Wissenschaft, Vision und Naturschutz unter einem Hut

National Geographic in Rumänien feiert zehnjähriges Jubiläum

Die Ausstellung in der Nationalbibliothek fand auch bei der Jugend großen Anklang.
Foto: George Dumitriu

Die Ursprünge des rituellen Totenkuchens (April 2008), die Bräuche der Siebenbürger Sachsen (Oktober 2012), tatarische Kämpfer aus der Dobrudscha (September 2010) oder der Käse der einheimischen Schäfer (Februar 2012)... Mit atemberaubenden Bildern erinnert die Fotoausstellung zur Jubiläumsfeier von „National Geographic România“ in der Nationalbibliothek an die spektakulärsten  Artikel der letzten zehn Jahre. Drei Themenabende über Natur, Geschichte und Wissenschaft rahmten die Feier der renommierten amerikanischen Zeitschrift, die vor allem durch atemberaubende Fotografien bekannt ist. Als Überaschungsgast der Gala wurde der amerikanische Starfotograf Kenneth Garret präsentiert. Ein Ereignis der Superlative, bei dem einmal diejenigen im Rampenlicht standen, die sonst auf der anderen Seite der Linse im Verborgenen lauern.

Eine Zeitschrift mit Mission

Wie man in wenigen Worten beschreiben kann, was National Geographic bedeutet, verrät Cristian Lascu, Chefredakteur der rumänischen Ausgabe: „Es ist eine Kombination aus Ideen, Aktionen und Träumen. Ein Ort, an dem Entdecker, Wissenschaftler, Visionäre und Naturschützer zusammentreffen.“ Die ursprüngliche Mission der Zeitschrift bestand darin, den Menschen geografische Gegebenheiten näherzubringen – aber auch, sie in die Sorge um unseren Planeten einzubinden, denn „umsonst ist das Wissen, wenn alles den Bach runter geht,“ philosophiert der Höhlenforscher. Der hohe akademische Standard der Zeitschrift muss deshalb zugleich ein allgemein zugänglicher sein. „Über 2000 Rumänen hatten National Geographic bereits vor ihrem hiesigen Erscheinen über Bekannte und Verwandte im Ausland abonniert“, erzählt Lascu. 2003 hatte man sich daher zu einer rumänischsprachigen Version entschlossen. 30 Prozent aller Themen darin bestreitet das Redaktionsteam in Bukarest unter Einbindung heimischer Fotografen und Forscher.

70 Prozent der Texte und Illustration werden – wie bei allen nationalen Ausgaben – aus den USA geliefert. Gelegentlich gelangen auch Themen aus Rumänien in die internationale Version. Hierfür entsenden die Amerikaner gemäß Policy des Hauses ihre eigenen Leute. Um Luftaufnahmen der Dakerfestungen von Sarmizegetusa Regia für einen weltweit erscheinenden Artikel über die Daker zu schießen, befindet sich derzeit der für seine anthropologischen Themen bekannte Fotograf Kenneth Garrett im Land. „Manchmal tauschen wir unsere Artikel aber auch mit anderen Ländern“, erklärt Cristian Lascu und verweist auf den im November 2005 erschienenen Beitrag „Was tun mit Dracula?“, der mit dem Mythos aufräumt, der als rumänisches Markenzeichen bekannte Vampir sei dem hiesigen Kulturgut entsprungen. Auch der Artikel über die Siebenbürger Sachsen fand großen Anklang in Deutschland. Seine Bilanz nach zehn Jahren: Das kulturelle Bewusstsein in Rumänien ist hoch, deswegen konnte sich die anspruchsvolle Zeitschrift trotz der Krise behaupten.

Aktiver Einsatz zum Schutz der Natur

Der „Abend der Natur“ am 7. Mai war den Themen „Arche Noah“ und dem heimlichen Naturparadies Vacareşti in Bukarest gewidmet. Ersteres Projekt hat das Ziel, die Öffentlichkeit zum Schutz des Naturerbes zu sensibilisieren und konkrete Gesetzesänderungen zu erwirken. „Rumänien ist ein privilegiertes Land, in dem es noch viele Spezies gibt, die in anderen Ländern längst ausgestorben sind“, erinnert Magor Csibi vom WWF. Leider stehen viele durch Jagd und Wilderei, Umweltverschmutzung, chemische Düngung, das Vordringen der Straßen in bisher unerschlossene Gebiete und das Abholzen der Wälder zunehmend unter Druck. Ein Team junger Forscher dokumentierte die tatsächliche Situation der heimischen Biodiversität. „Die Bilanz ist nicht ganz so schlecht wie befürchtet“, meint Lascu. Dennoch sind für einige Spezies dringend Schutzmaßnahmen nötig. Für den Luchs wurde bereits ein offizielles Jagdverbot erwirkt. Als nächstes sei dies für die Gämse anzustreben, ein Tier, dass sich in Höhen zurückziehen kann, wo ihre natürlichen Feinde, Luchs und Wolf, nicht mehr hinkommen –doch gut sichtbar für die Jäger, die sie dann von Felsvorsprüngen und Gipfeln herunterschießen. Etwa 8000 Gämsen gibt es noch in Rumänien. Ähnlich ergeht es dem Wolf.

„Die Tiere werden mit Snowmobilen gejagt, bis sie vor Erschöpfung umfallen“, kritisiert Csibi Magor. „Dann kann man sie leicht abknallen.“ 2900 Wölfe soll es nach offiziellen Statistiken noch geben. Die Naturschützer zählten knappe 600. Vom Aussterben bedroht ist auch die Hornviper, denn aufgrund des hartnäckigen Mythos, man könne ihr Gift gewinnbringend verkaufen, setzen Schlangensammler den Tieren zu. Bären gibt es zwar viele, doch die Spezies ist geschwächt. „Wenn Bärinnen statt ein bis zwei Jungen auf einmal vier bis fünf werfen, ist das ein klares Zeichen für Degeneration“, erklärt Magor. Schuld sind auch hier die Jäger, die die größten und stärksten Tiere schießen und damit den schwachen einen Überlebensvorteil verschaffen. Erfreulichere Nachrichten gibt es hingegen zur Fledermaus: Die beiden bedeutendsten Kolonien Europas befinden sich in Rumänien. Etwa 80.000 Tiere zählt die größte Gruppe dieser zierlichen Blutsauger.

Zum Thema Vacareşti hat die ADZ bereits im Februar ausführlich berichtet („Das Minidelta von Bukarest“ vom 15.2.2013). Fotograf Helmut Ignat bringt die Probleme noch einmal auf den Punkt: Das in dem verwahrlosten Stausee aus der Ceauşescu-Zeit auf natürliche Weise entstandene Ökosystem mitten in Bukarest – mit über 94 Vogelarten – zeigt auch durch die Anwesenheit von Raubtieren wie Seeotter oder Füchse, dass es stark und nachhaltig überlebensfähig ist. Wenn das Abladen von Baumüll, das winterliche Massakrieren der Bäume, das Abbrennen des Schilfbestands, das Fischen und Wildern im kommerziellen Stil gestoppt würden, könnte Văcăreşti zur grünen Lunge der Hauptstadt werden. Als Naherholungsgebiet mit Naturpark und Öko-Lehrzentrum böte es einen willkommenen Kontrast zu den lärmüberfluteten Massenvergnügungsparks wie dem Herastrău, „mit Lautsprecherboxen in den Bäumen“, wie sich der Naturschützer ironisch mokiert. Weltstädte mit geschützten Feuchtgebieten machen vor, wie es gehen kann: Los Angeles (Hazard Wetlands Park, 10,9 ha), Buenos Aires (Wetlands Park 353 ha), Kopenhagen (Loop City, 91 ha), Wien (Biosphärenreservat Lobau, 20 ha), Nantes (Klein-Amazonien, 19 ha) und viele mehr. Wer solchen Plänen in Bukarest noch entgegensteht, sind Grundstücksbesitzer und Immobilienspekulanten. „Obwohl die Grundstücke unter Wasser stehen, weder Straßen, noch Strom oder Gas vorhanden sind“, amüsiert sich Cristian Lascu, „gibt es Verkaufsanzeigen mit aberwitzigen Preisen – 849 Euro pro Quadratmeter!“ Der reale Wert des Feuchtgebietes? 1.900.000 Quadratmeter Grünfläche, sauberes Wasser, Biodiversität, Kinder, die im Freien spielen und in einem Aufklärungszentrum über das Ökosystem lernen können.

Abstecher in Geschichte und Wissenschaft

Einen Ausflug ins Dakerreich bot der „Abend der Geschichte“ am 9. Mai, zu dessen Anlaß die bereits am 24. Oktober 2012 stattgefundene Filmvorführung von „Dacia decoded“ mit anschließender Präsentation der gestohlenen und aus dem Ausland rückgeführten Dakerschätze wiederholt wurde (die ADZ hat ausführlich berichtet: „Den Dakern und ihrem Gold auf der Spur“, 6.11.2012).
Am 10. Mai wurde der Jubiläumszyklus durch einen Informationscocktail von der ultimativen Wissenschaftsfront abgerundet. Rumänische Wissenschaftler berichteten über ihre Beiträge in der Spitzenforschung im In- und Ausland. Über neu entdeckte Zellformen zur Heilung von Herzinfarkten, mögliche Lebensformen im Marsgestein oder die Frage, warum wir heute widerstandsfähiger gegen die Pest sind als früher, berichtet in Kürze die ADZ.