Zuckerbrot und ein paar Ohrfeigen

MdEP Markus Ferber zu Rumänien: hocherfreut über Zivilgesellschaft, besorgt über mangelnden EU-Geist und nationalistische Töne

Pressekonferenz in den Räumen der Hanns Seidel Stiftung (v. li): Daniel Seiberling (Regionalleiter HSS), MdEP Markus Ferber, DFDR-Abgeordneter Ovidiu Ganţ
Foto: die Verfasserin

Zuerst die gute Nachricht: die wochenlangen, massiven Bürgerproteste in Rumänien wurden in Brüssel außerordentlich positiv aufgenommen, so MdEP Markus Ferber, der erste stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament, zudem stellvertretender Vorsitzender der CSU-nahen Hanns Seidel Stiftung (HSS). Zum Anlass seines Rumänienbesuchs hielt Ferber am 23. Februar am Bukarester Sitz der HSS eine Pressekonferenz für deutschsprachige Medien ab. Der aus Bayern stammende Europaparlamentarier, der Rumänien bereits mehrmals besucht hatte, befand sich auf Fact-Finding-Mission: Er wollte sich vor Ort ein Bild machen, nachdem die Straßenproteste Rumänien sowohl in Brüssel, aber auch in Deutschland wieder stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt haben, motiviert er den Aufenthalt. Auf seiner Gesprächsagenda standen die Oppositionsparteien und neu gegründeten Parteien, Traian Băsescu, die rumänisch-deutsche Handelskammer und die Studenten des deutschen Zweigs der Fakultät für Betriebswirtschaft (FABIZ) in Bukarest im Rahmen einer Konferenz am Vortag zum Thema „Soziale Marktwirtschaft – Europäische Werte in Wirtschaft und Politik” .

Politik muss von unten nach oben geschehen

„Mir war bei diesem Besuch wichtig, einen Überblick über jüngste politische Entwicklungen zu erhalten, aber auch, mich mit der Zivilgesellschaft auszutauschen”, erklärt Ferber. „Wir haben die Regierungsbildung beobachtet - und erste politische Entscheidungen”, präzisiert er, nicht ohne die Haushaltspläne der neuen Regierung sogleich mit Besorgnis zu erwähnen. Er sei negativ überrascht gewesen, wie positiv diese in Brüssel aufgenommen worden waren...
Die Bürgerproteste hingegen betrachte er eindeutig als gutes Zeichen - dies sei auch in Brüssel so angekommen. „Es war immer mein Petitum, dass Reformen von unten nach oben geschehen müssen – und nicht, weil Brüssel das so will.” Bisher hätte man seiner Meinung nach in Rumänien vieles nur abgehakt, „damit man in Brüssel gut ausschaut”. Eine unabhängige Justiz, eine Politik mit starken Institutionen, ein Sozialsystem mit klaren Regeln – dies seien jedoch Dinge, die im Interesse der Menschen im eigenen Land vorangetrieben werden müssten.

Über richtungsweisende Gespräche in der Vergangenheit mit rumänischen Politikern in Brüssel unkt er: „Da wird zu vielem genickt - und dann heimgefahren und gedacht, Brüssel ist doch ziemlich weit weg - und es passiert wieder nichts”. Und warnt: Dies sei ein wenig vertrauensbildender Prozess! Trotz der positiven Wahrnehmung der Zivilgesellschaft zeigte er sich andererseits beunruhigt über die geringe Wahlbeteiligung: „Wenn sich Menschen von ihrem Staatssystem abwenden, macht mir das große Sorgen. Ein demokratisches System lebt schließlich von Regierung und Opposition, vom politischen Diskurs.” Die Gespräche mit der Zivilgesellschaft vermittelten außerdem den Eindruck, es gäbe eine breite Klammer zu dem, was in diesem Land geschehen müsse, „aber wenn man das dann durchdekliniert, weiß nicht jeder genau, was geschehen muss”. Obwohl, wie er an anderer Stelle einräumt, es eine Bewegung der gut ausgebildeten, im Beruf aktiven Bürgerschicht sei.

Klares Nein zum Schengen-Beitritt

„Mit Schengen - das wird auch in diesem Jahr nichts”, erklärt Ferber rundheraus. Und präzisiert: „Es geht nicht um die technische Erfüllung der Kriterien, es muss auch nach innen gelebt werden”. Regeln seien nicht dazu da, um nur abgehakt zu werden. Hinsichtlich der gelebten Arbeitsweise gäbe es noch viele offene Punkte, auch in den Strafverfolgungsbehörden, kritisiert er. „Der Überwachungsmechanismus wird daher erst dann eingestellt, wenn er nicht mehr notwendig ist - und nicht, wenn irgendwelche Uhren abgelaufen sind”. Aufgrund jüngster Ereignisse müsse wohl an manchen Stellen wieder genauer nachgeschaut werden, was passiert, kündigte er bereits an.

Erschüttert  über Hetzkampagne regierungsnaher Medien

„Was die Kampagnen gegen die deutsche Minderheit betrifft, bin ich überrascht, was hier passiert - eine Propaganda, die jeder Grundlage entbehrt und ehrverletzend ist!”, äußert sich Ferber deutlich. In einem freiheitlichen System müsse die Medienkontrolle funktionieren, vor allem, wenn Sachverhalte objektiv nachprüfbar sind, rügt der EU-Parlamentarier. Zudem müssten offizielle Stellen dazu Stellung beziehen und Falschaussagen richtig stellen. Man habe in Gesprächen ihm gegenüber zwar entsprechend Position bezogen, „doch mir reicht es nicht, wenn ich eine schöne Stellungnahme kriege – die muss an das rumänische Volk gerichtet werden, nicht an den Ferber!” Von der Gesetzeslage her seien die Minderheiten in Rumänen zwar ausgezeichnet positioniert, räumt er ein. Doch müsse dies auch im täglichen Leben die Normalität darstellen. Um Diskriminierung von Minderheiten auszuschließen, genüge es nicht, ein gutes Gesetz zu haben.
Auch der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ, der 2005 auf Einladung von Markus Ferber als kooptiertes Mitglied der CDU-CSU-Gruppe im EU-Parlament über die Entwicklungen in der rumänischen Justiz informiert hatte, um den EU-Beitritt für 2007 statt 2008 zu erwirken, äußert sich heute enttäuscht. Zehn Jahre nach dem Beitritt hätte er gehofft, man könne freudig Jubiläum feiern – statt dessen müsse er erkennen, dass die damaligen Vorbehalte Ferbers berechtigt gewesen seien... „Ich hatte gehofft, dass wir in der Frage CVM irgendwann ein Phasing-out erleben, wie auch vom Kommissionsvorsitzenden Juncker angedeutet wurde. Aber die Prozesse in der Justiz müssen unumkehrbar sein – daher habe ich als Politiker Null Vertrauen in die amtierende Regierung!”

Dies werde nur bestätigt durch die jüngste Hetzkampagne der regierungsnahen Medien gegen das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, fährt er fort, die schon im Präsidentschaftswahlkampf 2014 begonnen habe und jetzt intensiver fortgesetzt wird. Nationalistische Parolen gegen den Staatspräsidenten - in etwa: „Geh in dein Land, du bist nicht der Präsident der Rumänen” - das sei „eher für die 50er Jahre, ich nenne das ‘die bolschewistische Methode’. Das hatte man hier nach dem Zweiten Weltkrieg!”, entrüstet sich der Parlamentarier. Und wird noch deutlicher: Er freue sich, dass der rumänische Premierminister nach Brüssel zitiert worden sei, wo man ihm klargemacht hätte, „dass das so nicht geht”, dass die EU nicht nur ein gemeinsamer Markt, sondern eine Wertegemeinschaft sei. „Daher auch meine politische Erklärung im Parlament, meine Aufforderung an PSD, ALDE und PMP, sich öffentlich von diesen Sachen zu distanzieren.” Auch von der Parlamentsleitung verlange er, immerhin selbst Mitglied des Parlaments, ein Statement, wie man zu der Behauptung, das DFDR sei eine nazistische Organisation, stehe. „Bis diese Richtigstellung nicht geschieht, kommt eine Zusammenarbeit von mir mit dieser Regierung nicht zustande.”

Appell zu mehr EU-Verantwortung

Wichtig für Rumänien ist, dass Politiker nun das Vertrauen ihrer Bürger wiedergewinnen und flächendeckend präsent sind, nicht nur in Bukarest, diagnostiziert Ferber. Man müsse mit Fakten arbeiten, nicht mit bewussten Diffamierungen - doch „leider kehrt dies an ganz vielen Stellen Europas wieder zurück”, äußert er sich besorgt. Auch nationalpopulistische Töne nehmen in der Rhetorik immer mehr überhand: in den Niederlanden, in Frankreich, zur Zeit auch massiv in Polen. „Ich bin in Sorge, dass diese Karte auch in Rumänien von der Regierung in Zukunft stärker gezogen wird”, gibt Ferber zu bedenken. Am Vortag hatte der EU-Parlamentarier vor Studenten der deutschen Abteilung der Fakultät für Betriebswirtschaft (FABIZ) im Rahmen einer Konferenz, organisiert von der HSS zusammen mit dem DFDR, Zusammenhänge, Werte und Pflichten der EU-Staatengemeinschaft ausführlich dargestellt. Diese sei keine Verfassungsgemeinschaft, sondern ein Zusammenschluss souveräner Staaten, die nur Teile ihrer Souveränitäten an die EU abgetreten hätten,“ und damit dies funktioniert, braucht man stabile Regeln - allen voran Rechtssicherheit”, erklärte er den Hörern. „Wir leben in schwierigen Zeiten”, warnt er, als Erkenntnis aus der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz. „Die Zahl der Konflikte hat nicht ab- sondern zugenommen, die Verantwortung, die auf der EU lastet, ist gewachsen.“ Putin, Erdogan, Trump – sie alle seien wenig an einer funktionierenden europäischen Zusammenarbeit interessiert. „Doch die schönste Marktwirtschaft nützt nichts, wenn die Außenpolitik abgekoppelt wird!” Dies sei als leidenschaftlicher Appell zu verstehen.

Allerdings, so wieder auf der Pressekonferenz, habe er in den hier geführten Gesprächen festgestellt, dass zumindest die EU als Idee und die Mitgliedschaft Rumäniens insbesondere nicht infrage gestellt würden. Auf die verhaltene Hoffnung folgt dann wieder eine schallende Ohrfeige: „Insgesamt gehe ich sehr frustriert nach Hause. Das Land macht mir große Sorgen.”