Zum Schutz des europäischen Naturerbes

Der massive Holzeinschlag in den rumänischen Nationalparks muss gestoppt werden

Greenpeace alarmiert: Rumäniens Wälder bedecken nur noch 28,95 Prozent der Fläche des Landes - in der gesamten EU sind es immerhin 42 Prozent (Stand 2016). 2013 und 2014 wurden in Rumänien täglich im Schnitt 62 illegale Fällungen gemeldet. 2015 verschwanden in Rumänien jede Stunde drei Hektar Wald – Teile der letzten Urwälder Europas.
Foto: George Dumitriu

Neben der polnischen Region Bialowiecza gelten weite Teile der sechs rumänischen Nationalparks als letzte große Urwaldflächen in Europa - Urwald in dem Sinne, dass dort der Wald seit Jahrhunderten sich selbst überlassen ist und zahlreichen seltenen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und ungehindert Entfaltung bietet. Aller-dings kritisieren Umweltschutzorganisationen seit Jahren den massiven Holzeinschlag in diesen Regionen. Zuweilen ist sogar von flächendeckendem Kahlschlag die Rede. Weil es sich zudem auch noch um Natura-2000-Gebiete nach EU-Recht handelt, sei der Holzeinschlag in diesem Umfang illegal, so die rumänische Organisation „Agent Green“ und die deutsche Umweltstiftung „Euronatur.“ Weil alle Proteste der vergangenen Jahre nicht wirklich Verbesserungen bzw. Änderungen in der Vorgangsweise rumänischer Verantwortungsträger gebracht haben, wollen die Umweltschützer nun die EU-Kommission dazu bewegen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien wegen den Regelverstößen im Umgang mit schützenswertem Naturerbe einzuleiten.

Am Ende eines langen Fußmarsches: „Wir waren heute im Semenic-Nationalpark im Südbanat. Das ist ein wunderbares Naturgebiet mit den größten Buchen-Urwäldern, die wir überhaupt noch haben in Europa.“ Gabriel Schwaderer ist Geschäftsführer der deutschen Umweltstiftug „Euronatur“. Von der Reise in den Semenic-Nationalpark im Westen Rumäniens, nicht weit entfernt von der Grenze zu Serbien, zeigt er sich tief beeindruckt. Allerdings: „Wir wurden auch konfrontiert mit Einschlägen. Wir haben Hektare große Schirmschläge gesehen, wo alte Wälder, sehr alte Wälder, derzeit gefällt werden oder zur Stunde markiert werden für den Holzeinschlag, 300 Jahre alte Buchen, die in den nächsten Jahren zum Verschwinden gebracht werden.“

Und das passiert nach den Beobachtungen von „Euronatur“ und „Agent Green“, eine Partnerorganisation mit Sitz in Rumänien, nicht nur im Semenic-, sondern auch im südöstlich benachbarten Domogled-Nationalpark. „Die beiden sind in Südwestrumänien die größte Wildnis in Europa. Die beiden Nationalparks sind aber auch die Nummer eins und Nummer zwei im Holzeinschlag. In den letzten vier Jahren waren das eine halbe Million Kubikmeter geschlagenes Holz“, so Gabriel Păun von „Agent Green“. Dass so etwas die Seele eines Naturschützers zum Kochen bringt, liegt auf der Hand.

Eine ganz andere Frage ist aber, ob dieser Holzeinschlag in den Nationalparks auch gesetzeskonform ist. Gabriel Schwaderer von „Euronatur“ hegt daran seine Zweifel. Denn: „Die Nationalparks in Rumänien sind alle Natura-2000-Gebiete.“ Das heißt: Der Nationalpark Semenic – Karasch-Schluchten, aber auch der Domogled-Nationalpark gehören zu jenem Netz von besonders schützenswerten Flächen innerhalb der Europäischen Union, in der die „Fauna-Flora-Habitat“-Richtlinie gilt, die zum Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten verpflichtet. Und da dürfe nicht einfach mit der Axt wild drauf los gehauen werden, wie das in Rumänien geschehe, meint Gabriel Schwaderer von „Euronatur“: „Wir glauben, dass diese Form der Forstwirtschaft in einem Natura-2000-Gebiet nicht vereinbar ist mit Europarecht. Die Habitat-Richtlinie sieht vor, dass natürliche Lebensräume in ihrer Integrität erhalten bleiben müssen. Genau das passiert hier eben nicht. Und wenn Holzeinschläge in einem Natura-2000-Gebiet geplant und durchgeführt werden, braucht es zuvor eine entsprechende Verträglichkeitsprüfung. Nach unserem Kenntnisstand werden solche Verträglichkeitsprüfungen in Rumänien gar nicht durchgeführt.“

Seit über fünf Jahren weisen „Euronatur“ und „Agent Green“ die häufig wechselnden Regierungen in Rumänien auf die Problematik hin - bislang vergebens. Nun versuchen sie, die EU-Kommission auf die Problematik aufmerksam zu machen. Die wird im Übrigen nicht zum ersten Mal mit intensivem Holzeinschlag in geschützten Gebieten konfrontiert. Gabriel Schwaderer: „Allerdings schauen wir mit großem Interesse auf die Situation Bialowiecza in Polen. Dort hat es vor einigen Jahren eine ähnliche Auseinandersetzung gegeben zwischen der EU-Kommission und Polen. Und im April dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen, und die ist eindeutig: Liebe Polen, Ihr müsst die Holzeinschläge im Natura-2000-Gebiet Bialowiecza stoppen. Ansonsten werdet ihr belangt mit hohen Geldstrafen.“

Nach diesem Präzedenzurteil könnte die EU-Kommission auch gegen Rumänien vorgehen, so Gabriel Schwaderer, der wegen des Verstoßes gegen die Natura-2000-Regeln ein Vertragsverletzungsverfahren fordert. Niemals waren die Chancen dafür so günstig wie derzeit: „Wir werden das erste Halbjahr 2019 dafür intensiv nutzen. Denn dann wird Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft inne haben. Rumänien wird also auf der europäischen Bühne ganz vorne im Rampenlicht stehen. Und wir werden Rumänien an seine Verantwortung erinnern für die rumänischen Urwälder. Denn diese Wälder sind ein wichtiger Teil des europäischen Naturerbes.“