Wunderbare Natur, wertvolles Kulturerbe

Ohrid – auf Platz fünf als Städte-Reisedestination 2017

Die Altstadt und, oberhalb gelegen, die Festung des Zaren Samuil am Ufer des Ohrid-Sees

Die Klementskirche (Sveti Kliment), bekannt auch als Panteleimon Kirche

Ein Teil der 1100 Jahre alten Platane am Ohrider Platanenplatz
Fotos: der Verfasser

Es gibt wenige Stellen auf dieser Welt, wo neben einer äußerst großzügigen Natur auch einmalige Kulturwerte hinzukommen. So eine Region ist Ohrid in Mazedonien. Bereits 1979 wurde der Ohrid-See zum Weltnaturerbe erklärt; ein Jahr darauf stand die Stadt mit ihren zahlreichen alten Kirchen und Klöstern auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. So müsste es eigentlich nicht verwundern, dass die Kleinstadt Ohrid (42.000 Einwohner) dank ihrer malerischen Lage und ihrer bewegten Geschichte in diesem Jahr in der Rangliste der besten Städtedestinationen von „Lonely planet“ nach Bordeaux, Kapstadt, Los Angeles und Merida (Mexiko) auf einem bemerkenswerten fünften Platz zu finden ist.

Der See

Umgeben von hohen Bergen liegt der Ohrid-See mit seinem tiefblauen, kristallklarem Wasser in einer Senke, die rund 350 Quadratkilometer einnimmt. Der größte Teil gehört zu Mazedonien, ein Teil liegt auf albanischem Gebiet. Der Ohrid-See ist nicht nur einer der größten Seen der Balkanhalbinsel, sondern auch eines der ältesten stillen Gewässer der Erde. Dass sein Alter mit zwei bis fünf Millionen Jahren angegeben wird, beweist, dass der See noch manche Geheimnisse für die Forscher birgt. Als „Spielplatz der Evolution“ bezeichnete ihn ein deutscher Journalist, weil dort auf einer relativ kleinen Fläche weltweit die größte Dichte endemischer Tierarten - an die 200 - verzeichnet wird. Unter ihnen auch die Ohrid-Forelle, für deren Schutz eine künstliche Aufzucht gesichert wird, da sie, mit Zwiebeln und Walnüssen serviert,  eine der begehrtesten Leckerbissen bei Einheimischen und Touristen ist: Jedes Jahr werden aus den Eiern wildlebender Forellen rund 3,5 Millionen Jungfische in drei Zuchtstationen aufgezogen und dann in den See freigelassen.

Als tektonischer See weist Ohrid auch eine beachtliche Tiefe auf – bis zu 300 Meter. Das Wasser ist nährstoffarm, weil das Plankton fehlt – dafür aber sehr klar. Gespeist wird der See aus einer Vielfalt von Quellbächen, vor allem im Gebiet des Klosters Sveti Naum. Das Wasser fließt unterirdisch und stammt aus dem rund 200 Meter höher gelegenen Prespa-See. Im See kann man selbstverständlich baden oder auch tauchen. Dafür ist die Saison zwischen Mai und September am besten geeignet, da bei Tauchgängen dann eine Sichtweite bis zu zehn oder sogar 20 Metern möglich ist. Mit Ausflugsbooten kann man eine schöne Seefahrt unternehmen. Aber auch ein Spaziergang entlang der Seepromenade mit Ausblick auf die Samuil-Festung auf dem Berg Gorni Saraj und auf die Altstadt mit ihren weißen Häusern ist zu empfehlen. Links davon liegt der See, der bei Wind auch von Wellen durchfurcht wird, rechts gepflegte Parks mit vielen Blumenbeeten, Statuen, Bänken, Bäumen und bunten Sträuchern – manche subtropischer Art, denn obwohl wir uns auf rund 700 Höhenmetern befinden, weist das Klima im Sommer bereits mediterrane Züge auf.

Die Stadt

Von Ohrid wird behauptet, dass es dort und in der näheren Umgebung an die 365 Kirchen und Klöster gibt – also je ein Gotteshaus für jeden Tag des Jahres. Die Kirchen sind alt und alles andere als monumental. Sie sind Zeugen einer bewegten Geschichte, in denen sich das oströmische Reich, das bulgarische Zarenreich, das osmanische Reich und der Einfluss des nicht so fernen Griechenland sich abwechseln und oft ineinanderfließen. Manche Kirchen wurden während der türkischen Herrschaft in Moscheen umgewandelt, andere dienten mit den dazugehörenden Klöstern als Bildungszentren. Zwei Kleriker-Namen sind dafür beispielgebend: Kliment und Naum, beide wurden heilig gesprochen. Für Kliment, dem Stadtpatron von Ohrid, wurde die alte, von den Türken zerstörte Panteleon-Kirche ab 2002 wieder aufgebaut, an einem Ort namens Plaošnik, etwas unterhalb der Festung. Aufwändige Ausgrabungen im Rahmen archäologischer Erkundungen erfolgen hier, um die von Kliment geleitete Universität („Schule von Ohrid“) wiederherzustellen.

Kliment hatte als Erzbischof  die glagolitische Schrift in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts reformiert, Kirchen gebaut, den Klerus ausgebildet – ein Werk, das später Naum fortsetzte. Kliments Grab befindet sich, nun unter einer Glasplatte sichtbar, rechts von der Altarapsis. Nicht fern von Plaošnik liegt eine andere, kleinere Kirche (Sveti Jovan Kaneo), von wo aus man die beste Aussicht auf den See hat – die Kirche mit dem See im Hintergrund ist zum beliebtesten Fotomotiv Mazedoniens geworden. In der Sophienkirche (Sv. Sofija), ehemaliger Bischofssitz, im unteren Teil der Altstadt, kann man besonders wertvolle Wandgemälde aus dem 11. Jahrhundert bewundern. Fachleute meinen, dass es sonst nur in der Sophienkathedrale in Kiew so gut erhaltene Fresken aus dieser Zeit zu sehen gibt. Ihr Erhalt ist paradoxer Weise der türkischen Herrschaft zu verdanken. Die Türken wandelten die Kirche in eine Moschee um und übertünchten die Wandgemälde, die erst nach ihrem Abzug wiederentdeckt und freigelegt wurden.

Beim Rundgang durch die engen, verwinkelten, gepflasterten Gassen der Altstadt stößt man auch auf das Haus der Kaufmannsfamilie Robevi, wo sich heute das Stadtmuseum befindet. Das sanierte weiße Gebäude mit seinen vielen kleinen Fenstern und balkonartigen Vorbauten gilt als typisches Beispiel für ein osmanisches Wohnhaus, so wie sie auch in anderen Balkanregionen noch vorzufinden sind. Eine Ikonengalerie, viele Souvenirläden und Restaurants säumen die Gassen; oft sind Trachten (vor allem Blusen) direkt an der Mauer ausgestellt und zum Verkauf angeboten.

Die Umgebung

Wer für Ohrid mehrere Tage eingeplant hat, sollte sich folgende Sehenswürdigkeiten nicht entgehen lassen:
 - Das Kloster Sveti Naum im Süden des Sees und die Ohrid-Quellen wo man mit einem der kleinen Ruderboote und bei günstigen Preisen eine halbstündige Erkundungsfahrt unternehmen und vom Boot aus die sprudelnden Quellen am Seegrund erkennen kann.
- Die rekonstruierten Bauten einer prähistorischen Pfahlbausiedlung in der „Knochenbucht“ („Bay of Bones“): Der Name kommt von den Knochenresten, die in der „Untersee-Müllhalde“ dieser Siedlung von Archäologen und Tauchern gefunden wurden und die nun für Fachleute sehr aufschlussreich für die Lebensbedingungen dieser Ureinwohner sind.
- Die Stadt Struga, im Norden am Seeufer gelegen - bekannt auch durch das hier abgehaltene Festival „Die Abende der Poesie in Struga“, wo unter anderen bekannten Namen wie Pablo Neruda, Eugenio Montale, Hans Magnus Enzensberger, Allen Ginsberg, Margaret Atwood auch Nichita St˛nescu (1982) mit dem „Goldenen Kranz“ ausgezeichnet wurde.
- Der Galicica-Nationalpark, der sich zwischen dem Ohrid- und dem Prespa-See erstreckt: Dort gibt es viele gut eingerichtete, leichtere und schwierigere Wege für Wanderer und Mountainbiker, die bis hinauf zum höchsten Gipfel, dem Magaro (2255 Meter) führen.

Ohrid ist längst nicht nur für Touristen aus dem ex-jugoslawischen Raum oder aus den benachbarten Balkanstaaten zu einer bevorzugten Reisedestination geworden. Auch Westeuropäer, Asiaten oder Nordamerikaner entdecken diese Stadt und den gleichnamigen See – und das nicht nur in der Hochsommersaison. Als Geheimtipp kann Ohrid nur noch bedingt gehandelt werden. Hoffentlich beeinträchtigen die wachsenden Touristenzahlen nicht das einzigartige balkanisch-mazedonische Flair.