WORT ZUM SONNTAG: Der Christ, berufen zur Zukunftsgestaltung

Papst Innozenz III. (1198 - 1216) war zu seiner Zeit wohl der politisch mächtigste Mann Europas. Seinen Entscheidungen fügten sich Könige und Fürsten. Aber zu dieser mächtigen Institution drängten sich viele ehrgeizige Männer – nicht, um dem kreuztragenden Christus nachzufolgen, sondern um die Vorteile zu genießen, die aus der weltlichen Herrschaft der Kirche zu erlangen waren. So war mit dem politisch-herrschaftlichen Aufstieg der Kirche zugleich der sittliche Abstieg vorprogrammiert. Die Verweltlichung, dieses geistige Gift, war tief in die Kirche eingedrungen. Da hatte der Papst einen nächtlichen Traum. Er sah bei einem Erdbeben die Laterankirche wanken. Sie drohte einzustürzen. Da kam ein einfacher Mönch mit seinen Gefährten. Ihm gelang das schier Unmögliche, den Einsturz der Basilika zu verhindern. Am nächsten Tag, als der Papst noch von seinem Traum benommen war, erschien in der Audienz der hl. Franz von Assisi und bat den Papst, das Leben seiner Ordensgemeinschaft in evangelischer Armut gutzuheißen. Der Papst erkannte in Franz den Mann, der in seinem Traum die Laterankirche vor dem Einsturz bewahrt hatte. Erleichtert approbierte er den Orden der Franziskaner.

Ein neuer Geist, angeregt nicht von den Mächtigen, sondern von den Ohnmächtigen, zog in die Kirche ein. Im Leben der Minderbrüder erkannten die Menschen die wahre Sendung der Kirche. Jesus kam ja nicht in die Welt, um die materiellen Verhältnisse der Menschen zu verbessern, sondern um die Menschen zu bessern. Nur der gute Mensch kann gute Lebensverhältnisse schaffen.

Im Johannesevangelium heißt es von Christus: „In Ihm ist alles geworden!“ Er, der Schöpfer aller Reichtümer, wurde von einflusslosen Eltern nicht in einem Palast, sondern in einem Schafstall geboren. Er führte das Leben eines armen Predigers und konnte von sich sagen: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, nur der Menschensohn hat nichts, worauf er sein Haupt legen kann!“

Er wollte uns mit seiner selbsterwählten Lebensweise zeigen, dass es im Leben nicht auf das „Guthaben“, sondern auf das „Gutsein“ ankommt. Das ist leichter in der Armut als im Reichtum zu verwirklichen. Darin bestärkte er auch seine Apostel. Er sandte sie zur Belehrung des Volkes mit der Weisung aus: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstaschen, keine Schuhe. Kündet den Menschen: ´Das Reich Gottes ist nahe!´“ Bescheidenheit und Genügsamkeit sollen ihre markanten Kennzeichen sein. Macht und Reichtum sind keine Hilfen dazu, sie sind eher Hindernisse. Das hat auch der Völkerapostel Paulus erkannt und im Korintherbrief dargelegt: „Seht auf eure Berufung. Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme!“

Als der hl. Franz und seine Gefährten das Evangelium Christi radikal umsetzten, wurden sie von den Lebemenschen als Narren und Toren verhöhnt. Das erlebte auch der Apostel Paulus und schrieb: „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisheit zuschanden zu machen und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten!“

Wollen wir als Christen unsere Zukunft recht gestalten, dürfen wir uns nicht die politisch und wirtschaftlich Erfolgreichen zu Vorbildern nehmen, sondern Jesus. Ein Künstler stellte dies in einem Bild plastisch dar: Christus, mit der Linken das Kreuz umfassend, mit der Rechten auf die Krippe weisend, sagt zu einem König, einem Dichter und Ritter: „Lernet von Mir…“ und zu einem Bettler, einer Frau mit Kind und zu einem Flüchtling: „Kommet alle zu Mir!“ Das Bild will sagen: Die Mächtigen sollen von Ihm lernen, die Ohnmächtigen Ihm vertrauen. Dann wird alles gut.

Wie wird sich unsere Zukunft gestalten? Schließen wir Christus aus, dann wird die Zukunft ein ewiger Konkurrenzkampf um Macht und Güterbesitz bleiben. Die beiden Weltkriege und die heutige unsichere Weltlage liefern uns dazu genügend Anschauungsunterricht. Folgen wir Christus nach, erwächst uns die geistige Kraft, unsere Welt friedlich zu gestalten. Dann erfüllt sich die Idylle, wie sie der Prophet Micha sah: „Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. Niemand schreckt ihn auf!“ Das erwarten wir doch alle von der Zukunft.