WORT ZUM SONNTAG: Das Gasthaus Erde

Christus hat zum Verständnis seiner Lehre Parabeln zu Hilfe genommen. Beginnen auch wir mit einer Parabel: Da war ein wohlhabender Mann. Er wollte den Menschen so viel Gutes wie möglich tun. Er dachte sich Folgendes aus: An einem Ort, wo sehr viele Menschen vorbeikommen, wollte er ein Gasthaus errichten mit allem, was uns Menschen guttut und Freude macht. So richtete er das Gasthaus ein mit gemütlichen Räumen, wärmenden Öfen, Brennmaterial, Beleuchtung. Er füllte die Vorratsräume mit jeder Art von Lebensmitteln, Gemüse und allen möglichen Erfrischungen. Er stellte Betten auf, füllte die Schränke mit vielen unterschiedlichen Kleidungsstücken und Schuhen,  – all das in einem so reichen Maß, dass es für eine sehr große Menge von Menschen ausreichen konnte. Nachdem alles fertig war, schrieb er eine sehr eindeutige Gebrauchsanweisung für dieses Gasthaus. Darin stand unmissverständlich, wie all die Dinge des Gasthauses benützt werden sollten: Jeder, der in das Gasthaus kam, sollte so lange bleiben dürfen, wie es ihm guttat. Er durfte nach Herzenslust essen und trinken und von allem, was im Gasthaus war, nehmen. Nur eine Bedingung war dabei: Keiner sollte mehr nehmen, als er im Augenblick brauchte. Die Gäste sollten sich gegenseitig helfen und das Gasthaus so verlassen, wie sie es bei ihrer Ankunft vorgefunden hatten. Diese Anweisung nagelte der Mann deutlich sichtbar und für alle lesbar an die Tür des Gasthauses. Dann zog er sich selbst zurück.

Aber wie es so geht: Die Menschen kamen ins Gasthaus, lasen aber die Anweisung an der Tür nicht. Sie fingen an, alles, was im Haus war, zu benutzen, ohne an ihre Mitmenschen zu denken. Sie versuchten, möglichst viel von den Vorräten für sich zu sammeln und einzustecken, obwohl sie die meisten Dinge gar nicht nötig hatten. Jeder dachte nur an sich selbst. So fingen sie an, sich wegen der Güter, die im Haus waren, zu streiten. Sie entrissen sich gegenseitig die Dinge und zerstörten sie dabei. Einige zerstörten die Vorräte sogar in der Absicht, dass die anderen sie nicht bekommen sollten. So zerstörten sie nach und nach alles, was im Gasthaus war. Dann fingen sie an zu leiden. Sie froren, sie hatten Hunger, sie litten unter dem Unrecht, das sie sich gegenseitig zufügten. Und sie fingen an, über den Gastgeber zu schimpfen: Er hätte zu wenig Vorräte in das Gasthaus gegeben. Er hätte Aufseher einsetzen müssen. Er hätte allem Gesindel und allen schlechten Leuten verbieten müssen, ins Gasthaus zu kommen. Das Gasthaus habe keinen Herrn und sei nun ein Unglücksort.

Was diese Parabel sagen will, leuchtet uns sofort ein. Gott hat die Erde mit reichlichen Gütern ausgestattet. Wir sollen sie in unserer Lebenszeit dankbar genießen, aber mit Rücksicht auf unsere Mitmenschen. Die Gebrauchsanweisung hat er uns in den Zehn Geboten und im Hauptgebot gegeben: „Du sollst Gott über alles lieben und deinen Nächsten wie dich selbst!“ Leider halten wir Menschen uns nicht an diese so wichtige Gebrauchsanweisung. Die Mächtigen und Starken nehmen sich alles, was sie wollen. Die Schwachen und Einflusslosen müssen sich mit dem zufrieden geben, was die Starken ihnen „großmütig“ überlassen. Es kommt zu Feindschaft und Streit. Wir brechen um die materiellen Güter Kriege vom Zaun. Dabei werden unermesslich viele Güter zerstört. Gott wollte, dass ein Mensch dem anderen ein „Engel“ sei, leider ist der Mensch dem andern oft zum „Wolf“ geworden. Können Wölfe ein Paradies schaffen?
Besser kann es nur werden, wenn wir den Egoismus in uns wirksam bekämpfen. Der Egoismus ist der größte Feind der menschlichen Gemeinschaft. Wird er nicht gezügelt, wächst er ins Maßlose. Selbstsucht wirkt immer zerstörerisch. Es hängt von uns Menschen ab, ob das Gasthaus Erde ein Gasthaus der Liebe bleibt oder zum Leidenshaus des Egoismus herabgewürdigt wird. Selbstliebe und Nächstenliebe müssen sich das Gleichgewicht halten, dann wird die Erde, dieses Geschenk Gottes, für uns ein wahres Gasthaus bleiben.