Wort zum Sonntag: Das Fest der Familie

Liebe Brüder und Schwestern, das Evangelium am kommenden Sonntag hat mich an eine Begebenheit erinnert: Es war an einem 24. Dezember nachmittags in der Kirche, nach der Kinderandacht. Die Kirche war wirklich voll, viele Erwachsene mit ihren Kindern waren gekommen und am Schluss durften alle Kinder noch zur Krippe das Jesuskind anschauen und sich ein kleines Geschenk holen. Als dann die Kirche schon fast leer war, kam ein kleines Mädchen auf mich zu gelaufen, ganz unruhig und besorgt: „Ich finde meine Mama nicht mehr.“ Ich bin mit ihr hinausgegangen, da kam uns schon die Mutter noch besorgter entgegen. Das Mädchen ist ihr in die Arme gefallen und die ganze Anspannung konnte sich jetzt unter Tränen lösen. Gott sei Dank!

Sehr ähnlich die Erfahrung des Sonntagsevangeliums: Da ist ein Junge von etwa zwölf Jahren mit auf dem Weg zum Paschafest nach Jerusalem. Von Nazareth sind das circa drei Tage Fußmarsch, die die Menschen zur damaligen Zeit in kleineren oder größeren Pilgergruppen gemeinsam zurücklegten. Und plötzlich merkten die Eltern, der Junge ist nicht mehr da. Wo steckte er? Sie fragten nach. Niemand hatte ihn gesehen. Vielleicht hat sich bei Maria und Josef ein Wechsel von Sorge und Wut breitgemacht. Drei Tage suchen sie ihn und finden ihn dann endlich: Im Tempel. In Marias Worte klingen dann Erleichterung, Erschöpfung, aber ebenso eine große Enttäuschung und Ärger mit. „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“

Warum erzählt Lukas diese kleine Episode aus dem Leben Jesu? Ist das ein so wichtiges Ereignis? Warum lesen wir diesen Text am Fest der Heiligen Familie? Ich glaube, diese kleine Begebenheit deutet schon sehr viel von dem an, wie Jesus sein wird und worauf man sich einstellen muss, wenn man sich auf ihn einlässt. Es ist nicht so ganz einfach mit diesem Jesus. Er bewegt sich immer irgendwie am Rand, geht Wege und knüpft Beziehungen, die so nicht üblich waren und sind. Er ist nie ganz greifbar und nicht nach unseren Maßstäben berechenbar. Und er selber, er scheint erstaunt zu sein, dass andere das als schwierig ansehen. „Wusstet ihr denn nicht?“ - so seine fast ein wenig freche Antwort auf den Vorwurf seiner Mutter.

Ich denke, diese kleine Erzählung aus dem Leben Jesu passt wirklich wunderbar zum Fest der Heiligen Familie, weil sie uns eine Erfahrung erzählt, die viele von uns auch kennen. Wir machen gerade in der Familie oft die Erfahrung, dass Enttäuschung und Liebe ganz eng beieinander liegen. Besonders, wenn die Kinder älter werden, wenn sie eigene Wege gehen, wenn sie Orte aufsuchen, wo wir sie nicht vermuten würden, wenn sie Beziehungen pflegen, die wir nicht gerne sehen, wenn sie langsam ihr Leben selber in die Hand nehmen und ihren Alltag selber gestalten. Auch für uns sind Jugendliche oft nicht mehr greifbar und unsere Vorstellungen und Maßstäbe von dem, was gut und sinnvoll ist, lassen sie sich schon gar nicht vorschreiben. Das bringt auch Pflichten, das macht Sorgen, das führt manchmal zu Ärger und Streit, zum Vorwurf.

Dieses Evangelium ist so menschlich. Es ist schön, sich vorzustellen, dass Maria und Josef unsere Sorgen kennen, dass sie all das auch mitgemacht haben. Das Fest der Heiligen Familie darf ruhig ein Fest aller unserer Familien sein. Weil sie sich so gleichen, weil es überall so ähnliche Erfahrungen gibt. Lassen wir uns deshalb heute einfach von der Heiligen Familie stärken. Bringen wir heute vor diese Familie all unsere Sorgen, die kleinen und die großen Sorgen unserer Familie. Aus dieser Feier möge viel Segen auf uns herabkommen, auf unsere Familien. Freude in den alltäglichen Sorgen, Rat in mancher Ratlosigkeit und Geduld in den Krisen, die es auch immer wieder durchzustehen gilt. Möge Gott am heutigen Fest der Heiligen Familie unsere Familien segnen!

Amen.