„Wir sind hier, um Bleibendes zu schaffen“

Signale und Momenteindrücke von der fünften Kulturwoche Haferland

Mit dem Pferdewagen nach Meschendorf

1500 Gäste in Deutsch-Kreuz - darunter Staatspräsident Klaus Johannis, Barbara Stamm, Dr. Bernd Fabritius

Die Initiatoren: Michael Schmidt und Peter Maffay Die Bauernburg von Reps als Kulisse für Tanz und Film

Meschendorf: Heinz-Georg Dörner erzählt über die Kirchenburg.

Preisverleihung des Siebenbürgen-Quiz in der Kirche von Bodendorf: Michael Folberth (HOG) überreicht die Urkunden.
Fotos: George Dumitriu

Hufe trappeln, Pferde wiehern, Fahrräder sausen links und rechts vorbei, verlieren sich in der Weite der Landschaft. Ringsum blühen die Wiesen – Schafgarbe, Blutweiderich, Telekie, Topinambur. Bruch- und Silberweiden säumen den Bach, den die fünf voll besetzten Pferdewägen rumpelnd überqueren. Büffel suhlen sich in Schlammlöchern. In der Ferne erheben sich die Eichen der Hutweiden gegen den strahlend blauen Himmel. „Wie die ersten Siedler” bemerkt Dietmar Gross aus Deutsch-Weißkirch schmunzelnd, der die Wagen immer wieder anhalten lässt, um über die Tier- und Pflanzenwelt des Natura 2000 Schutzgebiets im Siebenbürgischen Hochland zu erzählen. Ein Moment der Ruhe in der turbulenten Haferland-Kulturwoche, irgendwo im Nirgendwo zwischen Meschendorf und Bodendorf.

Zehn Ortschaften standen vom 9. bis zum 14. August im Rampenlicht der bereits fünften Haferlandwoche: Arkeden/Archita, Radeln/Roadeş, Hamruden/Homorod, Deutsch-Weißkirch/Viscri, Bodendorf/Buneşti, Keisd/Saschiz, Meschendorf/Meşendorf, Reps/Rupea, Deutsch-Kreuz/Criţ und Klosdorf/Kloasterf präsentieren sich von ihrer besten Seite. Ein vielfältiges Programm mit Musik und Tanz, Natur und Kultur, Kirchenburgführungen, Handwerk, Ausstellungen, kulinarischen Verlockungen und mehr sollte Ausflügler und Touristen anlocken und für die Reize der Region werben. In den letzten Jahren wurden insgesamt um die 8000 Besucher gezählt. Diesmal waren es über 5500 - darunter  viele ausgewanderte Siebenbürger teil, die zum Sachsentreffen in Hermannstadt/Sibiu eine Woche zuvor angereist waren.
Zahlreiche hochkarätige Gäste aus Deutschland und Rumänien waren der Einladung der Initiatoren der Haferlandwoche – Peter Maffay und Michael Schmidt - und der diesjährigen Organisatoren - die Stiftungen Michael Schmidt, Peter Maffay und Adept, der Mihai Eminescu Trust sowie der Verein der Siebenbürger Sachsen in Deutschland - gefolgt: Am 12.8. nahm der ehemalige FDP-Politiker Dirk-Ekkehard Niebel, von 2009 bis 2013 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Kabinett Merkel II, als Schirmherr am Programm in Reps teil. Am 13.8. übernahm Barbara Stamm, CSU-Politikerin und Präsidentin des Bayrischen Landtags, in Deutsch-Kreuz diese Rolle. Als „Dauergast seit fünf Jahren” begrüßte Michael Schmidt den ehemaligen Schirmherrn der Haferlandwoche, MdB Dr. Bernd Fabritius, Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen. Anwesend waren zudem der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt, der rumänische Botschafter in Berlin, Emil Hurezeanu, sowie die scheidende deutsche Konsulin in Hermannstadt, Judith Urban, mit ihrem Nachfolger Hans Tischler. Von rumänischer Seite war für den 13.8. Vizepremierministerin und Entwicklungsministerin Sevil Shhaideh der Einladung gefolgt. Die größte Freude und Überraschung bereitete jedoch die in allerletzter Minute bestätigte Teilnahme von Staatspräsident Klaus Johannis am Sonntag, dem Tag von Deutsch-Kreuz.

Unvergessliche Momenteindrücke

Wir begleiten einige der Etappen der Haferlandwoche vom 11. bis 13. August. Freilich sind es nur Momenteindrücke, die hier wiedergegeben werden können - etwa aus Meschendorf: Im Kirchhof hängen kunstvoll bestickte Tischtücher, Schürzen oder Haussegen unter dem überdachten Bering in der Sonne. Orgelklänge tönen aus der Kirche, während emsige Helfer auf dem Platz davor ein Picknick vorbereiten. Gleich zweimal während der Haferlandwoche durfte sich Meschendorf von seiner schönsten Seite zeigen: Am Freitag als Ziel des Pferdewagen- und Radausflugs, am Samstag mit Gottesdienst, Filmvorführung, Orgelkonzert mit Klaus-Dieter Untch auf der noch restaurierungsbedürftigen Wegenstein- Orgel (1914), und einem geführten Ausflug zum Maibach/Parâul dracului, ein Stück jungfräulichen Urwalds mit gletschergeschliffener Sandsteinschlucht, die fortwährend runde Steine gebiert, sogenannte Trovanten. Wie Riesenspielzeug oder dicke Flusspferde lagern diese im sandigen Bett des spärlichen Rinnsals, tonnenschwer und moosbewachsen. Zunderpilze sprießen auf morschen Stämmen, die kreuz und quer herumliegen. Im Urwald darf kein Holz entfernt werden, erklärt unser Führer, Heinz-Georg Dörner von der HOG Meschendorf, der am Vortag auch zur Geschichte der schmucken Kirchenburg vorgetragen hatte. Es gibt unglaublich viel zu entdecken - Natur, Kultur und Menschen. Geräusche und Gerüche, etwa nach wilder Minze, prägen sich den visuellen Eindrücken auf. 

Die Vielfalt der Naturgeräusche war auch der Londonerin Jessica Klein aufgefallen, als sie 2011 erstmals den Spuren ihres sächsischen Großvaters, Georg Klein, nach Meschendorf folgte. Fasziniert von Siebenbürgen, drehte die heute 29-jährige Architektin den Dokumentarfilm „Feel like going home” über die Siebenbürger Sachsen, der in der Kirche gezeigt wurde. „Zweisprachig aufgewachsen, besuchte ich die internationale Schule - dort war es für uns immer wichtig, wo wir herkommen”, motiviert sie ihr Interesse an Siebenbürgen. Auch der Großvater hatte ihr oft von der Heimat erzählt. Die erste Reise nach dessen Tod war ihr wie eine Zeitreise in die Vergangenheit vorgekommen. Vieles sah noch genauso aus wie auf den alten Fotos...

Köstliche Hanklich verteilt Marianne Theil von der HOG Meschendorf. Dort aufgewachsen, schwärmt sie vom Dorfleben wie es früher war: als die Frauen sonntags auf der Hausbank an der Straße saßen, handarbeiteten oder Bohnen auslösten; die Männer diskutierten und spielten Schach, die Kinder Völkerball oder Hüpfspiele, es wurde gelacht und gesungen. Meschendorf ist zum Leben erwacht: Die Sachsen sind zurückgekehrt, zumindest für zwei Tage, aber auch einige Rumänen ließen sich das kleine Abenteuer mit Rad und Pferdewagen nicht entgehen. In Reps sorgt am 12.8. die Bauernburg für eine spektakuläre Kulisse. Bierbänke, Strohballen oder Sitzkissen am Wiesenhang luden zum Verweilen ein. Trachtenträger defilierten vor den trutzigen Mauern, erklommen die Bühne, schlenderten durch die Burg. Höhepunkt des Spektakels war die Darbietung der „Junii Cetăţii”: der Weg des Brotes. Radu Gheorghe, Koordinator der ca. 60 Mitglieder starken Gruppe und im wirklichen Leben Tierarzt, erklärt, wie vom ersten Pflügen bis zum Brechen des Brotes alle Schritte tanzend vorgeführt werden. Zum Schluss versammeln sich die Darsteller auf der Wiese vor der Burg, ein Kleinkind in Tracht wird in den Vordergrund gesetzt - und tatsächlich beißt der Knirps fürs Gruppenfoto auf Kommando brav in sein Brot.

Nachhaltig – und immer sächsischer

„Es ist einmalig, dass hier und heute ein reiches Kulturerbe, das seit dem 12. Jahrhundert existiert, gefeiert wird”, bemerkt Niebel in seiner Ansprache. Die Haferlandwoche, die siebenbürgisches Kulturerbe  über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht habe, sei ein Beispiel für Nachhaltigkeit. Staatspräsident Klaus Johannis lobt ausdrücklich die Wiederbelebung von Gemeinschaft und Tradition. Viele schöne Gemeinschaften und Gegenden in Rumänien seien es wert, „entdeckt, wiederentdeckt und wiederbelebt zu werden”, so der Präsident. „Ich hoffe, dass diese Initiative als gutes Beispiel fortgesetzt wird und dass andere in ähnlicher Form mitmachen.” Eine bewegende Ansprache hielt Barbara Stamm, die Rumänien seit 1990 kennt, als sie als Staatssekretärin im bayerischen Sozialministerium den Auftrag erhielt, hier ein Hilfswerk aufzubauen. „Wenn wir heute sehen, dass die Welt aus den Fugen geraten ist, (…), und Menschen tagtäglich erleben, wie viel Unfrieden in dieser Welt herrscht”, hebt sie an, dann sei es umso wichtiger, ein Zuhause zu haben – dies habe ihr auch das Sachsentreffen in Hermannstadt verdeutlicht. Es sei gut, dass Kulturwochen dazu beitragen, dass die junge Generation Heimat und Gemeinschaft erleben, sich engagieren und Verbindung halten wolle, so Stamm.

Drei „Dankeschön” brachte Dr. Fabritius  mit: eines gilt dem rumänischen Staat für seine mustergültige Minderheitenpolitik, die andern beiden der Michael Schmidt-Stiftung und den Menschen, die sich mit engagieren, „damit es hier immer sächsischer zugeht”,  motiviert er. Der seit sieben Monaten in Rumänien amtierende Botschafter Meier-Klodt unterstreicht mit einem Gedankenexperiment die Bedeutung der hiesigen deutschen Minderheit: „Sollte ich hier angetreten sein – das war nicht so – im Glauben, dass die Rolle der Minderheit im Wesentlichen ein Bewahren des Vorhandenen oder ein Erinnern des Gewesenen sei, bin ich ganz schnell eines ganz anderen belehrt worden.” Ihre Rolle sei eine vorwärtsgerichtete, aktive, die die bilateralen Beziehungen entscheidend mitgestalte. So trifft wohl der Satz des Reichesdorfer Kurators, vorgebracht bei einem der frühen Sachsentreffen, zitiert von Benjamin Jósza, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, schon lange nicht mehr zu: „Wir fühlen uns wie ein Baumstumpf, wo einmal im Jahr einer herkommt und ein Glas Wasser auf die Wurzel gießt”. Statt dessen versichert Jósza: „Wir sind heute alle hier, um Bleibendes zu schaffen.”