WORT ZUM SONNTAG: Schlüsselträger

Im Laufe der Zeit gab es viele Machtträger, die unumschränkt geherrscht haben. Sie wollten die errungene Macht auch an ihre Nachkommen vererben. So entstanden die vererbten Königsdynastien der Stuarts in England, der Kapetinger in Frankreich und der Habsburger in Deutschland. Aber nichts hält ewig. Ihre Macht fand ein Ende. Ihre Namen sind nur noch in Geschichtsbüchern zu finden. Manchen wurden Standbilder errichtet. Der Römer sagt: „Sic transit gloria mundi!“ So vergeht die Herrlichkeit dieser Welt!

Einer aber macht eine erstaunliche Ausnahme: der Apostel Petrus. Er war kein gekröntes Haupt und auch kein berühmter Heerführer. Auf ihn aber gründete Jesus ein Reich, dem er bis ans Ende aller Zeiten Dauer verbürgt hat. Er sprach zu Petrus das bedeutungsvollste Wort der Machtgeschichte: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein!“ Welch eine Machtfülle! Auch die mächtigsten Kaiser und Diktatoren konnten ihre Herrschaft nur innerhalb ihres Machtbereichs ausüben. Dem Apostel Petrus wurde eine Machtfülle verheißen, die sich nicht nur bis ans Ende des Erdkreises auswirken wird, sondern sogar bis in den Himmel reicht. Es ist aber keine politische oder militärische, sondern eine geistig-religiöse Macht.

Wer war dieser Mann, der zu so einer die Erde überragenden Macht erwählt wurde? Er war kein Königssohn, kein Erbe berühmter Adelsgeschlechter, sondern ein armer Fischer am See Genezareth, der von der Hand in den Mund lebte. Er besaß keine Schulbildung und hatte auch keine Vorbildung für so ein außergewöhnliches Amt. Von Natur aus war er hitzig, unüberlegt, im Handeln oft schneller als im Denken. Dennoch erwählte Christus ihn, auf den er seine Kirche bauen wollte und machte ihn zum Schlüsselträger des Reiches Gottes auf Erden. War er dazu geeignet? Schon bei der ersten ernsten Probe versagte er und verleugnete seinen Herrn und Meister. Dennoch hielt Christus an ihm fest. Dadurch wurde er zum Felsen der Kirche Christi. Doch das wurde er nicht durch persönliche überragende Eigenschaften, sondern einzig und allein durch die Gnade Gottes.

Petrus starb den Märtyrertod am Kreuz. Er hatte keine Familiendynastie gegründet, an die er die Schlüsselgewalt weiter vererben konnte. Seine 267 Nachfolger stammten aus mehreren Nationen und verschiedenen Kulturkreisen. Bis zum Kaiser Konstantin starben fast alle Petrusnachfolger den Märtyrertod. Es gab unter ihnen machtbewusste Männer: Leo I., Gregor VII., Innozenz III.; große Gelehrte: Gregor der Große, Benedikt XIV., Benedikt XVI.; Heilige: Leo IX., Pius V., Pius X., Johannes XXIII. Es gab unter ihnen auch große Sünder: Johannes XII., Innozenz VIII., Alexander VI. Eines aber muss man diesen Schandnachfolgern zugute halten. Trotz ihres sündhaften Lebens hielten diese Schlüsselträger an der Lehre der Kirche fest, versuchten nicht, sie zu verwässern, obwohl diese Lehre, die sie behüteten, ihr eigenes Leben verurteilte. Gott ließ auch solche Petrusnachfolger zu, um zu beweisen, dass seine Kirche weder von außen überwältigt, noch von ihnen ausgehöhlt werden kann.

Es ist äußerst wichtig, dass die Schlüsselträger ihr Amt auch weiterhin treu und sorgfältig verwalten. Ansonsten würde das Erbe Christi in große Gefahr geraten. Der englische Schriftsteller Hugh Benson gibt uns dazu einen aufschlussreichen Anschauungsunterricht: „Als ich in Oxford noch Student war, fand ich oft in einem Lesesaal zehn Männer aus einer Nation mit zehn verschiedenen Religionen; als ich später in Rom war, fand ich in einem Lesesaal des Vatikans oft zehn Männer aus zehn Nationen mit einer Religion!“  
Wie Gott dem ersten Schlüsselträger der Kirche beistand, so möge Er allen Petrusnachfolgern beistehen, damit sie die geistig-religiöse Schlüsselgewalt zu unserem Heil gut verwalten.