirekt trägt sie das mit. Wir sind ja auch im Kirchenvorstand tätig. Wir haben in der Kirchengemeinde Hermannstadt gute Beispiele von neu Angesiedelten: den Jugend-Beauftragten aus Leipzig samt Familie und das Kantorenpaar aus Norwegen bzw. der Schweiz fühlen sich hier wohl und haben erkannt, was für ein angenehmes Umfeld hier herrscht.
MS: Es ist auch wichtig zu sehen, dass immer mehr Organisationen – das Rumänisch-Deutsche Forum, das Deutsch-Rumänische Forum, das Siebenbürgenforum – an einem Strang ziehen. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland wachsen immer mehr zusammen, man kommuniziert, ist offen, tauscht sich aus. Früher war das anders.
 

Sie erwähnen immer wieder Leitfiguren – gibt es konkrete Beispiele?
MS: Na, wir sind ja hier nicht die einzigen, die etwas aufgebaut haben, was man prüfen kann.
WK: Martin Müller mit der Softwarefirma Sobis und seinem Tourismus. Mathias Krauss bei Aquador: Der hatte Anfang der 90er angefangen, in Großau/Cristian Säfte zu produzieren und hatte eine schwere Zeit. Hatte sich dann umorientiert auf Wasser und das funktioniert sehr gut. Oder Klaus Reisenauer, eine Vertrauensperson der Familie Schwarz von Lidl und Kaufland. Er ist deren Mann vor Ort. Ein weiteres Beispiel ist Simon Maurer, der in der tiefsten Krise ein neues Immobilienprojekt (Avantgarden) gestartet hat und Tausende von Wohnungen gebaut und verkauft hat.
 

Wer finanziert das Projekt – und kostet die Beratung etwas?
WK: Das Projekt kommt nur mit Unterstützung der Michael Schmidt Stiftung zustande, denn das Siebenbürgenforum könnte nicht die Mittel aufbringen, jemanden dafür zu bezahlen. Wir fördern das, weil wir auch „Rückkehrer“ sind und wissen, welche Wege zu durchlaufen sind, um hier Fuß zu fassen.
MS: Es ist aber nicht kommerziell gedacht. Nur wenn wir merken würden, dass sehr großes Interesse da ist und man sich vor Anfragen nicht mehr retten kann, dann muss man vielleicht eine Institution daraus machen und eine kleine Gebühr verlangen.
 

Inwiefern spielen andere Projekte der Stiftung eine Rolle, den Standort Siebenbürgen – oder Rumänien – für Zuwanderer aus Deutschland attraktiv zu machen? Auch für solche, die sich nicht gleich dauerhaft niederlassen.
MS: Wissen Sie, wie das läuft bei einem Großinvestor aus Deutschland? Der macht eine Checkliste der Anforderungen vor Ort, wo er investieren will. Ein großer Punkt dabei ist die Schule. Es ist vital, dass in einer Gegend, wo man gute Mitarbeiter hinschicken will, um etwas aufzubauen, eine deutsche Schule existiert, denn nur dann können sie mit Familie kommen.
WK: Die Expats fragen an Botschaften an, welche Schulen existieren. Manche haben sich umentschieden, als sie hörten, dass an staatlichen Schulen Rumänisch ein Muss-Fach ist. Ein deutsches Kind hat da keine Chance mitzukommen. Als Stadtpfarrer Dörr 2010 darauf hinwies, dass viele Schulgebäude rückerstattet werden, die man für nichts anderes verwenden kann, gab es dann die Idee, die Schultradition der evangelischen Kirche wieder aufleben zu lassen. 2015 haben wir in Hammersdorf unter der Leitung von Jens Kielhorn und in Partnerschaft mit dem Projekt Grüne Kirchenburg eine kirchliche Schule mit privater Führung und deutschem Lehrplan eröffnet, die Charlotte-Dietrich-Schule. Nach einer Vorlaufzeit von drei Jahren soll sie von der Zentralstelle für deutsches Auslandsschulwesen als solche akkreditiert werden, dann werden auch Mittel bereitgestellt, um Fachlehrer zu entsenden. Sie richtet sich an mehrere Kategorien: Leute, die sich in Rumänien ansiedeln wollen, Expats und Rumänen, die sich das leisten können.
 

Sie erwähnten das Rumänisch-Deutsche Forum? Wie kam es zur Gründung und welche Rolle spielt es?
MS: Das grobe Ziel ist, überparteiisch mit allen politischen Parteien Themen zu bearbeiten – alles was mit Rumänien und Deutschland zu tun hat, nicht nur Wirtschaft, auch Kultur. Ich habe 2015 von Staatspräsident Johannis den Anstoß bekommen, mit der Frage, warum es nur ein Deutsch-Rumänisches Forum gibt, und es hat lange gedauert, bis ich die richtigen Leute dafür hatte. Für mich kam nur Andrei Ple{u als Vorsitzender in Frage und es hat knapp ein Jahr gebraucht, bis ich ihn überzeugt hatte. Mitmachen kann jeder, doch ich habe vorgeschlagen, dass man den Kreis der Mitglieder nicht zu sehr verwässert, nicht mehr als 15 bis 20 Leute. Institutionell sind auch die politischen Stiftungen dabei – Hanns Seidel, Konrad Adenauer, Friedrich Ebert –, die Industrie- und Handelskammer sowie der jeweilige deutsche Botschafter als Vizepräsident. Ich habe die Vorfinanzierung der ganzen Aktivitäten über die Stiftung gemacht, bis man dann vielleicht eine institutionelle Förderung bekommt vom rumänischen Staat, die Chancen dafür stehen gut. Am 4. Mai hatten wir schon die dritte Veranstaltung, sehr erfolgreich (Anm. d. Red.: Das 25. Jubiläum des „Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa“, siehe ADZ, 11. Mai 2017, „Ein Wegweiser nach Europa“), mit Michael Roth, dem deutschen Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, als Hauptgast. Jetzt wollen wir während der Haferlandwoche noch etwas machen und auch im September zum 500. Reformationsjubiläum...
 

Gehört dazu auch, Rumänien als Standort attraktiver zu machen?
MS: Das Land muss daran interessiert sein, auch Auslandsinvestitionen zu aktivieren. Aber wir kennen ja den Populismus, der vor jeder Wahlkampagne bedient wird: Die Multinationalen kommen her und sahnen ab und hinter ihnen die Sintflut. Doch ich bin zuversichtlich, das dies jetzt nur die letzten Zuckungen des alten Systems sind. Die Leute lassen sich nicht mehr so leicht manipulieren, das hat man auch im Februar mit #resist gesehen. Das war so einmalig und eindeutig!
 

Populismus, Fake-News – Stichwort: „Hetzkampagne gegen die deutsche Minderheit“ – muss einen das abschrecken von Rumänien?
MS: Das ist nur ein Zeichen der Verzweiflung des alten Systems, da diese Leute merken, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Ich glaube fest daran, dass wir auch 2019 diesen Präsidenten behalten, aber man muss die Presse reformieren und Fake-News bestrafen, dann würde sich auch hier vieles ändern.
 

Wie sehen Sie Rumänien in 10 Jahren?
MS: Nicht mehr zu erkennen. Positiv!
WK: Im Vergleich zu 2005, als ich nach Rumänien gekommen bin, und dem Jahr 2017 hat sich sehr viel zum Guten verändert.


„Eine Zukunft in Siebenbürgen“
Sie fragen sich, welche Chancen Siebenbürgen und Rumänien heute bieten? Das Siebenbürgenforum hilft Ihnen beim Einstieg und hat eine Informationsstelle eingerichtet.
Kontakt: Wolfgang Köber, Tel. +4(0)-728.989.577,
E-Mail: zukunft@siebenbuergenforum.ro