„Wir schaffen das – aber nur gemeinsam in Europa“

Mitglieder des Bundestagsausschusses für Europa zu Gesprächen in Bukarest

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Gunther Krichbaum, berichtete auf einer Pressekonferenz über die Gespräche mit Vertretern von Politik, Justiz und Wirtschaft in Rumänien. Im Mittelpunkt der meisten Gespräche: die Flüchtlingskrise und der Kampf gegen die Korruption.
Foto: Phillip Hochbaum

Ganz im Zeichen der aktuellen Flüchtlingskrise suchten vom 28. bis 30. Oktober Mitglieder des Ausschusses des Deutschen Bundestags für die Angelegenheiten der Europäischen Union in Bukarest das Gespräch mit örtlichen Vertretern von Politik, Justiz, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Zu den Gesprächspartnern der vierköpfigen Delegation unter der Leitung von Gunther Krichbaum (CDU) zählten neben dem Staatspräsidenten Klaus Johannis der Präsident des Verfassungsgerichtes, Augustin Zegrean, der Vorsitzende der Rumänischen Nationalbank, Mugur Isărescu, Mitglieder der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe, Vertreter der Antikorruptionsbehörde DNA sowie Mitarbeiter der Friedrich-Ebert- und der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Abgerundet wurde das Gesprächsprogramm durch Begegnungen mit sozial tätigen Nichtregierungsorganisationen sowie mit Vertretern des Bukarester Goethe-Institut und der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer. Auffallend: Ministerpräsident Victor Ponta befand sich nicht unter den Gesprächsteilnehmern. Laut Delegationsleiter Krichbaum hätten die Ausschussmitglieder wegen seiner gegenwärtigen Probleme mit der Justiz von einem Gespräch abgesehen. „Herr Ponta ist für mich persönlich so lange unschuldig, bis die Justiz das Gegenteil beweist. Allerdings war es eine Frage der politischen Kultur, ob wir uns mit einem strafverfolgten Ministerpräsidenten treffen“, erklärte er in der abschließenden Pressekonferenz in den Räumen der Deutschen Botschaft. Die Justiz müsse ohne Vorbehalte ermitteln können, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Scharfe Kritik übte der CDU-Bundestagsabgeordnete indessen an der Weigerung des Parlaments, Pontas Immunität aufheben zu lassen: „Das Immunitätsrecht ist kein individuelles Privileg, sondern eigentlich ein Schutz der Freiheit des Parlaments als Institution.“

Allerdings waren nicht die Probleme des Ministerpräsidenten mit der Justiz, sondern die aktuelle Flüchtlingskrise das dominierende Thema der meisten Unterredungen. So teilte Krichbaum auch in der abschließenden Presseerklärung den Standpunkt des Vorsitzenden der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker: Die „Politik des Durchwinkens“ entlang der sogenannten Balkanroute müsse aufhören. Gemäß dem Dublin-Abkommen solle zudem mit einer Registrierung der Betroffenen begonnen werden. Besonders wichtig sei außerdem eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten. Für Ausschussmitglied Iris Eberl (CSU) war in erster Linie die medizinische Versorgung der Ankommenden ausschlaggebend: „Es muss auch eine Grundversorgung stattfinden – egal auf welche Länder die Flüchtlinge letztendlich verteilt werden. Wir haben uns gefreut, dass auch Rumänien hier seinen Beitrag leisten will.“ Krichbaum orientierte sich in dieser Frage ganz an Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir schaffen das. Das stimmt nach wie vor, aber wir schaffen das alle nur gemeinsam in Europa“, unterstrich er.

Zudem müssten die Fluchtursachen bekämpft werden, was momentan jedoch eine „Herkulesaufgabe“ sei. In seinen Gesprächen mit Staatspräsident Johannis habe dieser indessen scharfe Kritik an Griechenland geübt: Der Vorwurf: Das Land schütze seine Außengrenzen nur mangelhaft. Die gegenwärtige Flüchtlingskrise, so Krichbaum, verändere in Rumänien teilweise den Blick auf den immer noch ausstehenden Beitritt Rumäniens zum Schengener Abkommen. „Einige Gesprächspartner haben vor dem Hintergrund der Flüchtlingsströme in den benachbarten Schengen-Staaten gerade-zu den Eindruck vermittelt, als sei man in Rumänien froh, kein Schengen-Mitglied zu sein.“ Zwar sei er überzeugt, dass man Schengen nicht ohne das Dublin-Abkommen zur Aufnahme Asylsuchender aufrecht erhalten könne, doch sei keine Politik der neuen Zäune angedacht. Detlef Müller (SPD), Ausschussmitglied aus dem sächsischen Chemnitz, gab zu bedenken: „Für mich persönlich ist es unerträglich, wenn 26 Jahre nach dem Fall der Mauer wieder neue Grenzanlagen gefordert werden und Schengen ausgehebelt werden soll, weil das Dubliner Abkommen nicht funktioniert. Wir können keine neuen Mauern errichten.“ Auch Staatspräsident Johannis habe dem zugestimmt und sich ebenfalls für mehr Solidarität in der Flüchtlingskrise ausgesprochen.

Einen Beitritt Rumäniens zum Schengener Abkommen sieht Krichbaum aufgrund der weiterhin bestehenden Korruptionsprobleme mit Skepsis. Es bestehe noch immer die Frage, ob die Korruption ernsthaft genug bekämpft werde, sodass in absehbarer Zeit hierfür grünes Licht gegeben werden könne. „Salopp formuliert: Das Land erfüllt die technischen Kriterien seit langem, aber was nützt eine perfekt gesicherte Außengrenze, wenn an den Grenzübergängen Beamte sitzen, die für einen bestimmten Betrag einen Bus mit jungen Frauen aus der Moldau oder der Ukraine passieren lassen?“ Zugleich erteile er Gerüchten eine deutliche Absage, laut denen Rumänien dem Schengen-Raum zügiger beitreten könne, wenn es im Gegenzug eine höhere Aufnahmequote für Flüchtlinge akzeptierte: „Solche Deals wird es nicht geben.“ Einzige Lösung sei der verstärkte Kampf gegen die Korruption, wozu die Antikorruptionsbehörde DNA mittlerweile den wichtigsten Beitrag leiste. Allerdings: Im Parlament säßen Bremser, welche die hierfür weiterhin notwendigen Reformen bewusst blockieren würden. Daher habe die Europäische Kommission auch keinerlei Absicht, den Kooperations- und Kontrollmechanismus (MCV) abzuschaffen.

Im Gegenteil: Er sei ein überaus nützliches Instrument zur Korruptionsbekämpfung, das noch über Jahre hinweg benötigt werde. Dennoch sieht Krichbaum erste Fortschritte: „Auch ehemals ,Unberührbare’ müssen sich mittlerweile vor Gericht verantworten, was auch in der Bevölkerung positiv aufgenommen wird. Trotzdem: Der Kampf gegen die Korruption muss weitergehen.“ Skeptisch beurteilte der Ausschussvorsitzende indessen das wirtschaftspolitische Handeln der Regierung: Die makroökonomische Situation sei insgesamt positiv, doch fehle eine langfristige Perspektive. So seien die vorgenommenen Steuersenkungen in der Bevölkerung zwar stets willkommen, doch dadurch entstünden auch Finanzierungsengpässe. Dies könne Auswirkungen auf die staatliche Kofinanzierung von Projekten haben, die zum Großteil durch europäische Strukturhilfefonds umgesetzt würden. „Rumänien kann in manchen Fällen die Kofinanzierung nicht stemmen. Es läuft dadurch Gefahr, durch einen verspäteten Projektbeginn bis zum Jahresende 6 Milliarden Euro aus den europäischen Fonds endgültig zu verlieren.“