Wird Bio-Rumänien doch noch Realität?

Der Sprung mit Schwung auf einen fast verpassten Zug

Landwirtschaftsminister Daniel Constantin und Paulina Popoiu, Direktorin des Dorfmuseums, unterstützen den Trend zu Bio-Produkten.

Die Konferenzveranstaltung wurde von der Bukarester Folkloregruppe „Hora“ musikalisch eingeleitet.
Fotos: Nina May

Wir erinnern uns noch an die Zeiten, als wohlschmeckende, einheimische Tomaten, von „inima de bou“ (Bullenherz) bis zu „puţulica ţăranului“ (Bauernpimmelchen), wie selbstverständlich die Marktstände beherrschten und nicht billigere Importware, geschmacksneutral und voller Chemie... Als man noch überall Scharbockskraut und Bärlauch erhielt, statt wie heute Kopfsalat und folienverpackten Rucola... Dies ist fast zehn Jahre her! Begriffe wie „bio“ oder „ökologisch“ waren hier damals noch Fremdwörter – dafür aber häufig Realität, ganz einfach weil die Bauern gar kein Geld zum Giftspritzen hatten. Dann aber kam die Zeit, in der die Bürger in Westeuropa auf einmal die Genkartoffel boykottierten und Bio-Discounter dort wie Pilze aus dem Boden sprossen, während sich Rumänen ohne großes Murren der importierten Massenware anzupassen schienen. Hauptsache billig!

Wer in Bukarest lebt, hat mittlerweile sowieso keine andere Chance, denn viele der bunten Märkte verschwanden aus der Hauptstadt, verdrängt von ausländischen Supermarktketten. Ade, frischer Urdă-Käse, zarte Wasserzwiebeln, Rosenblättermarmelade und Ţuica mit Pflaumenkerngeschmack! Statt dessen aber tauchten dort auf einmal die Worte „bio“ und „öko“ auf. Teuer war mit dem Boom der Supermarktketten nach Rumänien zurückgekehrt, was lange selbstverständlich, mittlerweile aber schon fast verloren war: Lebensmittel in Bio-Qualität. Nur leider überall auf der Welt hergestellt, bloß nicht in Rumänien...
Tatsächlich gibt es bis heute in Bukarester Supermärkten keine einheimischen Bio-Produkte! Es fehlte nicht nur die Lobby, auch die Praktik der späten Bezahlung war für viele Kleinbetriebe nicht zu verkraften. Vor allem aber mangelt es an der Infrastruktur zur Herstellung von Sekundärprodukten. „Wir exportieren Bio-Weizen nach Österreich und importieren die fertigen Kekse“, beklagt der Präsident der Vereinigung Bio-România (www.bio-romania.ro), Marian Ciocian, auf der Konferenz im Bukarester Dorfmuseum, an der auch der Landwirtschaftsminister Daniel Constantin zugegen war. Die dennoch ermutigende Botschaft? Das Ruder ist längst herumgerissen, die Chancen für unser Land stehen gut, sich doch noch auf dem Bio-Sektor zu etablieren. Intern gibt es allerdings eine Menge Hausaufgaben zu machen...

Explosiver Trend zur Bio-Landwirtschaft

Vieles soll sich ändern, bestätigt der Minister. Rumänien will eiligst auf den fast verpassten Bio-Zug aufspringen, und dies offenbar mit ungeahntem Schwung! Bereits in den letzten drei bis vier Jahren – kaum jemand, der nicht tief in der Materie steckt, hat dies mitbekommen – gab es hierzulande eine explosive Entwicklung zur ökologischen Landwirtschaft. Ein überraschender Trend, der nicht abzusehen war, bekennt Daniel Constantin. Der stärkste Zuwachs an Bio-Landwirtschaftsflächen – um 45 Prozent – hat von 2011 auf 2012 stattgefunden, Tendenz immer noch steigend. Im letzten Jahr gab es zirka 11.000 Bio-Produzenten mit 450.000 Hektar Fläche, dieses Jahr sind es schon 900.000 Hektar – auch wenn noch nicht alle, die den Vertrag zur Bio-Zertifizierung abgeschlossen haben, schon produzieren können, erläutert der Minister. Einer Statistik der Vereinigung Bio-România zufolge, befindet sich unser Land immerhin unter den ersten zehn weltweit, was das Wachstum in diesem Sektor betrifft (wenn auch auf Platz zehn; Platz eins belegt China).

Dann noch eine Überraschung, als Kirsche auf der eben servierten Sahnetorte: Bis 2018, so habe man sich vorgenommen, soll Rumänien größter Produzent von Bio-Landwirtschaftsprodukten in Europa werden, so der Minister! Dies habe man bereits auf der Biofach-Messe in Nürnberg – dem weltweit größten Ereignis zum Thema Bioprodukte, wo Rumänien dieses Jahr „Land des Jahres“ war – verlautet. Größenwahn oder Ehrgeiz kurz vor dem Ziel? Tatsache ist jedenfalls, dass der aufwendige rumänische Stand mit den heimischen Bio-Produkten nicht nur die Besucher der Messe, sondern auch den deutschen Bundespräsidenten begeistert haben soll. Im nächsten Jahr wolle man die Teilnahme mit der gleichen Power angehen, so Constantin, der damit die Finanzierung eines gleichwertigen Ausstellungsstandes versprach. Die Nachfrage an Bioprodukten sei unglaublich hoch, freut sich auch Marian Ciocian und setzte noch eins obendrauf: „Wir könnten weltweit die Nummer eins werden!“

Rumänische Bio-Produkte dringend in die Supermärkte bringen

Ehrgeizige Pläne, vollmundige Worte... Das Bio-Bewusstsein steigt. Doch wie sieht es mit konkreten Schritten aus? Kleinproduzenten müssen gefördert werden, hat man jetzt endlich erkannt, und ihre Produkte – Milch, Käse, Honig und mehr – so schnell wie möglich in die Läden gebracht. Zusammen mit der Sparkasse CEC wird an Finanzierungsprogrammen speziell für kleine Produzenten gearbeitet, informiert der Minister. Die beste Anschaffung für einen Kleinbauern sei ein Glashaus mit 100 Quadratmetern, bereits ab 1500 Euro zu haben: rentabel auf alle Fälle, denn Bio-Bauern ernten etwa 100 Tonnen Gemüse pro Hektar. Auch im Bereich Verarbeitung und Marketing gibt es noch Defizite, die durch Finanzierungsprogramme abgebaut werden sollen. Wichtig sei dabei, dass Bio-Produkte für jedermann erschwinglich sein sollen, denn auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft soll der Trend zur gesunden Ernährung nicht hinauslaufen. Tatsächlich wird der Preis von Produkten auf Pflanzenbasis nur wenig über dem von herkömmlichen Agrarprodukten liegen, wie das Beispiel von Bio-Honig bereits verdeutlicht. Nur Bio-Fleisch wird wegen der wesentlich aufwendigeren Herstellung auch spürbar teurer sein.

Ein erster Schritt rumänischer Bio-Produkte in Supermärkte ist bereits getan. Zusammen mit dem französischen Botschafter sprach EU-Parlamentarierin Daciana Sârbu – selbst eine überzeugte Bio-Konsumentin – bei der französischen Kette Carrefour vor. Als Ergebnis wurde ein Vertrag unterzeichnet, demzufolge Carrefour ab dieser Woche eine Bio-Ecke mit rumänischen Produkten einrichten will. Der Konzern konnte auch davon überzeugt werden, Zahlungen an Kleinproduzenten schneller zu tätigen, da deren Existenz oft davon abhinge. Weitere Gespräche sind geplant. Bis Ende des Jahres, so hofft man, werden sich auch die anderen Supermarktketten dem positiven Beispiel von Carrefour anschließen. Empfindliche Strafen sind hingegen für den Missbrauch der Bezeichnungen „bio“, öko“, „biologisch“, „ökologisch“ oder „organisch“ für nicht-zertifizierte Ware vorgesehen, und zwar nicht nur in Form von Bußgeldern, sondern auch durch zeitweiligen Verkaufsstopp für die Produkte des betrügerischen Anbieters. Damit soll der Verbraucher, aber auch der ehrliche Produzent geschützt werden.

Umverteilung der Fördergelder zugunsten kleiner Bio-Betriebe

Um Kleinbetriebe, die oftmals die Kosten für eine Bio-Zertifizierung und die jährlichen Kontrollen nicht bezahlen können, bei der Stange zu halten, hat die Regierung am 26. Juni eine Umverteilung der Fördergelder für landwirtschaftlich genutzte Flächen beschlossen. Demnach steigt die Förderung für Kleinbauern (0,3 bis 5 Hektar) von bisher 450 auf 540 Euro pro Betrieb, auf Kosten der Großbauern, welche die Gebühr über ihre höhere Produktion leichter kompensieren können. Für Betriebe mit 5,1 bis 20 Hektar gibt es 611,43 Euro Förderung, ab 21 Hektar nur noch 510 Euro. Seitens der EU stehen Rumänien in diesem Jahr 7 Millionen Euro zur Förderung von Bio-Landbau zur Verfügung – im Vergleich zu vier Millionen im Vorjahr, freut sich der Minister. Eine signifikante Summe, doch immer noch nicht ausreichend, wenn wir an die Anzahl der zu unterstützenden Operateure denken, relativiert er sogleich. Aus diesem Grund werde er eine jährliche Erhöhung der Summen anstreben. Dass der allgemeine Trend in Richtung „grüner“ geht, zeigt auch ein Beschluss der GAP (gemeinsame Agrarpolitik der EU) für 2014 bis 2020, erwähnt Daniel Constantin: Demnach sollen alle Landwirte (nicht nur Bio-Bauern) eine Basisprämie erhalten, die durch Umweltprämien bis zu 30 Prozent ergänzt werden kann, sofern bestimmte ökologische Leistungen – etwa die Erhaltung von Wiesenflächen, Rotation der Kulturen ab 15 Hektar Größe, Erhaltung von 5 Prozent der Gesamtfläche in natürlichem Umweltzustand – erbracht werden.
Wird Bio-Rumänien also doch noch Realität? Schlucken wir die letzten Zweifel einfach tapfer hinunter und drücken umso fester die Daumen!



Weltweiter Trend zu Bio-Produkten

Die USA sind weltweit führend in der Herstellung von Bio-Produkten. Größter Produzent pro Kopf ist hingegen die Schweiz; dort leben auch die meisten Konsumenten von Bio-Produkten. In Europa führt Deutschland die Liste der Bio-Produzenten an. Rumänien ist in der EU hinsichtlich Produktion zwar Schlusslicht, rangiert dafür aber weltweit unter den zehn Ländern mit größtem Zuwachs an ökologischer Landwirtschaft. An der Spitze dieser Liste steht China. Das Land mit den zahlenmäßig meisten Bio-Bauern ist Indien, das Land mit der größten landwirtschaftlichen Fläche für Bio-Landbau Australien. Das mengenmäßig führende Bio-Produkt in Europa sind Oliven.    (Quelle: Bio-Romania)