„Wir stehen an erster Stelle unter den rumänischen Universitäten“

ADZ-Gespräch mit Prof. Dr. Rudolf Gräf von der Babeş-Bolyai-Universität in Klausenburg

Zwei der Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Rudolf Gräf sind moderne europäische Geschichte des Banats und Siebenbürgens sowie Geschichte der Deutschen in Rumänien.
Foto: Andreea Oance

Prof. Dr. Rudolf Gräf (62) ist Vizerektor der Babeş-Bolyai-Universität (BBU) in Klausenburg/Cluj-Napoca und verantwortlich für die deutschsprachigen Studienrichtungen an Siebenbürgens Eliteuniversität. Gleichzeitig ist der aus Reschitza stammende Universitätsprofessor für die Beziehungen zu den Universitäten aus dem deutschsprachigen Raum zuständig. In einem Gespräch mit ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu spricht Prof. Dr. Rudolf Gräf über die Bedeutung eines Universitätsstudiums in deutscher Sprache sowie über die Entwicklungen, die die BBU in den letzten Jahren durchgemacht hat.

Wo stand die Babeş-Bolyai-Universität im europäischen bzw. weltweiten Universitätsranking 2016?

Das rumänische Bildungsministerium hat noch unter dem ehemaligen Minister Mircea Dumitru ein Super-ranking ausgearbeitet und in diesem Ranking stehen wir an erster Stelle unter den rumänischen Universitäten. Bei den Universitäten gibt es allgemein die Zielsetzung, die Universität weltweit unter den ersten 500 zu haben, aber hier muss man korrekterweise  sagen, dass das in direktem Zusammenhang mit dem Budget der jeweiligen Universität steht. Wenn man sich die Budgets der Universitäten ansieht, die sich unter den ersten 100 oder 300 befinden, dann kann man schon feststellen, dass wir viel besser stehen, wenn wir ausrechnen würden, wie viele Gelder auf einen Universitätslehrenden oder -studierenden fallen. Unsere Position im weltweiten Universitätsranking ist irgendwo zwischen 500 und 600, was zur Stunde und zu den jetzigen Bedingungen relativ in Ordnung ist. Wir bestehen darauf, an erster Stelle unter den rumänischen Universitäten zu sein, was sicherlich von anderen Universitäten und von Leuten, die aus der Politik kommen, nicht gern gesehen wird, aber das ist nun mal so.

Sie haben die Einnahmequellen der Universität erwähnt. Wie viel Prozent der Finanzierung kommt vom rumänischen Staat und wie viel sind eigene Mittel?

Wir nähern uns jetzt schon dem, was sich in einem modernen akademischen System in der Welt abspielt, und zwar einem Anteil von 50 Prozent eigene Mittel – Drittgelder, über Projekte eingeworbene Mittel, über Mitfinanzierungen aus der Wirtschaft, über Projekte, die wir auch für die Wirtschaft leisten. Zurzeit sind 40 Prozent eigene Mittel, 60 Prozent Mittel vom Staat. Aber dieses Verhältnis wird sich in den nächsten Jahren massiv ändern. Es hat sich in den letzten drei bis fünf Jahren auch viel geändert, zu Gunsten der Mittel, die von der Universität selbst eingeworben werden.

Wie bringt sich die Wirtschaft ein bezüglich der Finanzierung der BBU?

Klausenburg ist für die Wirtschaft ein sehr günstiger Standort – es haben sich hier relativ viele Investoren aus dem Ausland angesiedelt. Folglich brauchen die Unternehmen Arbeitskräfte und Klausenburg als Universitätsstadt ist der beste Partner in diesem Sinne. Zur Stunde braucht die Wirtschaft, zum Beispiel, Fachleute im Bereich der Computerwissenschaften. Dementsprechend haben wir eine gute Kooperation mit Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind – mit NTT Data, mit der Porsche AG, mit Bosch u. a. Diese Unternehmen finanzieren teilweise Studiengänge und verschiedene Aktivitäten – Konferenzen, Tagungen – sie stellen Stipendien für die Studierenden zur Verfügung, fördern Doktoranden und Assistenzprofessoren in ihrer Karriere und unterstützen teilweise direkt den Unterricht. NTT Data hat z. B. einige Lehrveranstaltungen im eigenen Haus organisiert. Das Unternehmen hat einen schönen Vorlesungssaal bauen lassen, sodass gewisse Fächer von unseren Studierenden vor Ort gelernt werden können. Sie können so direkten Zugang zu dem haben, was dort geschieht.

Man stellt sich die Frage: Wie weit können wir die Studenten mit gewissen Unterrichtsstunden auslagern und wie weit müssen wir sie an der Universität halten, damit der Kontakt zum Universitätsmilieu auch bewahrt wird? Da muss ein Gleichgewicht gefunden werden, aber die Bereitschaft der Unternehmen, Studierende aufzunehmen, ist sehr groß, eben weil sie sie dann auch brauchen. Wir haben eine Schwierigkeit, die Lehrenden zu halten, weil es unterschiedliche Löhne gibt zwischen der Privatwirtschaft und dem staatlichen Unterrichtswesen. Eine weitere Schwierigkeit wäre sicherzustellen, dass die Studenten zum Abschluss kommen, weil sie sehr rasch von den Unternehmen eingeworben werden. Aber das sind gute Zeichen, d. h. wir müssen relativ flink sein und eine gute Arbeit leisten, damit diese jungen Leute eine Zukunft mit einer guten Qualifikation haben.

Eine Stärke der BBU ist die Tatsache, dass sie eine sehr breite Palette an deutschsprachigen Studienrichtungen anbietet. Wie stehen Sie mit den Lehrkräften, die in deutscher Sprache unterrichten?

Die BBU ist die einzige Universität in Rumänien, die per Gesetz als dreisprachige Universität statuiert ist. Rumänisch, Ungarisch und Deutsch sind also die offiziellen Sprachen der Universität. An der UBB besteht die Möglichkeit eines deutschsprachigen Unterrichts an acht Fakultäten: Wirtschaftswissenschaften, Mathematik und Informatik, Geografie, Erziehungswissenschaften, Biologie, Politikwissenschaften sowie Journalismus, Medien und Kommunikation. Dazu kommt die Germanistik. Es gibt ungefähr 1000 Studierende an den deutschen Studienrichtungen. Unsere Studierenden gehören meistens nicht der deutschen Minderheit an, sondern sie kommen im Regelfall aus rumänischen und ungarischen Familien.

Im Bereich der Lehrkräfte sind wir unterbesetzt. Ich habe dieser Tage eine Statistik gelesen: Im Allgemeinen, für alle Studiengänge, sind nicht mal 60 Prozent der Lehrstellen besetzt. Da helfen wir uns aus mit Gastvortragenden und insbesondere mit Gastlehrern aus dem Ausland, aus Deutschland und Österreich, die konstant bei uns unterrichten. Das funktioniert sehr gut. Die Lehrkräfte kommen aus den Reihen unserer Absolventen oder von anderen Universitäten. Die Generation, die in der mittleren Hochschulstufe ist, die befindet sich im Aufstieg. Wir versuchen, sie in akademischen Positionen weiterzubringen und hoffen, dass in Zukunft von den jetzigen Studierenden auch Lehrer heranwachsen, die an der Universität bleiben. Wir haben zur Stunde nicht nur die Konkurrenz rumänischer Universitäten, sondern vor allem die der deutschen Universitäten – der Flug nach München dauert nur 1,5 Stunden, nach Wien circa eine Stunde. Es ist also kein Problem für die jungen Studierenden, in München, Wien oder Klausenburg zu studieren. Wir müssen demzufolge relativ fit sein für die kommende Zeit, in der wir diesen Umständen die Stirn bieten müssen.

Mit welchen Universitäten aus dem Ausland gibt es Partnerschaften?

Die Universität im Allgemeinen hat enorm viele Kontakte und Partnerschaften. Als deutschsprachige Studienrichtung bringen wir auch unseren Beitrag zum Wohlergehen der Universität, und zwar Kontakte aus dem deutschsprachigen Raum. Wir haben Partnerschaften vom Norden Deutschlands – in Rostock hatten wir ein Doppeldiplomprogramm – bis in den Süden und Südosten, nach Regensburg oder nach Passau, München, Köln, Bonn, Tübingen. Im letzten Jahr haben wir mit Tübingen 40 Jahre Partnerschaft gefeiert. Ein interessantes gemeinsames Projekt ist die Sommerakademie, die wir mit der Universität aus Tübingen und mit der Universität „Eötvös Lórant“ aus Budapest organisieren. Auch in Wien, Graz und Innsbruck sind Partneruniversitäten von uns. Partnerschaften gibt es auch mit Einrichtungen aus der Schweiz. Wir haben viele Studierende, die im deutschsprachigen Raum einige Semester studieren oder dort promovieren. Es gibt aber auch Studierende aus dem deutschsprachigen Raum, die bei uns studiert haben.

Was machen denn die Absolventen der deutschsprachigen Studiengänge der BBU, bleiben sie in Rumänien oder gehen sie ins Ausland?

Ich habe keine genaue Statistik. Sicherlich gehen einige ins Ausland. Einige sagen schon während des Studiums, dass sie deswegen auf Deutsch studieren. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass viele auch in Rumänien bleiben. Sicher werden aber je mehr gehen, je unangenehmer die Lage in Rumänien wird. Keiner geht weg, weil er hier glücklich ist. Es gibt aber auch Ausnahmen: Besonders Begabte bekommen ein Stipendium und gehen dann ins Ausland und bleiben anschließend dort. Wir hätten es schon gerne, dass wir die besonders Begabten hier halten und ihnen hier anbieten könnten, was ihnen eine Universität im Ausland anbietet. Das ist sicher ein Wunsch (Traum) von uns und ich hoffe, irgendwann wird das auch in Erfüllung gehen. Es gibt definitiv auch eine Chance für Karrieren hier. Die Menschen brauchen aber auch eine gewisse Sicherheit, was die allgemeine Lage in Rumänien betrifft.

Wie bereitet sich die BBU auf das Jubiläum 2018 vor – 100 Jahre Bildung im neuen Rumänien?

Die Universität hat ein Programm aufgestellt – der Vizerektor Ioan Bolovan beschäftigt sich damit. Das ganze museale Leben der Universität wird aus diesem Anlass neu gestaltet. Wir haben mehrere Museen in der Universität und wir wollen auf dieser Ebene das Ereignis verzeichnen. Es sollen mehrere Publikationen erscheinen und Konferenzen, die diesem Ereignis gewidmet sind, veranstaltet werden. Ich selbst möchte gerne – ich hoffe, ich schaffe das – einen Band mit der Haltung der Deutschen diesem Prozess der Vereinigung gegenüber veröffentlichen.

Angesichts der Tatsache, dass viele Politiker Absolventen der BBU sind: Könnte man behaupten, dass die BBU Politik macht?

Die Universität selbst sollte keine Politik machen, doch der Corpus einer Universität besteht aus Menschen, die eine Meinung zur Tagespolitik haben. In diesem Zusammenhang kann man sagen, dass viele der jungen Leute eine Art Politik betreiben, wenn sie sich äußern zu verschiedenen Sachen, die ihnen nicht passen und die ihr Leben in den nächsten 10-20 Jahren beeinflussen könnten. Die Universität selbst macht keine Politik, aber die Universität hat schon eine eigene Haltung zu dem, was in der Welt geschieht. Wir machen keine Parteipolitik, aber wir schauen uns die Dinge an und sind eine der Stimmen, die gehört werden müssen. Wo es sich lohnt, sie zu hören.